Avantgardistisches "Gesamtkunstwerk": Uraufführung von "Abstrial"

„Sprengt die Opernhäuser in die Luft!“ propagierte Pierre Boulez in den Siebzigern und prophezeite damit den Untergang einer traditionsreichen Gattung. Ganz Unrecht hatte er damit wohl nicht; Opern-Uraufführungen werden immer seltener und auch mit sinkenden Besucherzahlen haben einige Häuser zu kämpfen. Das Bedürfnis aber, Musik und Theater zu verbinden, schmälert sich dadurch nicht. „Musiktheater“ nennt man breiter gefasst und terminologisch vom historischen Ballast befreit, das Phänomen, das sich auf einigen Theaterbühnen abspielt. Das Projekt „Abstrial“ ist so ein Konglomerat aus Installation, Performance, Live-Elektronik, Poesie und Gesang. Am Donnerstag, 25. April feiert es am Kosmostheater in Wien seine Uraufführung.

Den kompositorischen Part des Musiktheaters übernehmen Electric Indigo und Pia Palme unter anderem mit einer Live-Performance. Beide als Allrounder im Musikgeschäft tätig, finden sie sich vor allem beim Interesse elektronischer Musik zusammen. Electric Indigo, als DJane bei hippen Undergroundparties ebenso unterwegs wie in gediegenen Konzertsälen, schafft mit ihrer Musik das, was man mit Techno vielleicht am ehesten schafft: Den Spagat zwischen Mainstream und Avantgarde. Auch Pia Palme bewegt sich gerne in Grenzbereichen, zum Beispiel zwischen dem Auskomponieren und dem Improvisieren auf der Subbassblockflöte. Dieses Instrument hat sie zusammen mit dem schweizer Instrumentenbauer Küng selbst entwickelt. Derzeit beschäftigt sie sich mit den klanglichen Möglichkeiten der menschlichen Stimme. Ihre Experimente mit der Audio-Partitur werden in „Abstrial“ vom Bariton Bartolo Musil zu hören sein.

Zu dem weiblichen kompositorischen Duett gesellen sich auf der Bühne drei Frauenstimmen, die nach herkömmlichen Partituren singen, jedoch ebenso wie der Baritonsolist der elektronischen Verzerrung von Electric Indigo unterworfen sind. Die englischen Texte stammen von der Amerikanerin Anne Waldman, deren rhythmisierende Gedichte zusammen mit deutschen Texten von Pia Palme und italienischen von Ivan Fantini der Musik eine Struktur vorgeben. Die Werke der Künstler zusammen zu bringen und ihnen ein einheitliches Leben einzuhauchen, ist Aufgabe der italienischen Regisseurin und Choreographin Paola Bianchi.

Der „Zerfall alltäglicher Werte, Bedeutungen, Strukturen“ durchzieht thematisch das Musiktheater „Abstrial“, das sich aus den Wörtern „abstrakt“ und „Material“ zusammensetzt. In seiner unpathetischen Deklaration dürfte es Pierre Boulez eigentlich gefallen. Ob der französische Avantgardist mit seinem Abgesang auf das zeitgenössische Musiktheater Recht hat und wie sich ein „Gesamtkunstwerk“ im 21. Jahrhundert präsentiert, ist am Donnerstag und Sonntag jeweils 20.30Uhr im Kosmostheater Wien zu sehen.

Margarete Buch

http://www.kosmostheater.at/