Karrieren sind so vielfältig wie die Gerüchte darüber. Ein bisschen Glück gehört immer dazu. Doch ein Großteil der Faktoren ist beeinflussbar. Was muss man heute im Musikbusiness wissen? Wir klären das in der Rubrik “Auskennen im Musikbusiness”, eine Kooperation von mica mit der Rockhouse Academy.
TAKESHI’S CASHEW formierte sich während der Pandemie. Aus einem zunächst ungezwungenen Projekt ohne große Erwartungen entwickelte sich in relativ kurzer Zeit eine bemerkenswerte Formation mit einem funktionierenden Netzwerk. 150 Konzerte in ganz Europa wurden seit der Gründung der Band TAKESHI’S CASHEW gespielt. Respektabel für eine sechsköpfige Instrumentalformation und Grund genug, genauer nachzufragen.
Dominik Beyer traf Florian Feit von TAKESHI’S CASHEW beim Tourstopp im Rockhouse Salzburg. Im Anschluss daran gab es noch Zeit, individuelle Fragen zu beantworten. Ein Teil dieses Gesprächs ist hier nachzulesen.
Lieber Florian, stell dich und deine Bandkollegen bitte kurz vor und erzähle wie ihr zur Musik gekommen seid.
Florian Feit: Hallo, ich spiele Querflöte, Saxophon und verschiedene andere Flöten. Woodwinds, wie man so sagt. Bei Takeshi’s Cashew sind wir zu siebt: Sechs Musiker und unser Tontechniker. Benjamin Zsak (Bass / Gitarre / Bazooki / Synthesizer); Jassin Bshary (Bass / Gitarre); Tobias Blessing (Schlagzeug); Lukas Zettl (Gitarre / Synthesizer); Atreju Fiedler (Percussion) und Werner Thenmayer (FOH). Wir haben uns ursprünglich bei Jamsessions in Wien kennengelernt. Vielleicht wären wir nicht über den Gürtel hinausgekommen, wenn Corona nicht alles lahmgelegt hätte. So konnten wir intensiv proben und uns der Musik widmen. Seitdem haben wir circa 150 Konzerte in ganz Europa gespielt. Das macht Spaß.
Was sind eure Einnahmequellen?
Florian Feit: Hauptsächlich die Gagen von Konzerten. Aber auch Tantiemen, Lizenzierungen, Plattenverkäufe und Merchandise.
„Ein Stolperstein war sicher das Fehlen von Startbudget (…) Du musst aber was reinstecken…“
Was waren eure größten Stolpersteine bisher?
Florian Feit: Wir machen das erst seit drei Jahren. Es ist noch immer holprig. Du hast ja schon zu Beginn viel darüber erzählt, was das mica alles an Beratung und Information zur Verfügung stellt. Selbst wenn man Musik oder Musikbusiness studiert hat, gibt es einfach unglaublich viel, was man nicht weiß und was man auch nicht erfährt, wenn man sich nicht aktiv darum kümmert. Außerdem verläuft jede Karriere anders. Die Szenen sind unterschiedlich, und so sind auch die Anforderungen an das Marketing verschieden. Auch die Märkte in verschiedenen Ländern sind nicht gleich. Außer unserem Schlagzeuger, der aber erst später zu uns gekommen ist, hat keiner von uns das gelernt oder studiert. Wir haben viel durch Trial & Error gelernt, einfach indem wir es gemacht haben. Ein Stolperstein war sicher das Fehlen von Startkapital. Die erste Zeit nach der Bandgründung wirft einfach keine Kohle ab, aber du musst etwas investieren. Trotzdem hat es ganz gut funktioniert. Corona hat es möglich gemacht. Wir haben uns ein Studio gebaut und uns das Produzieren selbst beigebracht.
Produziert ihr alles selber?
Florian Feit: Nicht nur, aber auch. Für unser zweites Album haben wir mit Jasper Geluk, einem Niederländer, zusammengearbeitet. In unserem Genre, der psychedelischen Instrumentalmusik bzw. dem ethnischen Folk gibt es eine europäische Band, die quasi Vorreiter ist. Altin Gün. Deren Produzenten haben wir angeschrieben. Das hat super funktioniert. Mit dem haben wir das zweite Album aufgenommen.
„Wenn man keinen Hit landet, findet einen niemand. Wir haben recherchiert (…)“
Gab es einen Gamechanger in eurer Karriere?
