Spätschicht und Riddim Bar haben an dem Standort in der ehemaligen Pischlfabrik die Kultur- und Ausgehszene in der Tiroler Marktgemeinde Telfs über Jahrzehnte geprägt. Der Verein Kultur Weberei ging dort Anfang 2024 mit einem Konzept an den Start, das sowohl eigene als auch von anderen Vereinen organisierte Veranstaltungen hervorbringt. Ein Gespräch mit Obfrau Tabea Köhle über ehrenamtliche Kulturarbeit unter Freunden, bürokratische Überforderung und das gute Gefühl den Ort zu beleben.
Wann und wie entstand die Idee zur Kultur Weberei?
Tabea Köhle: Das war im Frühjahr 2023, als sicher war, dass Mario und Steffi Köfler mit der Riddim Bar nicht mehr weitermachen wollen. Für Jesse Grande (Anm. Kulturarbeiter, Musiker und Filmemacher aus Telfs), meinen Bruder David Köhle und mich war schnell klar, dass wir den Standort nicht sterben lassen wollen. Und so hatten wir die Idee die Kultur Weberei als Verein zu gründen und damit den Ort wieder zu beleben. Es ist uns wichtig, dass es einen niederschwelligen Zugang zu Kultur in Telfs gibt – auch im Kontrast zu den großen Veranstaltungsorten Kuppelarena und Rathaussaal. Wir können uns glücklich schätzen, dass das jetzt so funktioniert hat.
Wie lief dann die Vereinsgründung konkret?
Tabea Köhle: Es gab eine Gründungssitzung im Mai 2023, die viel Interesse hervorrief. Es kamen 30 bis 35 Leute, einige habe ich gar nicht gekannt. Von da an sind wir etwas naiv ins Blaue hineingestartet, alles hat nach und nach Gestalt angenommen. Die Zeit bis zum Februar 2024, als wir endlich eröffnen konnten, war sehr anspruchsvoll mit viel zermürbender Bürokratie und der Umgestaltung der Räumlichkeiten. Zum Glück bekommen wir von der Familie Pischl als Vermieter und der Gemeinde großen Zuspruch und Unterstützung. Die Gemeinde weiß, dass es so etwas in Telfs braucht und fördert uns entsprechend.
Wie sieht euer Konzept aus?
Tabea Köhle: Wir machen ein klein gefasstes Eigenprogramm, weil wir alle ehrenamtlich dabei sind und mehr als zwei eigene Veranstaltungen pro Monat gehen sich nicht aus. Deshalb lehnen wir uns an das Konzept der Innsbrucker p.m.k an und untervermieten für Konzerte, Partys, Workshops, Kino, Spieleabende und vieles mehr an andere Vereine und Privatpersonen weiter. Diese haben dann die volle Verantwortung für ihre Events, wir sind vertraglich abgesichert. Normalerweise ist aber auch jemand von uns vor Ort, der den Veranstaltern zur Seite steht, sollte es Schwierigkeiten geben.
Was ist dein Zugang zu Kultur? Du selbst kommst ja auch aus einer Musikerfamilie…
Tabea Köhle: Ja, das hat natürlich geholfen, weil ich dadurch mit vielen Leuten aus der Kulturszene – vor allem im Bereich Musik und Theater – vernetzt bin. Zudem konnte ich durch das Hill Vibes Festival in Telfs, bei dem ich auch schon seit längerer Zeit im Vorstand mitwirke, Erfahrung sammeln. Trotzdem hatte ich kaum eine Vorstellung, was es bedeutet so ein Projekt wie die Weberei aufzuziehen. Es ist richtig viel Arbeit.
Wie viel Zeit investierst du aktuell dafür?
