Im Zentrum des aspekte FESTIVAL2010 in Salzburg stehen Werke der Komponistin Sofia Gubaidulina, die als composer in residence persönlich anwesend sein wird. Zudem stellt das Programm junge, vorwiegend in Österreich lebende Komponistinnen und Komponisten in den Mittelpunkt. Es gibt 16 Uraufführungen. Mit Spannung erwarten wir erneut eine aus der Feder von Friedrich Cerha (8 Bagatellen für Klarinette und Klavier mit Andreas Schablas und Janna Polyzoides), des weiteren Musik von Michael Mautner, Gerhard Wimberger, Eva Reiter, Thomas Heinisch, Alexandra Karastoyanova-Hermentin, Andor Losonczy, Johannes Kretz, Gerald Resch und Georg Friedrich Haas (…. entgleitend… (Nach-ruf) (UA).
Der international renommierte österreichische Dirigent Oswald Sallaberger, Musikdirektor im französischen Rouen und mit einem breiten Repertoire erfolgreich, gilt auch als erste Adresse, wenn es um Neue Musik geht. Er leitet bei den Aspekten 2010 das Eröffnungs- und das Finalkonzert mit dem Österreichischen Ensemble für Neue Musik oenm. Sallaberger macht im Interview auf der Aspekte-Website dem Festivalteam und Salzburg ein schönes Kompliment: „Ich möchte übrigens Ludwig Nussbichler und seinem Aspekte-Team ein ganz großes Kompliment machen. Das ist ein sehr gutes, offen gestaltetes Programm, nicht nur für enge Neue-Musik-Kreise. Die Qualität stimmt – da hat sich in Salzburg in letzter Zeit viel verändert, durch Leute wie Markus Hinterhäuser oder durch die Öffnung der Mozartwoche und die Dialoge, auch durch die Biennale im Vorjahr. Alles ist viel weltoffener geworden.“
In der Hommage a T. S. Eliot von Sofia Gubaidulina tritt Oswald Sallaberger auch als dirigierender Geiger auf. Im Interview sagt er, er habe Gubaidulina zuerst durch Gidon Kremer kennen gelernt und immer wieder gehört. „Natürlich ist ihre Klangsprache russisch, aber nicht nur. Jede Phrase kommt aus dem Inneren.“ Jetzt freue er sich sehr darauf, mit ihr zusammenzuarbeiten. Im Zentrum dieses Werks steht aber auch die menschliche Stimme: Christine Whittlesey (Sopran). Weiters steht Kaija Saariaho auf den Programmen, die Sallaberger dirigiert. „Die Finnin kommt doch sehr stark von Sibelius, aber auch vom französischen Impressionismus. Wesentlich ist ihre ganz neue Verbindung mit der Tradition. Für mich gibt es in jeder guten Musik Spirituelles.“
Weiters eine Uraufführung von Michael Mautner („finis amplius africae“), die Sallaberger beim Eröffnungskonzert unter dem Motto „Sonnengesang“ am Donnerstag, 26.5. in der Pfarrkirche Mülln leiten wird. „Mit Michael Mautner verbinden mich 25 Jahre Zusammenarbeit, es hat damit begonnen, dass er für mich Kadenzen zum Brahms-Violinkonzert geschrieben hat. Ich durfte so manche seiner Stücke aus der Taufe heben. Sein neues Werk ist einfach gute Musik. In der Müllner Kirche werden das sicher ganz besondere Augenblicke sein, der Raum, die Sphären spielen da mit.“ In Mülln wirkt auch der Chorus sine nomine (Leitung: Johannes Hiemetsberger) bei Gubaidulinas „Sonnengesang“ (1997) für Violoncello, Kammerchor und Schlagwerk mit. Sofia Gubaidulina vertonte das berühmte Gebet des Franz von Assisi 1997 zum 70. Geburtstag des sowjetischen Cellisten Mstislav Rostropowitsch.
