ALEXANDER LAUSCH betreibt das LISTENCAREFUL TONSTUDIO im 17. Wiener Gemeindebezirk, wo er seit Jahren erfolgreich mit zahlreichen heimischen Künstlern und Künstlerinnen zusammenarbeitet. Man kennt ihn außerdem als Mastermind und Sänger der Band LAUSCH. Clemens Engert sprach mit dem Produzenten, Recording- und Mixing-Engineer über die Zukunft seines Berufsbildes, soziale Intelligenz und kognitive Verzerrungen in der Musikbranche.
Wie hat sich die Arbeit eines Produzenten/einer Produzentin in den letzten 5 bis 10 Jahren verändert?
Alexander Lausch: Mittlerweile kann im Zuge des Produktionsprozesses schon sehr viel bei den Künstlerinnen und Künstlern daheim passieren, wenn sie das so wollen. Man kann eigentlich schon fast alles in ziemlich guter Qualität zuhause aufnehmen. Dadurch hat sich natürlich die Herangehensweise geändert, wie man ein Studio in die Produktion integriert. Ich kläre deswegen meistens vorher ab, ab welchem Zeitpunkt die KünstlerInnen die Produktion „übergeben“ wollen.
Siehst du durch die zunehmende Tendenz zum Homerecording das Berufsbild des Produzenten/der Produzentin in absehbarer Zukunft gefährdet?
Alexander Lausch: Nein, überhaupt nicht. Was sich vielleicht geändert hat, ist eben der Zeitpunkt, wo die Produktion an den Produzenten/die Produzentin übergeben wird. Viele KünstlerInnen suchen jemanden, der sie durch den gesamten Prozess begleitet und ihnen Feedback gibt – auch, was das Homerecording betrifft. Und viele wollen dann ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach in ein professionelles Studio wechseln und schauen, was dann mit dem Material passiert, das sie daheim erarbeitet haben. Deswegen glaube ich, dass ProduzentInnen auch in absehbarer Zukunft noch relevant sein werden.
Was ist der Mehrwert, den du als Produzent und Tontechniker den Künstlerinnen und Künstlern bieten kannst?
Alexander Lausch: Zum einen ist das sicher der kreative Input, den ich geben kann – falls er gewünscht wird. Und zum anderen ist es natürlich die Dienstleistung als Tontechniker inklusive meines Equipments.
In welcher Rolle siehst du dich selbst eher: Als Engineer, der darauf schaut, dass alles gut klingt und top aufgenommen wird, oder eher als kreativ denkender Produzent, der auch in Sachen Songwriting und Arrangements viele Inputs gibt?
Alexander Lausch: Es sind wirklich beide Rollen. Das ist je nach Produktion verschieden. Teilweise bin ich von Anfang an involviert, gebe kreative Inputs und arbeite mit den KünstlerInnen die Arrangements aus und teilweise bekomme ich fertige Fremdproduktionen, die ich dann nur mehr mische. Mir macht eigentlich beides Spaß und diese Abwechslung ist es auch, was meinen Job kurzweilig macht.
Du hast dein eigenes Band-Projekt Lausch. Hilft dir die Tatsache, dass du selber Musik machst und singst in der Zusammenarbeit als Produzent mit MusikerInnen bzw. SängerInnen?
Alexander Lausch: Ja, auf jeden Fall. Speziell, was die Vocals betrifft, habe ich über die Jahre hinweg viel gelernt. Meine Freundin hat Gesang studiert und wir tauschen uns auch privat viel über dieses Thema aus. Ich versuche, meine Expertise so gut es geht in die Produktionen einzubringen und den jeweiligen Sängerinnen und Sängern dabei zu helfen, ihre beste Performance abzurufen.
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„Manchmal ist es auch notwendig, dass man das Aufnehmen sein lässt und sich einfach einmal vier Stunden lang ausredet.“
Muss man als Produzent/als Produzentin auch ein guter Psychologe/eine gute Psychologin sein?