Tabea Köhle: 20 Wochenstunden werden es sicher sein, manchmal auch 40. Wir kommen aber jetzt zum Glück in eine Phase, wo es sich mehr und mehr einpendelt. Viele Vereine hatten bereits Veranstaltungen bei uns und müssen etwa in den Bereichen Technik und Bar nicht mehr eingelernt werden. Diese Events werden immer mehr zu Selbstläufern. Zeitintensiv ist es, wenn jemand das erste Mal eine Veranstaltung bei uns macht.
Welche Veranstaltungen waren bisher so dabei?
Tabea Köhle: Natürlich die monatlichen Live-Konzerte, die wir selbst im Rahmen unseres Jahresprogramms veranstalten. Aber auch Gigs, bei denen sich Bands selbst eingemietet haben. Dazu kommen DJ-Nächte, Filmabende, Tanz-Workshops oder etwa auch ein Kartenspiel-Turnier. Etwa zehn Vereine aus Telfs und Umgebung haben schon bei uns veranstaltet. Wir sind immer offen für Neues und freuen uns, wenn jemand mit Ideen auf uns zukommt. Wir stehen immer noch am Anfang, es ist alles ein laufender Prozess.
Wie nimmst du die Musikszene in Tirol wahr?
Tabea Köhle: Es gibt viele richtig gute Bands und Musiker:innen, das Angebot ist breit gefächert. Die Wahrnehmung in der Gesellschaft ist aber eher gering. Wir haben schon viele lässige Bands bei freiwilligem Eintritt da gehabt, bei denen zum Teil nur wenige Leute gekommen sind. Das ist irgendwo schade, aber Telfs ist auch ein schwieriges Pflaster. Andererseits denke ich mir, dass wir das ja nicht für die große Masse machen, sondern für die Leute, die es wirklich interessiert.
Wie entscheidend sind Förderungen für die Kultur Weberei?
Tabea Köhle: Sie sind überlebenswichtig, denn etwa 80 Prozent unseres Budgets kommen aus Bundes-, Landes- und Gemeindeförderungen. Somit sind wir auch immer anfällig für politische Entwicklungen, wenn etwa das Kulturministerium oder das Land Richtlinien ändert. Wir haben auch Förderungen aus dem EU-Leader-Programm beantragt, sind aber letztlich an eigenartigen bürokratischen Vorgaben und Unklarheiten gescheitert. Das war sehr zermürbend.
Wie wird entschieden, ob Tickets verkauft werden oder der Eintritt zu Veranstaltungen auf Spendenbasis basiert?
Tabea Köhle: Wenn wir selbst veranstalten, dann fast immer auf Spendenbasis. Unsere Philosophie ist, dass auch jene Zugang zu Kultur haben sollten, die sich kein Ticket leisten können. Andere geben dafür freiwillig mehr, so gleicht sich das aus. Die bei uns veranstaltenden Vereine können sich aber natürlich selbst für eine Variante entscheiden.
Wo steht ihr gerade im Vergleich zu den Anfängen? Was hast du gerade für ein Gefühl zu dem Projekt?
Tabea Köhle: Das Projekt ist noch immer wunderbar und ich finde, dass wir auf einem sehr guten Weg sind. Natürlich startet man ein bisschen naiv in die ganze Sache rein. Es ist viel mehr Arbeit, als man sich denkt und es funktioniert nie ganz so, wie man es sich vorgestellt hat. Manchmal möchte man den Kopf in den Sand stecken, weil Bürokratie und Organisation viele Nerven kosten. Oft kommt letztlich ganz was anderes raus, aber das ist auch ok so. Im Herbst sind wir jedes Wochenende voll mit Veranstaltungen, so kann es gerne weitergehen. Vor einem halben Jahr haben wir nur davon träumen können, dass das Projekt so angenommen wird. Gut ist auch, dass wir sieben Leute im Vorstand sind, die sich gegenseitig motivieren und unterstützen. Da fällt vieles leichter.
Wie viele Vereinsmitglieder habt ihr insgesamt? Wie ist das intern strukturiert?