Florian Feit: Wenn man keinen Hit landet, findet einen niemand. Wir haben recherchiert, bei welchem Label die Künstler:innen sind, die wir gut finden und die uns beeinflussen. Da gab es für uns drei Optionen. Wir sind dann bei Laut & Louise aus Köln gelandet. Die machen eigentlich mehr Techno-Musik. Doch der Wille war da, und so haben sie die ersten beiden Alben mit uns gemacht. Wesentlich entscheidender war jedoch unser Booking-Agent. Der war unser Gamechanger. Denn die Booking-Arbeit ist tatsächlich sehr schwer, wenn man das nicht wirklich professionell macht. Da brauchst du einfach gut gepflegte Kontakte. Das ist schon ein Grund, warum das ein eigener Beruf ist. Janos Gülker war für uns der wichtigste Geschäftspartner.
Kam zuerst der Booker oder das Label?
Florian Feit: Fast zeitgleich. Eine kleine Anekdote hierzu. Mit der Booking Agentur pojpoj waren wir schon in Kontakt. Als wir mit dem Label verhandelt haben, meinte unser Booker noch zu mir „verkack es nicht“. Einfach, weil es für den Booker natürlich auch interessanter ist, wenn ein Label/Vertrieb mit an Bord ist. Durch seine Arbeit konnten wir dann jedenfalls schnell im Ausland spielen. Viel mehr als im eigenen Land. Eigentlich jetzt erst spielen wir die erste Österreich Tour.
KNOW-HOW
Wie wichtig ist musikwirtschaftliches Know-how? Oder kannst du dich voll und ganz der Musik widmen, wenn du ein Label hast, während andere im Hintergrund für dich arbeiten?
Florian Feit: Je mehr man weiß, umso weniger muss man auslagern. Desto weniger wird man über den Tisch gezogen. Das ist natürlich wichtig. Ich habe auch viel aus dem mica-Praxiswissen gelernt. Einiges muss man aber einfach auch in der jeweiligen Situation entscheiden. Dabei lernt man auch viel durch Fehler. Das bleibt einem nicht erspart.
Ihr seid also mit dem Label im ständigen Austausch?
Florian Feit: Ja, wir streiten auch viel.
Arbeitet das Label nicht auch immer im Interesse seiner Artists? Wo gibt es da Streitpunkte?
Florian Feit: Bei den meisten Labels sind ja doch einige Bands unter Vertrag. Dort wird jedoch nicht jede Band gleichwertig behandelt. Natürlich muss man auch um die Aufmerksamkeit kämpfen. Man möchte ja auch, dass Promo passiert. Man vergisst oft, dass ein Label viele Künstler:innen betreut. Mehrere Veröffentlichungen gleichzeitig sind Standard. Die meisten Indie-Labels bestehen aus 1-3 Mitarbeiter:innen, im Idealfall natürlich mit einem großen Netzwerk an Geschäftspartner:innen.
Dann kann man sich selbst ausrechnen, wie viel Arbeitszeit pro Act zur Verfügung steht. Kannst du mal kurz umreißen, welche Aufgaben ein Label erfüllen sollte?
Florian Feit:
Ein Label produziert und vertreibt einen physischen und digitalen Tonträger. Wir kommen mit einer Idee, also einem Demo, und gehen damit zum Label, um zu fragen, ob sie das veröffentlichen möchten. Das Label hat im besten Fall schon Stammkunden, und man wird von neuen Leuten entdeckt. Im Idealfall kaufen sie sogar deine Musik gleich. Das Label übernimmt auch Promo-Arbeit, weil sie natürlich auch daran interessiert sind, dass das Produkt gekauft wird.
Vielleicht haben sie aber auch die Strategie, viele Acts unter Vertrag zu nehmen. Einer davon wird durch einen Hype oder einen Hit so bekannt, dass es sich auszahlt, ohne dass viel investiert werden muss. Das kommt leider auch nicht so selten vor.
Heutzutage kann man das als Indie-Act vielleicht auch ohne Label schaffen. Das kann ich nur schwer beurteilen. Bei größeren Auflagen von Platten spricht aber sicher auch die Kaufkraft eines Labels bereits für die Zusammenarbeit. Da kommen dann schon schnell Summen zusammen, die man als Künstler nur schwer vorfinanzieren kann.
Wenn man das Kapital hat, kann man es aber vielleicht auch selber machen und sich eine Marke aufbauen.
