Austrian Music Box12: Klassik/Zeitgenössische E-Musik

Begriffliche Schulbladen und die dazugehörigen sozialen Konnotationen bestimmen den Musikmarkt durch Genrebezeichnungen bei CD-Verkäufen, Konzertveranstaltern und in den Medien. Auch wenn sich seit Jahren Widerstände gegen Begrifflichkeiten wie “E-” und “U-Musik” regen, halten sie sich beharrlich in Köpfen, Musikregalen und Programmheften. Diese Einteilung mit ihren zahlreichen Subkategorien, die auch die Beurteilung nach den jeweilig gültigen Kriterien nach sich zieht, lässt sich jedoch gerade in der Beibehaltung dieser wenig geliebten und dennoch beständig weitertradierten Begriffe umso deutlicher in Frage stellen, wie die Zusammenstellung der austrian music box 12 im sogenannten Bereich “Klassik/zeitgenössische E-Musik” beweist. Denn auf ihr vereint der Musikwissenschaftler und Musikpublizist Daniel Ender diverse Zugänge, die die Genregrenzen zuweilen als obsolet erscheinen lassen.

Ein Komponist, der auf einer CD wie dieser nicht fehlen darf, ist Friedrich Cerha, der mit seinen letztes Jahr gefeierten 85 Jahren das Musikleben weiterhin mit neuen Werken bereichert und in der vertretenen Komposition “Instants” mit der Vielfalt seiner reichen Erfahrungen aufwartet. Das halbstündige Stück ist umringt von jüngeren Vertretern des kompositorische Berufsfeldes, die das Tradierte oftmals in ihr Schaffen integrieren, um es zu einer individuellen Klangsprache weiterverarbeiten. So etwa Maja Osojnik, die sich als Sängerin, Flötistin und Komponistin in Grenzbereiche der Neuen Musik wagt und hier mit langsam anschwellenden Orchesterclustern in Bezug zu Klangflächen der 1960er Jahre vertreten ist; oder Klaus Ager, der auf die Zweite Wiener Schule und ihre Folgen verweist. Manuela Kerer lässt nach Lust und Laune in gelegentlich humorvoller Weise heterogene Elemente unterschiedlichster Genres verschmelzen oder aufeinanderprallen. Der Titel “Composite Sketch” von Thomas Amann verweist mit seinen plötzlichen Zustandsänderungen auf den fließenden Übergang zwischen plötzlichem Einfall und präzise Ausgearbeitetem, wie es in der Neuen Musik oftmals zu finden ist. In gewohnter Weise äußerst konzise gearbeitet führt Joanna Wozny in “Vom Verschwinden einer Landschaft” mit spannungsvollen Verläufen in zumeist leise, klangfarbenreiche Welten.

Nicht zu vergessen sind neben den KomponistInnen auch jene, die die Werke zum Erklingen bringen. So etwa der junge Zither-Spieler Martin Mallaun, der das traditionell behaftete Instrument von verstaubten Alm-Assoziationen befreit und ihm mit dem Erforschen der weiten Klanglandschaften neues Leben einhaucht – so auch in der Komposition Göttertisch des als Improvisator bekannten Trompeters Franz Hautzinger. Oder umgekehrt auch die Musikbanda Franui oder das Ensemble Amarcord Wien gemeinsam mit der Sopranistin Elisabeth Kulman, die mit ihrer Interpretation Mahler’scher Musik in volksmusikalisch anmutenden Besetzungen die von traditionellen Weisen beeinflussten Kompositionen ihrer Herkunft zurückführen und dabei gleichzeitig frischen Wind in die ein Jahrhundert überdauerten Werke bringen. Nicht zu vergessen auch das ORF Radio-Symphonieorchester Wien, das nach ungeheuren Anstrengungen vor seiner Abschaffung glücklicherweise gerettet werden konnte. Denn mit ihm wäre nicht nur ein qualitativ in diversen Epochen bis in die Gegenwart hochstehender Klangkörper verloren gegangen, sondern auch eine jener raren Institutionen, die zahlreiche groß besetzte, jüngere Werke an die Öffentlichkeit bringt und das hoffentlich auch noch in den nächsten Jahrzehnten tun wird. (dw)

Trackliste: 

  • Gustav Mahler: Wo die schönen Trompeten blasen (aus: Des Knaben Wunderhorn), Interpret: Franui
  • Franz Hautzinger: Göttertisch (aus: kleine Göttermusik), Interpret: Martin Mallaun
  • Manuela Kerer: AURIMI, Interpreten: Winkraft-Kapelle für Neue Musik und Jugenblasorchester
  • Maja Osojnik: Little Dream Machine, Interpret: ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Gottfried Rabl
  • Friedrich Cerha: Instants for orchestra I & II, Interpret: WDR Sinfonieorchester Köln, Peter Rundel
  • Thomas Amann: Composite Sketch, Interpret: ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Gottfried Rabl
  • Joanna Wozny: Vom Verschwinden einer Landschaft II, InterpretInnen: Sophie Schafleitner, Dimitrios Polisoidis, Andreas Lindenbaum, Janna Polyzoides
  • Klaus Ager: Geo Mah Ramson, Interpret: ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Klaus Ager
  • Gustav Mahler: Wer hat dies Liedlein erdacht, Interpreten: Elisabeth Kulman & Amarcord Wien