Atelierkonzerte für Neue Musik – ASTRID RIEDER im mica-Interview

Seit knapp über 15 Jahren gehören die von der Salzburger Künstlerin Astrid Rieder (Trans Art) initiierten Atelierkonzerte zu den wichtigsten Programmpunkten in Sachen Neuer Musik in der Mozartstadt. Dabei bieten die jeweils einmal im Jahr stattfindenden Konzertabende eine Plattform, die nicht nur zum Hören einlädt. Es ist gerade der intime Rahmen, der MusikerInnen, KomponistInnen und das Publikum zum Reden, zum Diskutieren und vor allem zum gegenseitigen Kennenlernen anregt. Auch gehören audiovisuelle Beiträge und Literatur längst mit zu den fixen Programmpunkten. Didi Neidhart traf Astrid Rieder kurz vor dem heurigen Atelierkonzert (am 19.02.2011 im Großen Saal des Salzburger Kunstvereins) zum mica-Interview.

Wie entstand die Idee Atelierkonzerte für Neue Musik zu veranstalten, die zuerst ja noch Wohnzimmerkonzerte waren?

Astrid Rieder: Das Zustandekommen dieser Idee steht auf mehreren Säulen: Erstens sind wir eine musikalische Familie, wo einige von uns auch selber Klavier spielen. Zweitens gab und gibt es auch in unserem Freundeskreis immer viele Hobby- und Profimusiker. 1993 begann ich in Salzburg bei Wolfgang Seierl im Bildungszentrum St. Virgil im Rahmen eines Bildungsprogramms für Erwachsene unter dem Titel “Malen zu Neuer Musik” zu Kompositionen von Morton Feldmann und John Cage zu zeichnen und war sofort von dieser Möglichkeit begeistert. Als mein Mann begann bei Christian Bauschke Klavierunterricht zu nehmen, kam schließlich ein E-Piano in unser Haus, weil man mit diesem Instrument über Kopfhörer auch in der Nacht üben konnte. Weiters ist mir als gebürtige Weinviertlerin der Winter in Salzburg viel zu kalt und zu lang. So entstand inmitten einer wachsenden Familie – alle vier Kinder  waren schon auf der Welt – 1995 das erste Hauskonzert. Es wurden Werke aus verschiedenen Epochen aufgeführt. Auf Anraten von Wolfgang Seierl bezog ich ein Atelier ganz in der Nähe unseres Hauses und wurde Mitglied im Salzburger Kunstverein.

Welche Gründe gab es für den Wechsel vom Wohnzimmer zum Atelier bzw. zu anderen Locations (zuvor Techno-Z, jetzt Kunstverein)?

Astrid Rieder: Ein Grund war, dass jedes Jahr mehr Leute zum Konzert kamen. Das größte Echo hatten wir mit 74 Gästen in unserem Wohnzimmer!
Mit der Verlegung des Ateliers ins Techno-Z änderte sich auch der Aufführungsort für meine Konzerte: zuerst zweimal in meinem Atelier, dann zweimal im Veranstaltungssaal. Ab dann trugen die Konzerte den Titel „Atelierkonzerte“. Das Programm wurde von Jahr zu Jahr reichhaltiger. Als ich mich voriges Jahr für ein Atelier im Salzburger Kunstverein bewarb, integrierte ich schon die Bitte um die Aufführung eines Konzertes im Großen Saal. Und vor dieser Aufführung stehen wir jetzt. Seit Juli 2010 arbeite ich im 1. Stock des Hauses.

Wie viele Atelierkonzerte gab es seit 1995?

Astrid Rieder: Ende der 1990iger Jahre gab es zwei Veranstaltungen pro Jahr. Einmal hatten wir einen fürchterlichen Schneesturm. Da waren nur 48 Gäste gekommen. Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen, aber 17 Konzerte sind es sicher schon!

Seit einiger Zeit gibt es bei den Atelierkonzerten ja nicht nur Musik, sondern auch audiovisuelle Beiträge. Etwa Videos und Installationen von u.a. Wolfgang Richter (“Windspiel”), Sina Moser (“raindrops 23/08”), Wolfgang Seierl (“Portraits Videos”, “Wiatr”), Werner Raditschnig (“Eating by Glockenspiel”), Wolfgang Richter und Fritz Moshammer (“Wasserpendel”). Aber auch Literatur (u.a. Annette Mäser, Wolfgang Kauer) gehört mittlerweile zu den Programmfixpunkten. Wie kam es dazu und was sind die Erfahrungen?

Astrid Rieder: Schon bei den Hauskonzerten in den 1990iger Jahren wurden meine Gedichte und Prosatexte von einer Sprecherin vorgetragen. Eva Roscher improvisierte dazu. Sie hatte auch angeregt,  zu meinen Bildern zu improvisieren. So entstand eine Präsentation mit dem Titel „WOOD“, eine Abfolge von Bildern aus dem gleichnamigen Zyklus und einer Klavierimprovisation von Eva Roscher.

