„Am Ende sind immer alle glücklich“ – Kompost3 im mica-Interview

KOMPOST3 sind Shootingstars der – nicht nur – österreichischen Szene, grandios experimentierend mit Jazz, Elektronik, zeitgenössischer Musik und einer eigenständigen organischen Verschmelzung. Im April wird ihr neues Album „Ballads for Melancholy Robots“ (Laub Records) erscheinen. Clemens Marschall unterhielt sich mit LUKAS KÖNIG (Schlagzeug) und MANU MAYR (Bass) – zwei der vier Bandmitglieder.

Mittlerweile ist ja schon aufgeklärt worden, wofür der Name Kompost3 steht: „Kompost“ für das Organische in Ihrem Musikschaffen, „3“, weil Sie gemeinsam in einer WG im 3. Wiener Gemeindebezirk gewohnt haben. Aber wenn man den Namen zum ersten Mal hört, klingt er nicht unbedingt schmeichelhaft. Hat es da für irgendein Bandmitglied Überzeugungsarbeit benötigt oder waren alle von Beginn an damit einverstanden?

Lukas König: Ich weiß gar nicht, wie die anderen das sehen, aber für mich ist das eigentlich nicht der großartigste Bandname, den man haben könnte – aber trotzdem: Er passt zu der Musik, die wir machen. Das mit dem Organischen stimmt auf jeden Fall, und diese 3 ist ein emotionales Erinnern an die Zeit, die wir miteinander in dieser WG verbracht haben.

Manu Mayr: Das war eine ziemlich interessante WG. Matija Schellander hat die vor Jahren gegründet, dann hat dort die Maja Osojnik gewohnt, zu gewissen Zeiten Max Gaier, Wolfgang Schiftner …

Lukas König: … Martin Eberle, Hanibal Scheutz, Martin Gansinger …

Manu Mayr: Wir waren drei, vier Jahre dort, aber mittlerweile hat sich die Band über ganz Wien verteilt.

Um bei der Allegorie „Kompost“ zu bleiben: Meine Mama hat immer gesagt: „Kein Fleisch auf den Kompost – sonst kommen die Ratten!“ Gibt es für Sie auch etwas, was musikalisch wie Fleisch wirkt, was absolut keinen Platz in der Band hat?

Lukas König: Ich glaube, wir bringen alle eine gewisse Ästhetik mit ein, und wenn was komplett Richtung „Fleisch“ geht auf dem Komposthaufen, dann gibt es sicher irgendjemanden in der Band, der sagt: „Ich weiß nicht … vielleicht sollten wir das doch nicht machen.“ Das macht die Band auch aus, dass wir alle mit einwirken auf das Gesamtwerk.

Manu Mayr: Vielleicht macht man so etwas kurz und nach einem halben Jahr nicht mehr, weil es einem auf die Nerven geht und man merkt, dass die Ratten kommen.

Die Besetzung von Kompost3 ist seit der Gründung 2009 gleich geblieben, aber gibt es irgendwelche Hierarchien in der Band, wenn es ums Musikschaffen geht?

Manu Mayr: Manchmal kommt mehr Input von dem, dann von wem anderen, aber die Nummern werden zumindest immer zu viert bearbeitet und arrangiert. Bei der Studioproduktion mischt sich auch mal der, mal der mehr ein. Es findet immer jeder seinen Platz.

Ist es schwierig, die Band mit gleichbleibendem Line-up spannend zu halten?

Lukas König: Es ist generell so, dass es in den Instrumentarien, die wir bespielen, schon so viele verschiedene Möglichkeiten gibt, dass man zum Beispiel statt eines Basses einen Bass-Synthesizer verwendet oder statt eines Schlagzeugs ein orchestrales Schlagwerkset. Genauso ist es mit verschiedenen Spieltechniken, etwa auf der Trompete.

Manu Mayr: Da kommen Ideen von elektronischer Musik, von zeitgenössischer Musik, aus sämtlichen Richtungen zusammen. Man kann Kompost3 als Kollektiv begreifen, wo alles möglich ist, solange es für die Band sinnvoll ist.