Der Interviewer der „Aspekte“ Gottfied Kasparek sprach auch mit Friedrich Cerha über dessen Salzburger Uraufführung beim Konzert in der ArgeKultur Salzburg am 27.5., bei dem neue Werke dreier Generationen österreichischer Komponisten, neben Cerha Thomas Heinisch („Aura“ für Violoncello und Klavier , UA, Auftragswerk der Aspekte Salzburg) und Eva Reiter („Zug ins Gelobte“, UA, für 4 Pätzold-Bassblockflöten und Tape) sowie Präludien von Gubaidulina zu hören sein werden. Cerha auf die Frage nach der Entstehung seines neuen Werks: „Nach einer Aufführung meiner „Slowakischen Erinnerungen aus der Kindheit“ für Klavier 2009 wurde ich gefragt, ob es nicht auch kleine Solo-Stücke für andere Instrumente gebe und ich habe mich meiner sieben Anekdoten für Flöte und Klavier und fünf kleiner Stücke für Klarinette und Klavier erinnert, die beide 1964 entstanden sind. Ich habe sie mir daraufhin angesehen und war nicht sonderlich von ihnen angetan. Sie haben mich aber angeregt, diese Musik weiterzudenken und ich habe dann in relativ kurzer Zeit sieben neue Anekdoten für Flöte und die acht Bagatellen für Klarinette und Klavier geschrieben. Die Titel Anekdoten und Bagatellen sind ein Hinweis auf die Knappheit der Form. Kleinräumiges Denken beschäftigt mich nun schon geraume Zeit, weil es mir immer wichtiger wird, die Frische und Direktheit des spontanen Einfalls festzuhalten. Je knapper die Einzelform ist, umso dringlicher wird die Frage nach der Reihung, der Dramaturgie der Aufeinanderfolge – ein Problem, vor das sich schon Webern gestellt sah.“ Cerha hat übrigens in den letzten Jahren eine Reihe von Stücken für Klarinette komponiert, ob er denn eine besondere Beziehung zur Klarinette habe? – „Natürlich hatte ich beim Schreiben den edlen Klarinetten -Ton von Andreas Schablas im Hinterkopf, der mein Klarinettentrio wie auch das Klarinettenquintett so schön gespielt und mein Klarinettenkonzert 2009 uraufgeführt hat.“
Von Thomas Heinisch entstand „eine stille Musik für Cello und Klavier“, nicht zuletzt durch den Tod des Cellisten Martin Hornstein im Jahr 2009, für den neben Ianna Polyzoides Heinisch das Werk ursprünglich schreiben wollte. Heinisch: „Für mich wurde klar, dass es ein sehr leises Stück werden muss, etwas, das über das Vergehen von Zeit erzählt. (…) Das stete Abwärtsschreiten des Klaviers hat etwas Unerbittliches, wie eine Uhr, die gnadenlos ihrem Ende entgegen schreitet, es ist wie ein Zeremoniell. Die Thematik hängt auch zusammen mit Stücken, die ich jetzt geschrieben habe oder die noch im Entstehen sind. So habe ich für die Kontrapunkte das Ensemblestück „Charons Bild“ komponiert, nach einem Text von Heiner Müller. Charon, der Fährmann in die Unterwelt, ist bei Müller auch Maler, der das Verschwinden malt, „der Maler malt das Vergessen. Am anderen Ufer steigt niemand aus.“ Das ist doch eine sehr schöne Metapher für das Sterben.“
Von Alexandra Karastoyanova-Hermentin gelangen das Auftragswerk „La Follia“ und das Ensemblestück „Galechri“ zur Aufführung. Die 1968 geborene österreichische Komponistin und Pianistin, russisch-bulgarischer Abstammung, lebt in Wien. Zum dritten Mal hat die in Europa und Amerika erfolgreiche Künstlerin 2010 das Österreichische Staatstipendium erhalten und will es zur Komposition einer Symphonie nützen. In den letzten Jahren hatte ihr Violinkonzert „Mahagony“ großen Erfolg, es wurde in der New Yorker Carnegie Hall uraufgeführt. Wichtige Stücke waren auch „Galechri“ für 9 Instrumente und das sehr emotionale Stück „Kastenaa“ für Violine und Cello, ebenfalls für New York.
