Seit 29. September gibt es im Technischen Museum die Sonderausstellung „macht musik“, die sich sehen lassen kann (bis Juni nächsten Jahres). Bereits am Dienstagabend konnte man diese besichtigen, sofern man nicht lieber das tolle Eröffnungskonzert zur Gänze hören wollte. Dort spielte Matthias Loibner mit seiner Drehleier, anschließend gab’s in der Mittelhalle ein grandioses Konzert mit dem Chorus sine nomine mit „alter“ und mit ganz Neuer Musik des schon lange in Wien lebenden Komponisten J. Peter Koene. Zum Ausklang dann noch Hans Tschiritsch, Otto Lechner und Franz Haselsteiner im Trio.
Das Technische Museum haben jüngste und junge Wien-Bewohner seit vielen Jahrzehnten oft am Weihnachtstag besuchen können – mit dem Papa oder der Tante, während zu Hause das Christkind den Baum mit Silberhaar aufputzte und den Gabentisch bereitete. Das Museum in der Mariahilferstraße ist für Jung und Alt aber immer einen Besuch wert; in der Mittelhalle stehen alte Dampflokomotiven, Stadtbahnwaggons und nicht zuletzt der Hofsalonwaggon der Kaiserin Elisabeth mit Bett und Waschgelegenheit, den diese oft benützte, wenn sie aus Wien nach Ungarn oder sonst wohin flüchtete.
Und auch jetzt – die Renovierung und ein neuer Eingangsbereich des Museums stehen vor der Fertigstellung – lohnt es sich für Familien und Kinder besonders zu „macht musik“ kommen, man kann historische und neue Instrumente (auch selbstspielende „Musikautomaten“) erforschen, selber auf einer nachgebauten Opernbühne mit Kulissen stehen oder Musik in einem Tonstudio bearbeiten. Es gibt eigene Kindergarten- und Schulprogramme oder Kuratorenführungen, wo auch elektronische Instrumente erklärt werden sollen. Und ab Oktober gibt es die ganze Ausstellungsdauer hindurch Vorträge und Konzert-Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Musikuniversität, der Österreichischen Mediathek und anderen Institutionen (etwa „Musique mecanique“, „Schifter macht Jazz“ – mit Schellacks, „Musik-Filmnacht“, Gastspiel des „Akkordeonfestivals“, eine elektroakustische Präsentation des Uni-Lehrgangs für Computermusik unter der Leitung von Katharina Kement und Wolfgang Musil …)
Das Auftakt-Konzert war in Zusammenarbeit mit Ö1 (Albert Hosp) und „zeitton“ übertrug auch den Act von Otto Lechner & Co, bei dem neben den Akkordeons auch „singende Sägen“ und weitere Musikinstrument-Unikate erklangen. Genauso eine Übertragung verdient hätte sich jedoch auch das Konzert zuvor.
A-cappella-Programm des Chorus sine nomine: The Power of Heaven
Der vielzitierte “Blick nach oben” steht im Mittelpunkt dieses Programms, das, von Johannes Hiemetsberger geleitet, acht- bis dreizehnstimmige Gesänge bringt – das Konzert wird im Juni 2010 zur Gänze an verschiedenen Ort wieder aufgeführt werden. Die Live-Elektronik (Stefan Foidl) bot über mehrere im Raum verteilte Lautsprecher spannende „Zwischenspiele“, gespeist aus Remixing von zuvor live über Mikrophone aufgenommenen Chor-Sequenzen.
Der Chor kam singend von oben, sowie dann von den Seiten der hohen, auf ihre Art kirchenraum-artigen Mittelhalle auf das Podium und alle im Buffet verstummten und hörten allmählich zu. Es richtet sich an das Göttliche und an Gott, den wir im Himmel zu wissen glauben: Gesänge der Gläubigen, der Suchenden, der Glücklichen, der Zweifler, der Hadernden, wie Hiemetsberger in einer Einleitung zu „The Power of Heaven“ schreibt. Zu hören war ein „Kyrie eleison“, „Pater Noster“ von Jacobus Gallus (1550-1551), ein weiteres von dem 1954 geborenen Vytautas Miskins (leider an diesem Abend aus Zeitgründen nicht auch noch das von Giuseppe Verdi) und zum Abschluss ein „Agnus Dei“ von Samuel Barber.
Höhepunkt des Programms: Die Erstaufführung von „… qui corruperunt terram“ für 8stimmigen Chor und Solo-Bratsche mit Live-Elektronik von J. Peter Koene (der übrigens bei allen Stücken außer seinem eigenen in der Tenorgruppe des Chorus mitsang). Die Bratsche spielte seine Frau Elaine Koene, eine exzellente Musikerin, die auch im Ensemble „die reihe“ beim letzten KOFOMI Mittersill mitwirkte.
Stefan Loidl steuerte die Live-Elektronik.
Obwohl der aus Kanada stammende J. Peter Koene seit über einem Jahrzehnt in Wien wohnt, lebt und arbeitet, ist er in der Musikdatenbank des mica bisher übersehen worden, was aber hoffentlich bald anders wird. Wir möchten ihn und sein aufgeführtes neues Werk hier aber zumindest einmal kurz vorstellen, umso mehr, als er vor allem auch in Großbritannien häufig aufgeführt wurde und wird und eine ganze Reihe von Auszeichnungen erhalten hat: Sein Kompositions-Studium absolvierte er an der Royal Scottish Academy 1996 (wo er in den letzten Jahren jeden Kompositionspreis gewann), an der Universität York absolvierte er auch ein Studium der Musikwissenschaften. Auszeichnungen und Preise auch in Kanada (Toronto), in vielen europäischen und nordamerikanischen Ländern bekommt er Kompositionsaufträge, Aufführungen und Rundfunkübertragungen (Societé de musique contemporaine du Quebec, BBC), Präsentationen beim Bath International Festival, Aldeburgh Festival, Academy Now! In Glasgow, Massey Hall New Music Festival Toronto, heuer auch Uraufführungen in Australien und China (Expo 2010 in Shanghai).
Der Text des Chorstückes „… qui corruperunt terram“ (… die die Erde verderbet haben) stammt aus der Offenbarung des Johannes. Aus der Anmerkung des Komponisten: Ein Ärger [Anm.: „Et iratae sunt gentes“ – beginnt der Text] größtenteils gehemmt – unterdrückt – knurrt im Bauch der Erde und rülpst kaum kontrollierte Explosionen, Aber er hat noch keine Stimme (der Chor klingt nicht wie ein Chor, die Bratsche nicht wie eine Bratsche). Der Ärger ist „das Lied von der Erde“, das gegen seine Schädigung, seine Zersetzung, und gegen die Herrschaft einer einigen Spezies auf Kosten aller anderen – sogar nach ihrem Aussterben – aufschreit. Der Ärger findet dann doch seine Stimme, baut Intensität af, er verbreitert seine Reichweite und seine Wut, bis seine Gewalt und sein Schmerz übertreffe, was die singende Stimme ausdrücken kann. Die Bratsche allein – lauter gemacht, multipliziert, verdreht und vom Klang zersetzt – wird allein gelassen, den Todeskampf unseres Planeten auszudrücken. (…) Das Stück endet mit einer Frage: Wo ist „the power of heaven“, welche die Zerstörung der Erde aufhalten du eine zersetzte Menschheit heilen kann?“. (hr)