Verschiedene Baustellen

Es gibt ja noch viele andere Projekte, in denen Sie neben Kompost3 aktiv sind.

Lukas König: Genau, bei mir sind das koenigleopold und andere kleinere Projekte – aber am wichtigsten sind mir derzeit Kompost3 und koenigleopold.

Manu Mayr: Ich habe ein Soloprogramm am Kontrabass entwickelt, da möchte ich weiter daran arbeiten, und es wird im Laufe des Jahres eine CD erscheinen. Ich habe klassischen Kontrabass studiert und interessiere mich auch sehr für zeitgenössische Musik, also arbeite ich immer wieder mit zeitgenössischen Ensembles zusammen. Christof Dienz, Komponist sowie E-Zither- und Fagottspieler, hat vor Kurzem ein Stück für Lukas und mich geschrieben. Sonst gibt es auch noch viele einmalige Geschichten, Auftragsarbeiten für Festivals, Big Bands, kleine Ensembles, Impro-Ensembles, Filmvertonungen – alles, was man in Wien als freischaffender Musiker machen kann.
Martin [Eberle; Trompete] ist zum Beispiel Initiator und Mitbegründer des Jazzorchesters Vorarlberg. Er spielt auch mit beim Trio Rom/Schaerer/Eberle und bei Die Strottern & Blech – ich habe wiederum mit Mitgliedern von denen ein Projekt. Alle möglichen Variationen gibt es da also.
Und Benny [Omerzell; Klavier, Hammondorgel] zählt wohl zu den gefragtesten Hammondorglern des Landes. Sowohl im Studio als auch live, wie zuletzt mit Bobby Previte und STUDIO PERCUSSION graz.

Finden Sie, dass es in Wien eine gute Infrastruktur für freischaffende Musikerinnen und Musiker gibt?

Lukas König: Ich denke schon. In unserem Kreis gibt es viele Leute, mit denen man relativ leicht etwas auf die Beine stellen kann. Wie es dann mit der Vermarktung ist, steht wieder auf einem anderen Blatt, aber rein künstlerisch gibt es viele Möglichkeiten.

Das ganze Netzwerk um Kompost3 und Laub Records ist ja sehr geschickt und vielseitig aufgestellt.

Manu Mayr: Das wollte ich gerade sagen: Wir haben viele Möglichkeiten, weil wir ausgebildete Musiker sind, Klassik oder Jazz. Wir erfüllen technische Erforderungen für Auftragsarbeiten und Engagements, haben aber auch einen künstlerischen Output mit eigenen Bands, unser eigenes Label Laub Records. Ich trete mit der Jazzwerkstatt Wien zusätzlich als Kurator auf. Wir haben schon das Grundanliegen, viele verschiedene Sachen zu machen. Wir interessieren uns für die vielen Dinge, die in der Stadt passieren, und gestalten dabei auch gerne mit.

Ja, Sie sind sehr vielseitig unterwegs. Mir gefällt zum Beispiel, dass Sie oft keine klassischen Konzertflyer machen, sondern kurze Videos als Ankündigung. Dieser vielseitige Output hat sich auch ausgezahlt: Sie haben 2014 zahlreiche Preise erhalten, unter anderem den BAWAG P.S.K. Next Generation Award und den Bremer Jazzpreis. Ändert das etwas in der Band, dass man noch ambitionierter wird, weil man merkt, dass es ankommt?

Lukas König: Nein, aber finanziell war es eine große Hilfe, um das neue Album zu finanzieren. Da haben wir die Freiheit bekommen, dass wird das nicht in zwei Studiotagen aufnehmen mussten. Aber wir sind nicht die klassische Wettbewerbsband – um das geht es ja nicht in der Musik, dass man sich messen muss. Aber wenn die Leute glauben, sie müssten uns einen Preis geben, dann nehmen wir ihn gerne [lacht].

