Markus Ebner, alias Average, und David Wöhrer, alias David Raddish, haben ein Album aufgenommen. “Vale Tudo” heißt der Longplayer und wurde am 05.04.2024 als Eigenveröffentlichung auf Pont Records veröffentlicht. Der Albumtitel ist dem Kampfsport entlehnt und bedeutet so viel wie “keine Regeln”. Was das für die Musik bedeutet, erklärt Markus Ebner im Interview mit mica. Außerdem spricht er mit Dominik Beyer über unseren dauergestressten Alltag, seine Rolle als Vater, Angestellter und selbstveröffentlichender Künstler sowie darüber, wie er als wortgewaltiger Rapper den rhetorischen Diskurs unseres politischen Miteinanders sieht.
Bist du ein ehrgeiziger Typ?
Average: Natürlich irgendwie. Wenn ich das nicht wäre, würde ich komplett untergehen. In der österreichischen Musiklandschaft ist man weitestgehend auf sein eigenes Engagement angewiesen. Da muss man durchbeißen. Auch aus Liebe zur Musik. Ich bin fast ein Perfektionist. Wobei ich das mittlerweile schon ein wenig abgelegt habe. Es hört ja sonst nie auf.
Grenzt du deine Möglichkeiten ein, um nicht in Versuchung zu geraten, auf zu vielen Gebieten perfektionistisch zu sein?
Average: Perfektionistisch auf allen Ebenen geht eh nicht. Ich habe einen Teilzeitjob, der mein Leben finanziert, und ich bin auch Vater. Nebenbei gesagt ist das der coolste Job von allen. Trotzdem möchte ich die Musik weiterhin so professionell betreiben wie möglich. Dazu gehört natürlich die Selbstvermarktung, das Booking und das Management. Aber alleine kann man das nicht ersetzen, was eigentlich Agenturen und Labels machen würden. Das habe ich in den letzten Wochen mehr denn je gelernt, weil ich den Anspruch habe, dass alles so professionell wie möglich rüberkommt. Aber alleine kann man das natürlich nicht ersetzen, was eigentlich mehrere Angestellte machen würden. Da muss man priorisieren und seine Grenzen kennen, vor allem um sich nicht selbst zu gefährden. So weit ist es zum Glück noch nicht bei mir, aber ich glaube, das kann schon schnell gehen.
Wann hast du zuletzt ein Buch gelesen? (kein Sachbuch und keine Selbstoptimierungsliteratur)
Average: (lacht) Die Frage ist ernst gemeint. Derzeit lese ich “Gomorrha”, einen Mafia-Roman. Das löst mich auf sehr angenehme Weise von der ernsten Realität, auch wenn das jetzt kein lustiges Buch ist. Es tut trotzdem gut abzutauchen.
Aber muss man sich schon eher dazu zwingen?
Average: Ja, tatsächlich. Es ist einfach unsere Realität. Es wird schon viel verlangt, und Social Media füttert einen ständig mit Informationen.
„Wenn man ein Label hätte, wäre einem da schon geholfen.”
An welchen Schrauben drehst du dann, um es in Summe aber dann doch zu schaffen?
Average: Naja, ich bringe nicht jedes Jahr ein Album raus. (lacht) Organisieren muss man sich natürlich. Am liebsten würde ich die ganze Zeit nur im Studio sitzen. Aber im Moment ist einfach alles für den Release wichtiger. Wenn man ein Label hätte, wäre einem da schon geholfen.
Was war der große Unterschied in der Herangehensweise zu bisherigen Alben? Du schreibst, es gab weniger Regeln. Alles geht!
Average: Es gab keine grundlegend andere Herangehensweise als bisher. Der größte Unterschied war vermutlich, dass das ganze Album von David Raddish produziert wurde. Wir haben schon mal gemeinsam gearbeitet, zum Beispiel für eine Nummer von der Folkshilfe.