Wer ist bis jetzt aufgetreten und wie entstehen die Kontakte zu diesen KünstlerInnen?

Astrid Rieder: Seit den 1990iger Jahren sind viele Künstlerinnen und Künstler aufgetreten. Alle KünsterInnen, die bei mir auftreten, haben mich auf irgendeiner Weise bei Konzerten, Lesungen, Vernissagen, Festivals oder Symposien über alle Maßen beeindruckt. Erfreulich ist auch, dass ein großer Teil der KünstlerInnen trotz unentgeltlicher Mitwirkung dieses Konzert unterstützen.

Gibt es eine Art Fixstamm von AkteurInnen, also Leute, die öfters bzw. immer wieder auftreten?

Astrid Rieder: Fast jedes Mal dabei waren Eva Roscher, Christian Bauschke, Pianist und Klavierlehrer am Musikum, und Wolfgang Seierl. Öfters aufgetreten sind auch Ensemblemitglieder des OeNM, wie Irmgard Messin, Manuel de Roo und Per Rundberg, sowie das Stadlerquartett. Besonders das Stadlerquartett hat das Publikum sehr begeistert! Zum zweiten Mal ist heuer Volker Staub aus Stuttgart bei uns zu Gast. Er war Gründungs- und Vorstandsmitglied der Frankfurter Gesellschaft für Neue Musik (FGNM) und ist Vorstandsmitglied des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung in Darmstadt (INMM). Er zeigt uns eine Improvisation mit einem Ölfass und einer im Raum verspannten Klaviersaite.

Die Auswahl der Komponisten zeigt eine große Bandbreite. Das reicht von Giantino Scelsi, Beat Furrer, John Cage, Chick Corea, Luciano Berio, Youngi Pagh-Paan bis hin zu Arvo Pärt. Steckt dahinter ein konkretes Konzept, oder ergibt sich das mitunter auch zufällig?

Astrid Rieder: Ich stelle den Interpretinnen und Interpreten frei, was sie darbieten. Mir ist wichtig, dass die Werke möglichst aus jüngster Zeit stammen.
So habe ich heuer z.B. Manuel de Roo und Annette Mäser gebeten ein Stück über das Schubertlied: „Du bist die Ruh“ zu erarbeiten.  Das ist quasi die Uraufführung eines „Auftragswerkes“. Ich freue mich schon sehr darauf!

Wie ist es um die Neuen Musik generell und speziell in Salzburg bestellt? Mit dem oenm, der IG Komponisten, Festivals wie Aspekte, der Biennale oder dem Komponistenforum Mittersill gibt es ja schon einiges.

Astrid Rieder: Ich finde, dass die Neue Musik im allgemeinen Konzetbetrieb nicht mehr weg zu denken ist. Während meiner Auslandsstipendien in Budapest habe ich durch den Kontakt mit der Musikwissenschaftlerin Katalin Fittler drei bis vier Konzerte pro Woche besucht, die nicht im Rahmen von Festivals aufgeführt wurden: jeden Donnerstag in der Kunsthalle, in der Akademie der Wissenschaften, im Marmorsaal der ungarischen Rundfunks und im Nationalen Konzertsaal usw.
Obwohl Salzburg eine Metropole der klassischen Musik ist, hat sich die Neue Musik einen nicht mehr zu übersehenden Platz erobert.

Was ist 2011 noch das Neue an der Neuen Musik? Diese Musik hat ja mittlerweile auch schon eine längere Geschichte und ihre eigenen Traditionen entwickelt.

Astrid Rieder: Das Neue an der Neuen Musik ist zum Beispiel die Vernetzung mit anderen Künsten. So lautet etwa das heurige Thema der 65. Frühjahrstagung des INMM „Berührungen über das Nichtverstehen von Neuer Musik“. Bei der kommenden Biennale im März in Salzburg gibt es verschiedene Schwerpunkte wie „Focus“ (Streichquartette), oder „Zoom“ (Vorstellungen von KomponitsInnen), „Lichtspielmusik“ und last but not least multimediale Projekte. Mich freut ganz besonders, dass ich heuer eingeladen wurde, bei neun Konzerten in der Reihe „Focus“ zu zeichnen.

Wie wichtig ist das Ambiente bei der Vermittlung Neuer Musik? Es gibt ja auch seit einiger Zeit eine Weinverkostung. Was sind die Vor/Nachteile von Wohnzimmer – bzw. Atelierkonzerten?

