Alexander Moosbrugger komponiert im Auftrag der Bregenzer Festspiele eine neue Oper

Mit der Uraufführung der Oper „To the lighthouse“ von Zesses Seglias erlebte das erste Opernatelier bei den Bregenzer Festspielen im vergangenen Jahr einen sehr erfolgreichen Abschluss. Die Pläne der Festspielintendantin Elisabeth Sobotka zur Weiterführung dieses Formats und wer einen Auftrag für eine neue Oper erhalten wird, wurden mit Spannung erwartet.

Denn im Rahmen der Opernwerkstatt hat eine Komponistin oder ein Komponist mit internationalem Renommee über drei Jahre hinweg die künstlerische Freiheit, der eigenen Kreativität und schöpferischen Kraft freien Lauf zu lassen. „Welche Form der Aufführung, welche inhaltlichen Schwerpunkte, welche Klangwelten das Publikum nach dem mehrjährigen Prozess schließlich erleben wird, erarbeiten die beteiligten Künstler in zahlreichen Treffen und im intensiven Austausch“, lautet die Devise.

Die Entscheidung, dass Alexander Moosbrugger das Opernatelier weiterführen wird, war zugleich eine Freude und eine Überraschung. Der 45-Jährige stammt aus dem Bregenzwald, lebt seit Jahren in Berlin und hat sich in den vergangenen Jahren mit seiner spezifischen Klangsprache international einen hervorragenden Namen erworben. Als sehr vielseitiger Künstler ist er als Komponist, Organist und fallweise als Kurator im Bereich der bildenden Kunst tätig.

Spielerische Komplexität

Auf die Frage an den Dramaturgen Olaf Schmitt, welche Überlegungen die Intendantin und ihn dazu bewogen haben, Alexander Moosbrugger zur Zusammenarbeit einzuladen, spricht er wesentliche kompositorische Charakteristika an. „Alexander Moosbruggers Musik in ihrer spielerischen Komplexität, stilistischen Vielfalt, anregenden Verbindung von historischen Elementen mit der Erfindung neuer Systeme hat Elisabeth Sobotka und mich sehr überzeugt. Seine Auseinandersetzung mit musikalischen Stimmungen ermöglicht dem Publikum besondere Hörerfahrungen.“

Wichtig seien überdies vor allem auch die künstlerischen Vorstellungen des Komponisten, betont Olaf Schmitt. Der Fortentwicklung ist ergebnisoffen, denn „ein Atelier dient dazu, etwas auszuprobieren, zu entwickeln und vielleicht auch wieder zu verwerfen. Die genaue Gestalt dieser neu entstehenden Oper werden wir bei der Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen 2020 erleben.“

Den Entfaltungsprozess des neuen musiktheatralischen Werkes können Interessierte in sogenannten „Einblicken“ im Kunsthaus Bregenz mitverfolgen. So gab es während der Entstehung der Oper von Zesses Seglias zahlreiche Menschen, die sämtliche Einblick-Veranstaltungen im Kunsthaus Bregenz besucht haben, berichtet Olaf Schmitt.

Ein Hörspiel

Sogleich der erste Einblick in das Opernatelier von Alexander Moosbrugger zeigt essentielle Inhalte seiner auf. Eine Art Hörspiel stellt das Werk „Alignement“ dar. Darin bezieht sich der Komponist auf Übungshefte des britischen Komponisten Thomas Attwood. Dieser war 1785 bis 1787 Schüler von Wolfgang Amadeus Mozart. Einem Übungsblatt entnahm Alexander Moosbrugger eine von Attwood gesetzte, anschließend von Mozart korrigierte Basslinie und programmierte sie für Sinuswellen. „Durch das ständige Gleiten, Rutschen und Schweben sind die Akkorde sehr abwesend. Die zweite Schicht des Hörspiels sind Textstellen. Attwood hat Texte auf Englisch in sein Übungsheft notiert, Mozart hat auch Texte hinein geschrieben in Englisch, aber viele in Italienisch, Korrekturen, Ratschläge und Beschimpfungen“, wie der Musikwissenschaftler Wilhelm Mateija im Rahmen eines Porträtkonzertes ausführte.  Aus diesen Notizen hat Alexander Moosbruggers Komponistenkollege Thomas Kessler eine Textschicht für das 4-Kanal-Hörspiel „Alignement“ gefertigt.

Stimmungen

Auch dem Werk „Skalen, Texte, Maß “ sind Texte zugrunde gelegt. Doch diese werden nicht gesprochen, sondern lediglich von den Musikerinnen und Musikern während des Spiels unhörbar rezitiert. Jede Silbe erklingt mit einer bestimmten Spieltechnik ausgeführt, so dass sich ein rhythmisches Textgewebe entfaltet. Dieses ist zwar komplex, aber eingängig, weil die melodischen Linien einem natürlichen Fluss folgen.

Alexander Moosbrugger beschäftigt sich intensiv und kreativ mit alten Stimmungen. Dabei wird der Oktavraum nicht in die bekannten zwölf temperierten Halbtöne unterteilt, sondern in kleineren Abständen – beispielsweise in neunzehn Tonstufen – durchschritten. Dass auch Wolfgang Amadeus Mozart seine Musik auf diese Weise gehört und auch gedacht hat, davon ist Alexander Moosbrugger überzeugt. Dies wird auch beim „Einblick-Konzert“ zu erleben sein, wenn eine chromatisch angelegte Gigue von Mozart erklingt, die genau darauf hin deutet.

Interesse für viele klingende Dinge

Olaf Schmitt spricht auch die spielerische Komponente an, die Alexander Moosbruggers kompositorisches Schaffen auszeichnet. Ein gutes Beispiel dafür stellt das neue Ensemblestück „Schlechte Stimmung“ dar, das für das „Österreichische Ensemble für Neue Musik“ entstanden ist. Darin zeigt sich eindrucksvoll, dass sich Alexander Moosbrugger für viele klingende Dinge interessiert. In einem stringenten kompositorischen Konzept verarbeitete er – wie in einer „Nummernoper“ – unterschiedlichste Schallereignisse: Von der rollenden Kugel im Casino oder atmosphärische Stimmungen, wie sie ein Blues hervorrufen kann, über singende Hunde bis hin zum Stimmen von Instrumenten.

Die Herausforderung

Wer Alexander Moosbruggers Musik kennt, weiß, dass er ein Meister der leisen Töne ist. Die nuanciert geformten Stimmverläufe verlangen Konzentration und entfalten sich am Besten in eher geringen Distanzen zwischen den Musikern und den Zuhörenden. Eine große Herausforderung für den Komponisten und die Bregenzer Festspiele werden wohl die Antworten auf die Frage sein, in welcher Art eine derart fein verwobene Musik innerhalb der eher großen Form einer Oper zum Ausdruck gebracht werden kann. Im Hinblick darauf stehen musikbegeisterten Menschen des Landes spannende Jahre mit hoffentlich zahlreichen erhellenden „Einblicken“ in das Opernatelier von Alexander Moosbrugger bevor.

Silvia Thurner

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im März 2018 erschienen.

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Alexander Moosbrugger
Alexander Moosbrugger (music austria Datenbank)
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