Alexander Lausch: Ich glaube, dass man zumindest gute soziale „Antennen“ haben muss. Man muss spüren, wann man sich zurücknehmen sollte und man muss spüren, wann jemand Input braucht oder auch, wann Spannung in der Luft liegt. Manchmal ist es vielleicht auch notwendig, dass man das Aufnehmen kurz sein lässt und sich einfach einmal vier Stunden lang ausredet. Studioarbeit kann richtig anstrengend sein und deswegen muss man ein gutes Gefühl dafür haben, wo die Grenzen der Leute liegen.
Was sind die häufigsten Missverständnisse, die in der Zusammenarbeit mit KünstlerInnen auftreten können?
Alexander Lausch: Mir fällt dazu die sogenannte Survivorship Bias ein. Der Begriff stammt aus dem Zweiten Weltkrieg, als die US Navy untersucht hat, wie sie die Panzerung ihrer Flugzeuge verstärken sollte. Das Problem, das dabei auftrat, war, dass sie nur die Einschusslöcher der Flugzeuge untersuchen konnten, die wieder zurückkehrten und die Daten der abgeschossenen Flugzeuge natürlich fehlten. Man versuchte quasi, aufgrund der wenigen zurückgekehrten Flugzeuge auf alle zu schließen, was eine kognitive Verzerrung zur Folge hatte. Auf die Musik umgelegt bedeutet dies, dass die Leute meistens nur auf jene schauen, die es tatsächlich „geschafft“ haben und dabei die tausenden Beispiele vergessen, die genauso hart gearbeitet haben, aber nicht berühmt wurden. Es wird deswegen oft fälschlicherweise angenommen, dass harte Arbeit zum Durchbruch führt. In Wahrheit ist es aber so, dass es die meisten Künstler, die talentiert sind und hart arbeiten, nicht an die Spitze schaffen und, dass es Gründe für Erfolg gibt, die sich nicht immer so leicht erschließen beziehungsweise auf sich selbst und den eigenen Erfolg umlegen lassen. Wenn man das einmal akzeptiert hat, kann man damit anfangen, für sich selbst den Prozess des Erschaffens als das Wesentliche zu entdecken und sich nicht nur über Erfolg zu definieren.
Wenn du drei Eigenschaften aufzählen müsstest, die einen guten Produzenten/eine gute Produzentin ausmachen – welche wären das?
Alexander Lausch: Ich glaube, eine wichtige Eigenschaft ist, dass man seine eigenen Schwächen kennt. Man muss wissen, was man nicht kann und dann versuchen, es möglichst gut zu lernen. Außerdem glaube ich, dass es wichtig ist, zu wissen, wie man seine eigenen Stärken kommuniziert. Musik zu machen ist ein sehr persönlicher Prozess und deswegen spielt die richtige Kommunikation eine wesentliche Rolle. Die dritte Eigenschaft, die mir einfällt, gilt eigentlich für alle ProduzentenInnen und TontechnikerInnen: Man muss seine Tools in- und auswendig kennen. Das ist ganz wesentlich. Man muss einfach wissen, wie man aus einem bestimmten Instrument, einem Equipment oder einer Software das Beste herausholen kann.
Gibt es irgendeinen Produzenten oder irgendeine Produzentin, der/die dich besonders beeinflusst hat?
Alexander Lausch: Aktuell würde ich sagen, dass für mich der Zugang von Andrew Scheps (Anm.: Produzent, der u.a. mit den Red Hot Chili Peppers, Green Day oder Beyoncé gearbeitet hat) sehr inspirierend ist. Die Art und Weise, wie er Material von Bands übernimmt und, was er selbst einbringt – das ist für mich sehr aufschlussreich. Natürlich schätze ich auch die großen Namen wie Rick Rubin oder Steve Albini. Es gibt einfach so viele verschiedene Zugänge und so viele verschiedene Produzenten und Produzentinnen, von denen man etwas lernen kann.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Clemens Engert
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