Astrid Rieder: Es gibt eigentlich keine Vor- bzw. Nachteile, da das Gerüst der Konzerte immer gleich geblieben ist. Es ist nur das Publikum stetig mehr geworden und deshalb freuen wir uns, dass wir den Großen Saal des Künstlerhauses dafür nutzen dürfen. Das mit der Weinverkostung hat sich folgerndermaßen ergeben. Einmal waren mein Mann und ich dem OeNM nach Schwaz in Tirol zu den Klangspuren 2007 in der Fleckviehversteigerungshalle Rotholz gefolgt.  In der Pause wurde mir ein Glas Wein angeboten und ein Stück knuspriges Schwarzbrot. Als ich den Wein bezahlen wollte, sagte die Frau, die ausschenkte, dass der Wein und das Brot gratis wären. Als gebürtige Weinviertlerin gefiel mir der Gedanke und ich erzählte es meinen Weinbauern in meiner Heimat. 2008 hatten wir dann schon die erste Weinverkostung. Und das kommt gut an beim Publikum. Beim Essen und Trinken kommen die Leute zusammen, sagt man. Und ich selber finde es spannend mit den KomponistInnen und InterpretInnen über das Gehörte zu sprechen. Aber nicht nur das geschieht, auch das Fachpublikum, das mir auch sehr wichtig ist,  gestaltet die Dialoge an diesem Abend noch spannender.

Welches Publikum soll angesprochen werden bzw. welches Publikum wird angesprochen?

Astrid Rieder: Außer einem informierten Fachpublikum kommen Leute, die unerfahren in der Neuen Musik, aber neugierig und offen für Neues sind. Auch heuer sind wieder viele davon im Publikum. Es ergeben sich auch immer wieder Möglichkeiten bezüglich Kompositionsaufträge und Engagements für die KünstlerInnen.

Gibt es einen konkreten Grund für die Einlasspolitik. Der Einlass ist ja nur mittels einer Zählkarte möglich, für die es eine vorheriger Anmeldung via e-mail oder Telefon benötigt.

Astrid Rieder: Das ist heuer wichtig, weil wir durch die Ausstellungssituation im Großen Saal des Künstlerhauses im Platz eingeschränkt sind. Die Ausgabe der Zählnummern hat gut funktioniert. Wir haben bereits 140 Anmeldungen. Die Anmledungen dazu können via e-mail oder telefonisch erfolgen. Die Infos dazu sind auf meiner Homepage zu finden.

In einem Grußwort spricht Gottfried Franz Kasparek von den Atelierkonzerten als “offenen Räumen”, “offenen Orten”, die “abseits der Weihe traditioneller Konzertsäle, abseits einer so genannten breiten Öffentlichkeit” der Neuen Musik die nötige Zeit und den Raum für das Experimentieren geben. Welche Probleme hat die Neue Musik mit “traditionellen Konzertsälen” und der “breiten Öffentlichkeit”? Gab es da eigene Erfahrungen, die zur Idee der Atelierkonzerte führten? Andererseits: Wäre für die Neue Musik eine “breitere Öffentlichkeit” nicht auch etwas Positives?

Astrid Rieder: In Salzburg hat die Neue Musik ein gewisses Stammpublikum, das natürlich noch wachsen sollte. Bei den Konzerten Neuer Musik liest man im Programmheft nicht, dass Beethoven mit 25 Jahren taub wurde, sondern dass die Komponistin, der Komponist mitten im Leben steht, jetzt bei uns ist und mit den Mitteln, die sie studiert haben, Musik und Klänge der heutigen Welt produzieren.

Wird das alles quasi alleine organisiert, oder gibt es ein Team, einen Verein zur Unterstützung?

Astrid Rieder: Im Prinzip ist das eine von mir allein getragene und organisierte Veranstaltung. Die Durchführung selbst ist Teamarbeit.

Wie finanzieren sich die Konzerte? Der Eintritt ist ja frei.

Astrid Rieder: Bis jetzt war es so, aber heuer werden wir einen Spendenkorb hinstellen.

Das nächstes Atelierkonzert findet am 19. Februar im Großen Saal des Salzburger Kunstvereins statt. Was können wir erwarten? Wie bei vorhergegangenen Events erfährt das Publikum das konkrete Programm ja auch erst vor Ort.

Astrid Rieder: Wenn man mich über das Programm fragt, dann verrate ich schon den einen oder anderen Programmpunkt. Auf jeden Fall wird es ein aufregender Abend werden, der den Horizont eingefahrener Hörgewohnheiten erweitern wird.

Danke für das Interview.

 

Kommende Veranstaltung:
Atelierkonzert für Neue Musik, Samstag, 19. Februar 2011, 20 Uhr
Konzert im Großen Saal des Salzburger Kunstvereins
Hellbrunner Straße 3
5020 Salzburg