„ALLEINE IST DIE WEISSE WAND NOCH VIEL WEISSER” – PAUL & PETS IM MICA-INTERVIEW

PAUL & PETS ist das Soloprojekt von Paul Pfleger, den man als Sänger, Gitarristen, Keyboarder und Trommler von Bands wie Stereoface, Polkov oder der Tiger Family kennt. Clemens Engert sprach mit dem Grazer über Musikinstrumente mit „Mojo“, die Schwierigkeiten und Reize der Arbeit ohne fixer Band-Besetzung und seine Liebe zu analogem Equipment.

Deine Single „You Got Me“ kombiniert einen eher düsteren Text mit eher positiven musikalischen Vibes. Magst du es, wenn Kunst eine gewisse Ambivalenz hat?

Paul Pfleger: Ja, ich bin ein Fan von Ambivalenz und vermutlich ein noch größerer Fan von Unergründlichkeit. Es ist für mich sogar ein besonderer Ansporn, das Bewusste – soweit es geht – außen vor zu lassen. Für mich sind die magischen Dinge oft genau jene, die man eben nicht so ganz erklären kann und die auch für mich beim Schreiben ein Quäntchen Geheimnisvolles bewahren. Es macht mir zum Beispiel große Freude, wenn ich Ideen, Melodien oder Visualisierungen aus Träumen an den Tag befördern kann. Natürlich muss das nicht immer so sein, aber bei „You Got Me“ war es tatsächlich auch speziell eigenartig. Ich habe nämlich vor nicht allzu langer Zeit eine wundervolle, handgemachte Mini-E-Gitarre geschenkt bekommen, die ich als kleines Kind schon einmal in den Händen hatte und die für mich einiges an Erinnerung beinhaltet. Während der ersten Wiederbegegnung mit diesem Instrument ist der Song fast wie von selbst entstanden und natürlich habe ich dann auch mit dieser Gitarre aufgenommen und das Video gedreht. Ich bin nicht sonderlich esoterisch, aber ich bin davon überzeugt, dass auch Musikinstrumente ein besonderes „Mojo“ haben können – „You Got Me“ ist für mich das beste Beispiel.

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Neben der angesprochenen Mini-E-Gitarre taucht in dem Video auch eine Boombox mit integriertem Bildschirm auf. Was hat es mit diesem Gegenstand auf sich?

Paul Pfleger: Ich muss zugeben, dass ich wohl einen kleinen Fetisch für antiquiertes technisches Equipment entwickelt habe und diese Gerätschaften beeinflussen auch maßgeblich die Art und Weise, wie ich meine Songs aufnehme. Im Fall der Boombox war es Internet-Liebe auf den ersten Blick, weil sie einfach so schön ist. Ich habe mittlerweile zwei Exemplare von diesem Modell – eines davon eben mit funktionierendem Bildschirm, durch den man mit ein paar fernsehtechnischen Kniffen auch eigene Bilder „jagen“ kann. Diese Ästhetik hat mich dann auch dazu gebracht, das ganze Video mit einem alten Camcorder als eine Art Lo-Fi-Selfie zu drehen.

Der Song hat durchaus psychedelische Anklänge. Haben Bands wie die Beatles einen großen Einfluss auf deine Musik?

Paul Pfleger: Bei dieser Frage könnte ich wohl jeglichen Rahmen hoffnungslos sprengen (lacht). Ich formuliere es mal so: Ich versuche seit einigen Jahren, die Beatles oder auch die Beach Boys eher nur mehr zu besonderen Anlässen zu hören, weil ich mir einbilde, dadurch eine gewisse Frische erhalten zu können. Und ich mag es auch gerne, wenn man sich den Klang eines lange nicht mehr gehörten Songs im Kopf selbst ausmalen und vorstellen muss. Das ist auch eine gute Trainingsmethode für die Arbeit als Produzent.

Die Single ist ein Vorbote für ein Album, das 2022 erscheinen wird. Sind die anderen Songs schon fertig produziert?

Paul Pfleger: Ja, die Songs sind alle fertig und die meisten sind noch reduzierter als „You Got Me“. In den letzten Jahren habe ich doch einiges an Material gesammelt und ich bin damit normalerweise eigentlich sehr geduldig – manchmal vielleicht auch zu geduldig. Die Neugier und Freude am Recording steht für mich nämlich im Vordergrund und erst in zweiter Linie überlege ich mir dann, ob, wie und wann ich etwas davon veröffentliche. Für das kommende Album haben sich allerdings gewisse Songs herauskristallisiert, die durch die wenigen, ähnlichen Zutaten auf eine plausible Art harmonieren – und damit war auch bald klar, dass ich diese Songs gerne veröffentlichen möchte.

„Die Einschränkungen und Schwachstellen von analogem Equipment sind für mich die schönste Sicherheit.“

Welche Künstlerinnen und Künstler haben dich während dieses Prozesses besonders beeinflusst?

Paul Pfleger: Wenn es um die Verwendung weniger Zutaten geht, hat es mir die neuseeländische Sängerin Aldous Harding wirklich angetan.

Inwiefern unterscheidet sich die Arbeitsweise bei deinem jetzigen Soloprojekt von jener bei deinen früheren Bands wie Stereoface oder Polkov?

Paul Pfleger: Alleine ist die weiße Wand noch viel weißer und das ist reizvoll und schwierig zugleich. Bei den meisten Bands sind die Zutaten schon sehr definiert. Als Soloprojekt hat man hingegen keine fixe Besetzung und auch keine Vorgaben was Instrumentierung und Klangfarben betrifft. Natürlich muss man lernen, mit diesen Freiheiten umzugehen, aber besonders, wenn man das Studio als Instrument nutzen will, kann man alleine noch viel unkomplizierter und radikaler vorgehen. Das habe ich sehr zu schätzen gelernt.

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Du giltst als Fan von analogem Recording. Was schätzt du an dieser Herangehensweise besonders?

Paul Pfleger: Ich habe schon einige Varianten ausprobiert, aber die Einschränkungen und Schwachstellen von analogem Equipment sind für mich die schönste Sicherheit. In unserer grenzenlosen digitalen Zeit gibt es mit jedem Plug-In Millionen an Möglichkeiten – bei einem analogen Gerät findet man hingegen oft nur eine Einstellung die funktioniert und das manchmal auch in einer Art, die man so gar nicht erwartet hätte. Für mich offenbart das fast etwas Menschliches in der Maschine. Ich nutze aber auch digitale Möglichkeiten – etwa wenn es ums Editieren geht. So habe ich die neuen Songs auch fertig gestellt. Ich bin kein Hardliner und nur mit analogem Tape alleine wäre es wohl auch zu anstrengend.

Dein Vater Ewald ist Gitarrist bei Opus. Inwiefern hat es dich geprägt, in einem so musikaffinen Umfeld groß zu werden?

Paul Pfleger: Es hat mich zweifellos sehr geprägt und ich schätze mich sehr glücklich, dadurch auch schon früh viel mitbekommen zu haben – auch was Studioarbeit und Recording betrifft. Möglicherweise habe ich damit aber auch eine zusätzliche Motivation bekommen, meine eigenen Kanten und Schrullen zu finden und in der Hinsicht auch einiges anders zu machen als man mir das gezeigt hat.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Clemens Engert

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