Tabea Köhle: Neben dem siebenköpfigen Vorstand, der sich wöchentlich trifft, haben wir inzwischen an die 50 Vereinsmitglieder. Am Anfang war der Vorstand noch größer, es war ein offener Diskussionsprozess. Doch wir sind draufgekommen, dass es geschmeidiger läuft, wenn gewisse Entscheidungen nicht im großen Forum getroffen werden müssen. Offen für andere Meinungen oder Anregungen ist der Vorstand aber natürlich trotzdem und es gibt immer wieder große Versammlungen.
Im Vorstand haben wir Zuständigkeiten wie Bühne, Bar, Administration, Presse, Website untereinander aufgeteilt, um mehr Klarheit reinzubringen. Es gibt also Bereichschefs. Auch bei den Veranstaltungen haben wir ein internes Rad, wer jeweils die Hauptzuständigkeit hat.
Macht ihr auch aktiv Werbung bei Vereinen, die potenziell interessant sind als Veranstalter?
Tabea Köhle: Das haben wir am Anfang gemacht, inzwischen wissen die meisten Vereine in Telfs und Umgebung Bescheid. Wir zählen also auf Eigeninitiative.
Sind private Feiern auch möglich?
Tabea Köhle: Wir hatten das seit der Eröffnung ein paar Mal, allerdings nur damit wir uns über Wasser halten können. Grundsätzlich ist es nicht der Sinn der Sache, wir wollen lieber früher als später ganz davon wegkommen und nur noch öffentliche Veranstaltungen haben. Das Konzept wird sonst von der Gesellschaft falsch verstanden. Es ist grundsätzlich auch schwierig von dem Nachtlokal-Status wegzukommen, weil hier in Spätschicht– und Riddim-Zeiten oft bis in die frühen Morgenstunden offen war.
Die beiden Lokale waren jeweils eine Institution in Telfs, das ist kein einfaches Erbe…
Tabea Köhle: Ja, die Räumlichkeiten haben definitiv viel Geschichte. Es ist auch lustig, was wir auf den Wänden alles für Plakate und Malereien gefunden haben. Die Tapete kann man Schicht für Schicht wegspachteln und es hört fast nicht auf.
Wollt ihr räumlich noch etwas ändern?
Tabea Köhle: Da stecken wir mittendrin, in nächster Zeit könnte schon ein bisschen was weitergehen. Bis jetzt haben wir uns aber mehr auf Struktur und Ordnung konzentriert, damit der Laden irgendwie läuft. Vielleicht werden wir manche Räume etwas anders gestalten und nutzen, aber das hat keine Eile und ist auch eine Frage des Geldes. Der hintere abgetrennte Raum hat natürlich Potenzial, vor allem wenn der Tischfußballtisch wieder steht. Es ist wie das ganze Projekt ein laufender Prozess, da werden immer wieder Leute dazu kommen oder nicht mehr dabei sein. Ich glaube nicht, dass dieser Vorstand die nächsten 30 Jahre gleich bleibt – positiv gedacht (lacht).
Was sind die Anforderungen, um bei euch mitzuarbeiten? Zeit und Idealismus in Sachen Kulturarbeit?
Tabea Köhle: Ja, das könnte man so sagen. Aber man bekommt auch sehr viel zurück, das Feedback von vielen Seiten ist großartig. Auch wenn mal nur 20 Leute zu einem Konzert kommen, aber die es extrem cool finden, bestärkt mich das sehr. Man macht etwas für die Community, für alle Kulturinteressierten im Ort und darüber hinaus. Und dadurch, dass viele Vereine bei uns veranstalten, ist das Programm sehr abwechslungsreich. Jede Woche sind andere Leute hier, weil von Indie über Metal bis zur DJ-Fete alles dabei ist.
Gibt es Veranstaltungen, die ihr nicht bei euch haben möchtet?