Reicht die Promoarbeit des Labels dann aus für den Release, oder investiert man besser zusätzlich nochmal in jemand externen?
Florian Feit: Wenn der Release mit dem Label passiert, ist das unser gemeinsames Projekt. Da bespricht man sich. Für das letzte Album haben wir eine Social-Media-Kampagne in Auftrag gegeben.
Machen muss man es aber dann eh selber. Wie stark spielt Social Media in euren Arbeitsalltag mit rein?
Florian Feit: Man könnte immer mehr machen. Es ist sicher die Plattform, auf der man heutzutage entdeckt und gesehen wird. Sobald du eine Plattform hast, kommen Leute zu deinen Konzerten und kaufen dein Produkt. Und darum geht es ja in erster Linie. Da können Labels natürlich auch helfen. Das ist schon auch deren Job, dort vertreten zu sein.
Gibt es musikwirtschaftliches Know-How, das euch fehlt? Interessant ist, dass ihr ja zum einen Teil aus Österreich kommt, und zum anderen aus Deutschland. Aus welchem Land bezieht ihr Förderungen?
Florian Feit: Unsere zweite Produktion ist von Deutschland gefördert worden. Die Tour Förderung ist aber von Österreich.
„In der Selfpromotion fehlt einem immer Know-how, Weil sich alles schnell weiterentwickelt. Expert:innen, die wissen wie Social Media funktioniert und wie man es sich am effektivsten zunutze macht, sind es ein halbes Jahr später schon nicht mehr. Expert:innen sind hier meistens junge Leute,…“
Was ist dein Eindruck, wenn du die Fördersysteme in Deutschland und Österreich vergleichst?
Florian Feit: Das kann ich, glaub ich, nicht objektiv bewerten. Denn unsere Alben wurden noch nie gefördert. Obwohl wir in Österreich schon dreimal eingereicht haben. Von daher schwingt da schon auch ein bisschen Frust mit. Laut unserem Booker werden vergleichbare Artists in Deutschland, die sogar weniger Reichweite haben als wir, alle ausnahmslos gefördert. Wir waren 2021 vor die “Wahl” gestellt als deutsche Band oder als österreichische aufzutreten, da Förderungen von beiden Stellen eher Konflikte hervorrufen. Wir haben uns für Österreich entschieden, weil wir hier unsere Homebase sehen. Darum können wir nun auch nicht mehr von der Initiative Musik gefördert werden.
Apropos Know-how. Grundsätzlich kennen wir uns jetzt aus. Zumindest was das Förderwesen betrifft. In der Selfpromotion fehlt einem immer Know-how, weil sich alles schnell weiterentwickelt. Expert:innen, die wissen wie Social Media funktioniert, und wie man es sich am effektivsten zunutze macht, sind es ein halbes Jahr später schon nicht mehr. Expert:innen sind hier meistens junge Leute, die das stark nutzen und es deswegen durchschauen. Manchmal aber auch durch Zufall eine Regelmäßigkeit entdecken.
„Wenn du einen gepflegten youtube-Kanal mit etlichen Followern hast, ist ein Musikvideo sicher effektiv. Wenn du deine Fans mehr auf Instagram oder tiktok kanalisiert hast, würde ich eher in kurze interessante Ausschnitte investieren.“
Man findet von euch viele Live-Session-Videos. Richtig gedrehte Videos weniger. Ist die Zeit von Musikvideos vorbei?
Florian Feit: Die Zeit von MTV und VIVA auf jedenfall. (lacht) Nur, weil du ein Musikvideo hast, klicken es die Leute nicht an. Da gibt es mittlerweile auch zu viel. Der Trend geht zu kurzen Ausschnitten. Es muss konsumierbar sein. Kommt natürlich drauf an, auf welchen Kanälen man vertreten ist. Wenn du einen gepflegten Youtube-Kanal mit etlichen Followern hast, ist ein Musikvideo sicher effektiv. Wenn du deine Fans mehr auf Instagram oder Tiktok kanalisiert hast, würde ich eher in kurze interessante Ausschnitte investieren.
Bei letzterem Szenario müsste man erst recht noch viel Geld in die Reichweite eines eh schon teuren Musikvideos investieren. Da kann man sich dann schon fragen, wieviel das dann bringt.
Florian Feit: Wir haben viele Live-Sessions auf Youtube. Das ist auch für Veranstalter:innen interessant. So sehen die, ob der Act in das Lineup passt. Oder in den Club.