Sind Sie zufrieden damit, wie Laub Records läuft, oder ist das nur eine Übergangslösung, bis Sie bei einem anderen, größeren Label landen?

Lukas König: Na ja, wenn man das macht, ist das mit Business-Dingen verbunden, auf die wir nicht unbedingt scharf sind. Da verkauft man seine Rechte und es wird sehr vieles komplizierter. Laub Records ist eine super Plattform, wo wir unsere Sachen rausbringen und sie innerhalb unserer Möglichkeiten vermarkten können.

Manu Mayr: Alle Kosten, Einnahmen und Rechte bleiben bei uns. Das ist praktisch und man kann schnell handeln, schnell etwas rausbringen, wenn man will.

Sind Sie da fix bei einem Vertrieb, bei Hoanzl zum Beispiel?

Manu Mayr: Nein, fix nicht, aber es gibt bestimmte Produktionen von Laub Records, die von Hoanzl vertrieben werden. Wir haben keine fixen Verträge, aber je nach Produktion holt man sich Kooperationspartner.

„Ballads for Melancholy Robots“

Mittlerweile steht ja wieder ein neues Album vor der Tür.

Lukas König: Wir haben das Ende 2014 in zwei Räumen aufgenommen: Einer war im Casino Baumgarten, das war ein sehr großer, pompöser, halliger Raum. Der andere Raum war in Ebreichsdorf, der war eher trocken. Ursprünglich war die Idee, dass wir es in viel mehr verschiedenen Räumen aufnehmen, verschiedene Fabrikhallen bespielen und schauen, was rauskommt. Aber es hat sich dann ergeben, dass wir bei zwei Räumen geblieben sind.

Hört man auf dem Album, dass die Aufnahmegegebenheiten verschieden waren?

Lukas König: Absolut.

Manu Mayr: Es war in beiden Räumen viel Platz für Experimente, und wir haben auch noch viele Freiheiten für die Post-Produktion übrig gelassen. Im halligen Raum haben wir industrialmäßige Improvisationen probiert, uns mit den verschiedenen Raumeigenschaften gespielt. Wir haben das mit Martin Siewert gemeinsam gemischt und gemastert, sodass sich die verschiedenen Aufnahmesounds nicht schlagen.

Haben Sie dann auch eigenartige Instrumente ausgepackt oder vor Ort Dinge gefunden, die dann in die Klanglandschaften eingebaut wurden?

Manu Mayr: Wir haben uns ein paar performative Aktionen geliefert, die es aber nicht auf die CD geschafft haben. Wir haben zum Beispiel 20 verschiedene Becken auf den Boden gelegt und alle gleichzeitig gedreht, immer wieder angestoßen.

Lukas König: Ich habe mir ein Donnerblech gekauft, ein Edelstahlblech mit zwei mal einen Meter, vier Millimeter dick, und da habe ich Donnersounds imitiert. Wir hatten ein riesiges Instrumentarium. Benny hat Flügel, Hammond, Rhodes, Synthesizer und so weiter verwendet. Es gibt massig Equipment, das auf die CD gepackt wurde.

Manu Mayr: Das Album heißt „Ballads for Melancholy Robots“.

Was ist da der Hintergrund?

Lukas König: Wir sind beim Mischen und Mastern draufgekommen, dass wir eigentlich sehr melancholische Musik gemacht haben.

Wirklich, melancholisch? Diese Eigenschaft hätte ich nicht mit Kompost3 verbunden.


Lukas König:
Es ist nicht so, dass man dahinschmilzt, aber für unsere Verhältnisse ist es melancholisch.

Manu Mayr:
Ja, im Vergleich zu unseren anderen Aufnahmen ist das auf jeden Fall unser melancholischstes Album. Etwas ruhiger, düster und insgesamt räumlicher.

Kompost3 goes Konzerthaus

Manu Mayr: Das neue Album wird Ende Februar fertig werden. Dann gibt es ein paar Vorgeschmackkonzerte und das große Release-Konzert ist am 7. April im Großen Saal im Wiener Konzerthaus.