Danach haben wir drei Singles gemacht. Und weil es so gut geklappt hat, ist jetzt ein ganzes Album daraus geworden. Das macht schon einen Unterschied. Früher bin ich oft mit 60 Zeilen ins Studio gekommen und habe meinen Willen durchgesetzt, die auch einzurappen. Durch den musikalischen Filter von David blieben bei den jetzigen Studiosessions dann nur 34 Zeilen über. Er sieht sehr schnell die musikalische Essenz. Was musikalisch nicht notwendig war und sich inhaltlich wiederholt hat, wurde rausgekickt. Das hat für mich schon eine neue Perspektive aufgemacht. Das finde ich sehr spannend.
„Das hat meine Songwriting Skills auf ein neues Niveau gebracht.”
Also eine konsumiererfreundliche Herangehensweise?
Average: Genau. Das hat meine Songwriting-Skills auf ein neues Niveau gebracht.
Soll “Vale Tudo” auch eine politische Message sein?
Average: Nein, gar nicht. David macht auch Kampfsport und hat den Begriff ins Spiel gebracht. Es ist eher so zu interpretieren, dass wir uns keinen Genre-Grenzen beugen. So gesehen ist alles erlaubt. Hauptsache, es gefällt.
Leidet unsere Gesellschaft an einem Kommunikationsproblem?
Average: Ja, mit Sicherheit. Da ist zum einen eine gewisse abgehobene Rhetorik im politischen Diskurs, die viele Leute teilweise gar nicht mehr verstehen.
Die populistischen Parteien haben das scheinbar begriffen. Und profitieren davon.
Average: Ja, genau. Und geben die einfachsten Antworten auf die komplexesten Herausforderungen. Auf der anderen Seite meinen es manche Politiker vermutlich wirklich gut und verstehen es aber manchmal nicht, ihre Messages verständlich zu verpacken. Dann können sich die, die es betrifft, nicht mehr damit identifizieren. Und die Parteien aus dem rechten Spektrum, die immerzu vorgeben für den kleinen Mann zu sein, bereichern sich und haben Spesenabrechnungen wie Gott in Frankreich. Oder schmeißen Begriffe in den Raum, um zu polarisieren, ohne aber irgendwas mit der Basis zu tun zu haben. Dabei werden dann Begriffe wie Heimat missbraucht.
Was ist Heimat für dich?
Average: Sicher etwas anderes als für Herbert Kickl. Vielfalt, Offenheit und gegenseitiger Respekt ist es für mich – ja, das kann man glücklicherweise auch in Österreich finden. Und Linz ist es für mich – weil ich dort geboren und aufgewachsen bin und weil mich die Stadt extrem geprägt hat. Und dort, wo mein Sohn ist, ist Heimat.
„Aus nichts alles machen, dann macht alles nichts“ ist eine schöne Zeile aus „Kids“. Inwiefern hilft dir dein Sohn beim Musikmachen?
Average: Mein Sohn bringt so viel Positives in mein Leben. Das inspiriert mich natürlich in allen Bereichen, auf jeden Fall auch zu so positiven Songs wie diesem.
Würdest du ihm auch dazu raten, wenn er Ambitionen hätte, einen Beruf als Rapper zu ergreifen?
Average: Grundsätzlich würde ich ihm dazu raten, das zu machen, was er liebt. Denn mit Feingespür und ein bisschen Unterstützung ist das einfach das Beste, was man machen kann. Vielleicht hat er auch ähnliche Ambitionen wie ich. Das hat er als Dreijähriger eigentlich schon bewiesen. Ein kurzer Freestyle über Dinosaurier ist auf dem Track „Kids Skid“ auf dem Album zu hören.
„Ich würde dafür sorgen, dass Streaming-Royalties transparenter werden.”
In einer idealen Welt. Welche musikwirtschaftlichen Änderungen würdest du vornehmen?
Average: Ich würde dafür sorgen, dass Streaming-Royalties transparenter werden. Außerdem würde ich versuchen, noch mehr Beratungen für Künstler:innen anzubieten, weil viele – vor allem neuere – Artists nicht darüber Bescheid wissen, welche Möglichkeiten es beispielsweise für Förderungen gibt. Ich arbeite sehr viel mit jungen Leuten zusammen, die z. B. noch nie etwas vom Musikfonds oder Ähnlichem gehört haben. Das führt dann oft auch dazu, dass hauptsächlich jene von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen können, die ohnehin bereits etabliert sind.
Vielen Dank für das Interview.
Dominik Beyer
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David Raddish
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