Tabea Köhle: Im Grunde sind alle Leute willkommen, die respektvoll auftreten. Parteipolitische Veranstaltungen möchten wir aber nicht bei uns haben. Etwas anderes wäre eine Podiumsdiskussion mit Parteivertretern oder eine breit gefächerte Infoveranstaltung. Natürlich achten wir auch auf eine gewisse Ausgewogenheit bei den Events. Es sollte Abwechslung drin sein, nicht etwa mehrere DJ-Nächte hintereinander.
Wie weit im Voraus plant ihr aktuell?
Tabea Köhle: Im Oktober und November sind die Wochenenden voll, im Dezember gibt es auch schon einiges. Außerdem stellen wir gerade das Jahresprogramm für 2025 zusammen. Es gibt eine neue Eventreihe namens ‚Spätschicht‘, die wir selbst veranstalten und bei der DJs Sound der 80er, 90er und 2000er auflegen. In Telfs kommt zwar schon viel Wertschätzung für die Konzerte bei uns, aber andere interessiert das kaum bis gar nicht. Die gehen lieber zu den alten Hits feiern und tanzen, was ja auch voll ok ist. Sauflokal wollen wir aber keines sein.
Wie läuft das in der Praxis ab, wenn man bei euch veranstalten will?
Tabea Köhle: Am besten eine Anfrage per Mail an office@kulturweberei.at schicken, dann meldet sich jemand von uns. Das Veranstaltungskonzept muss unserem Vorstand persönlich präsentiert werden. Wir entscheiden dann, ob und wann die Veranstaltung hineinpasst. Was noch wichtig ist: Wer eine Veranstaltung bei uns machen will, muss Weberei-Vereinsmitglied sein bzw. werden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 20 Euro pro Jahr. Bei Konzerten, die wir selbst veranstalten, läuft es anders. Wir haben viele Anfragen von Bands und eine lange Warteliste, die wir nach und nach abarbeiten.
Wie viel kostet die Raummiete für externe Veranstalter?
Tabea Köhle: Da möchte ich gar keine feste Summe nennen, weil wir versuchen, den Zugang so niederschwellig wie möglich zu halten. Der Preis hängt stark von der Art der Veranstaltung ab – ob sie kommerziell, gemeinnützig oder beispielsweise eine Vereinssitzung ist. Am besten schickt man uns eine Anfrage per E-Mail und wir besprechen dann alles weitere individuell.
Können auch Privatpersonen die Weberei für öffentliche Veranstaltungen mieten oder nur Vereine?
Tabea Köhle: Ja, Privatpersonen können die Weberei grundsätzlich mieten. Allerdings muss man Mitglied im Verein Telfer Kultur Weberei sein. Wir freuen uns zwar besonders über Anfragen von Vereinen, aber aktuell ist die Mitgliedschaft das einzige Kriterium, um die Weberei nutzen zu können.
Welche Bands hattet ihr bereits bei euch und nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl?
Tabea Köhle: Mittlerweile sind bei uns schon zahlreiche Künstler:innen aus ganz Österreich aufgetreten. Oft teilen sich heimische Formationen die Bühne mit Künstler*innen oder Bands, die gerade auf der Durchreise sind. Wichtig ist uns, kein Genre auszuschließen. Wir haben mit Punk und Psychedelic Rock begonnen, machten weiter mit Metal, Hiphop und Volksmusik, und luden genauso zu Jazz und Blues ein. Es spielen immer zwei Bands, und das bei freiem Eintritt. Einige der bisherigen Acts waren Spilif, 2Seedsleft, BAIBA, Janka, Helianth, Earthtones und Skyshape. Zuletzt hatten wir die Jazzknödel & Blueskraut auf unserer Bühne.
Feste Auswahlkriterien gibt es nicht. Wir richten uns nach dem Motto unseres Jahresprogramms und überlegen, welche Künstler*innen und Veranstaltungen dazu passen. Am wichtigsten ist uns eine gute Mischung.
Simon Hackspiel
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