BUSINESS ADVICE
Was würdet ihr jungen Musikschaffenden raten, mit eurem jetzigen Know-how.
Florian Feit: Wie gesagt. An erste Stelle eine Bookingagentur. Auf keinen Fall selber machen. Vielleicht kennt man nach einigen Touren und etlichen Konzerten in vielen Ländern die Veranstalter:innen. Aber einfach ein Mail schreiben? Die bleibt vermutlich unbeantwortet.
In der Vorstellung einer idealen Welt gibt es wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die du ändern würdest?
Florian Feit: Wenn man mehr Geld von den Streaming-Anbietern bekommen würde, wäre das schön. Eine vielseitigere Radiolandschaft wäre auch zu wünschen. Wobei Spotify die Radios natürlich fast schon obsolet macht. Die wenigsten drehen noch Radios auf.
Die Playlisten ersetzen die Radiolandschaft. Wie kommt man da rein? Ist das auch Label Arbeit?
Florian Feit: Das ist auch wieder einer der Dinge, von denen ich vorher gesagt hab, dass sie sich so schnell ändern. Es gibt sogenannte Pitching-Services. Das ist ein Geschäftsmodell. Du gibst dem Dienstleister deinen Song und zahlst ihm Geld, damit er versucht, den zu platzieren. So ergibt sich wieder ein ganz neues Wissensfeld, mit dem man sich auseinandersetzen kann.
Was ist ein perfekter Song für Spotify? Welche Algorithmen sollte man beachten? Wann ändert Spotify das wieder, weil es zu viele ausnützen?
Ein Beispiel ist die 30-Sekunden-Abrechnungsregel. Wenn alle Leute ihre Beats oder Songs in 30 Sekünder aufteilten, ändert Spotify diese Regel vielleicht wieder. Dann gibt es wieder einen anderen Trick. Ein Song muss auf jeden Fall gleich präsent sein, damit keiner weiterklickt.
Das beeinflusst auch die eigene Musik?
Florian Feit: Ja, sicher. Ganz viel sogar. Natürlich klingt es am Ende nicht komplett anders. Man schreibt ja mit dem Bauch und nicht nur mit dem Kopf. Muss man ja auch. Sonst wäre es auch zu einfach und alle könnten einen Hit landen, wenn sie die gängigen Regeln und Gesetzmäßigkeiten beachten. Aber man muss seine Ideen schon auch gewissermaßen kompatibel machen und anpassen. Das lange Instrumental-Intro, das auf der Bühne sehr effektvoll sein kann, besser rausschneiden.
Es gibt derzeit ja ein sehr lobenswertes und spannendes Bestreben in der Kulturszene, künstlerische Leistungen fair zu entlohnen. In Folge dessen, wurden von unterschiedlichen Verbänden wie Interessensvertretungen Empfehlungen und Richtlinien veröffentlicht, an die sich idealerweise viele halten sollen. Ich spreche von der Initiative „Fair Pay“. Bekommst du als Musiker davon etwas mit? Sei es durch Artikel, Gespräche oder idealweise schon am Konto?
Florian Feit: Das kommt darauf an, ob die jeweilige Veranstalterin bzw. Veranstalter gefördert und demzufolge vielleicht auch daran gebunden ist, sich an diese Richtwerte zu halten. Wie zum Beispiel der Kultursommer in Wien.
Dort werden sehr viele Konzerte in der Stadt veranstaltet. Dafür kann man sich bewerben. Da spielen teilweise sehr unbekannte und junge Acts für 500€ pro Person. Ganz egal, ob dort Zuschauer sind, oder nicht. Das funktioniert natürlich nur für geförderte Festivals. Kein anderer könnte ansonsten diese Garantie geben. Das geht sich nicht aus.
Ich merke schon, ob ein Festival gefördert ist. Oder auch, wenn es einfach funktioniert. Die können dann die entsprechenden Gagen zahlen.
In Frankreich gibt es quasi sowas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen für Künstler:innen. Sobald man künstlerische Tätigkeit als Haupteinkommen nachweisen kann und ein gewisses Pensum an Arbeitsstunden erreicht, kann man ein schlechtes Jahr mit dem Sozialstaat ausgleichen. Das ist meiner Meinung nach etwas strukturierter als beispielsweise Einzelförderungen für bestimmte Künstler:innen.
Vielen herzlichen Dank für das Interview und ein schönes Konzert.
Dominik Beyer
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