Kompost3 im Konzerthaus – das klingt zuerst einmal schräg, oder?

Manu Mayr: Na ja, da gibt es seit letzter Saison einen neuen Intendanten, und so wie ich das beurteilen kann, schauen die jetzt schon, dass sie mehr Österreicherinnen und Österreicher buchen. Die haben auch eine Local-Hero-Reihe, wo etwa koenigleopold, Tini Trampler, Sofa Surfers und so weiter spielen.

Lukas König: Ich finde, es passt gut zu dem Album, das wir gemacht haben. Auch der Sound des Aufnahmeorts im Casino Baumgarten ist eigentlich ähnlich wie die Soundgegebenheiten im Konzerthaus.

Manu Mayr: Die anschließende Release-Tour wird super: im europäischen Geiste. Da spielen wir in Ungarn, der Slowakei, in Tschechien, Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Apropos Tour: Ich habe mir im Internet den Tech-Rider von Kompost3 angesehen – der liest sich sehr unschuldig und professionell. Da steht nichts von Champagner, Kaviar oder anderen Wahnsinnigkeiten drauf.

Lukas König: Ah, dann haben Sie unseren Hospitality-Rider noch nicht gelesen [lacht]!

Was steht da drauf?

Manu Mayr: Nur rote M&Ms …

Lukas König: Kava und Averna. Ich weiß gar nicht mehr, was sonst noch alles.

Manu Mayr: Ich auch nicht. Wir haben den vom John Scofield Trio übernommen.

Wie finden Sie das Tourleben generell? Musik ist ja fast das einzige Berufsfeld, wo man, sobald man seinen Arbeitsplatz betritt, Alkohol und womöglich sonstige Substanzen angeboten bekommt. Dann schläft man jede Nacht woanders, fährt den ganzen Tag herum … Oder sind Sie schon auf einem Level, wo jeder sein Einzelzimmer hat und man sich keine Matratzenlager teilen muss?

Manu Mayr: Ja, es gibt schon Monate, wo man fast jeden Tag spielt – und säuft. Aber ich trinke auch so jeden Tag. Meistens funktioniert das aber alles, auch mit Einzelzimmern. Man muss dazusagen, dass die Konzerte oft im sogenannten „Jazz-Bereich“ stattfinden, und da ist die Infrastruktur besser als im Rock- oder Noise-Bereich, auch die Gagen haben einen höheren Standard. Das wissen wir schon zu schätzen.

Lukas König: Wenn es eine Booking Agentur gibt, die bestimmt sagt, was die Band braucht, weil sie sonst nicht spielt, dann wird das meistens erfüllt. Und wenn nicht, schätzen wir jede Form von Engagement und Gastfreundlichkeit.

Das ist vielleicht wiederum ähnlich wie in der Musik: dass man das nehmen muss, was da ist, und damit umgehen. Abschließend also noch mal zurück zu „Ballads for Melancholy Robots“: Sind Sie da mit fertigen Plänen in die Aufnahmeorte gegangen oder haben Sie gesagt: „Wir schauen uns die Gegebenheiten an und machen uns diese zunutze“?

Manu Mayr: Das hat innerhalb der Band Überzeugungsarbeit gebraucht, dass wir uns vor Ort anschauen, was wir machen können. Im Endeffekt haben wir beides gemacht. Das ist eines der vielen schönen Dinge an dieser Band. Wir können völlig unabhängig von Größe und Raumbeschaffenheit agieren und uns auf verschiedenste Bedingungen einstellen. Unsere Musik ist an den Schnittstellen von Improvisation und Komposition angesiedelt. Der Raum ist dabei immer der fünfte Musiker in der Band. Insofern sind unsere Alben immer eine Momentaufnahme. So, wie auch jedes Konzert anders klingt.

Und im Endeffekt sind alle Beteiligten zufrieden?

Lukas König: Ich denke schon, ja.

Manu Mayr: Am Ende sind immer alle glücklich.

Clemens Marschall

Fotos Kompost 3: Astrid Knie

 

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