„La Follia“ (2010 für die Aspekte Salzburg komponiert) kommt beim Eröffnungskonzert zur Aufführung. Der Titel verweist auf ein musikalisches Modell der Musik, ursprünglich ein iberischer Tanz, das in der Musik der Renaissance und des Barock eine große Rolle spielt. Karastoyanova-Hermentin: „Ich war schon mitten in der Komposition des Klaviertrios für die Aspekte, da habe ich zufällig wieder einmal die Corelli-Variationen des von mir sehr geschätzten Rachmaninov gehört. Das sind Variationen über eben dieses Follia-Thema. Wichtig für meinen Entschluss war auch die ebenfalls das Thema verarbeitende Triosonate von Vivaldi. Letztere ist ein nicht zu übertreffendes Feuerwerk, meine Arbeit geht natürlich andere formale Wege. Virtuosität steht dabei durchaus im Vordergrund, und zwar solche, die man auch als Laie hören kann. Mein Stück besteht nicht aus aneinander gereihten Variationen, sondern ist Musik aufgrund einzelner Variations-Abschnitte, die sich vermischen. Es gibt in diesem Stück sehr wohl die Bezugnahme auf Tonarten, es gibt Jazzelemente und eine stilistische Entwicklung. Das „La Follia“-Thema wird nicht am Beginn zitiert, wie in der Klassik und Romantik üblich, nein, es wird erkennbar erst gegen Ende des dritten Teil, der wie der erste langsam ist, während das Tempo im Mittelteil beschleunigt. Es sind Teile, keine Sätze, sie gehen meist attacca ineinander über. Ein Schritt nach vorne, oder eine Stufe.“ – Es wird also
spannend.
Andor Losonczy (geb. 1932), gebürtiger Ungar und seit vielen Jahrzehnten in Salzburg daheim, wo er 2005 den Großen Kunstpreis erhalten hat, ist einer der großen Stillen im Lande. Sein Oeuvre wächst und wächst und verbindet Expression mit Klangsinn. Über sein neues „Concerto für Klavier und Ensemble“, welches am 29. Mai im Großen Saal des Mozarteums mit dem oenm unter der Leitung von Oswald Sallaberger mit dem Komponisten als Solisten uraufgeführt wird, sagt Losonczy sehr schön: „Nicht dass die Form fehlen würde, aber die Form beschreibt nichts. Virtuosität macht Spaß und so steht natürlich das Klavier im Mittelpunkt. Am Ende gibt es eine relativ lange Kadenz. Das Ensemble besteht aus Bläsern und Schlagwerk, es begleitet aber nicht nur, es ist ein ständiges Miteinander. Mehr will ich dazu gar nicht sagen, denn Musik muss man einfach hören.“ Am Ende des Gesprächs erfolgte dennoch ein gebührendes Kompliment vom Interviewer Kasparek, er Losonczy, sei ja nicht nur Komponist, sondern auch ein vielseitiger, virtuoser Pianist. – „Ich hatte fünfzehn Klavierlehrer in Budapest. Ein bedeutender darunter war Pál Kadosa, der war auch der Lehrer von György Kurtág und von András Schiff. Später wollte man mich nach Moskau schicken, aber die russische Schule liegt mir nicht so. Ich habe gesagt, mir gefallen die Gebäude in Moskau nicht und bin lieber nach Salzburg.“ – „Ihre Bescheidenheit in Ehren, sie haben unter anderem in ihrer Heimat den Franz-Liszt-Preis und 1960 in Deutschland den Kranichsteiner Musikpreis erhalten, waren ab 1960 Dozent am Mozarteum und von 1986 bis 1998 ebendort Professor. Und bei den Aspekten sind Sie von Anfang an mit dabei.“ – „Klaus Ager sagt immer, ohne mich wären die Aspekte gar nicht möglich gewesen. In den ersten Jahren war ich nämlich der einzige Pianist in Salzburg, der Neue Musik spielen konnte. Heute ist das natürlich ganz anders.“
Schließlich, last but not least: Im Rahmen des von Ludwig Nussbichler neu ins Leben gerufenen „Aspekte Salzburg Sonderpreis“ für junge Interpretinnen und Interpreten beim Landeswettbewerb Prima la Musica, treten besonders begabte junge Musikerinnen und Musiker im Großen Saal der Stiftung Mozarteum ausschließlich mit Neuer Musik auf. Ihnen und den Aspekten wünschen wir: „Ad multos annos!“ (hr).
Wir möchten hier das Programm, Komponisten und Interpreten des „Aspekte Sonderpreis“ direkt wiedergeben, alle anderen Konzerte siehe Link Aspekte.
Sonderkonzert “Jugend komponiert” in Kooperation mit dem ÖKB
PreisträgerInnen bei Prima la Musica, Aspekte Salzburg Sonderpreis 2010
Musikschaffende zwischen 16 und 20 Jahren präsentieren neue Kompositionen für Streichquartett, Klaviertrio und Klavier solo. Jugend komponiert für die Königsdisziplinen der Kammermusik. Apollon lebt.