Albin Julius im Interview

Spätestens seit Jonathan Meeses Hitlergruß ist die Verwendung von Nazi-Symbolen in der Kunst in aller Munde. Die Grauzone zwischen Nazi-Kunst und Wiederbetätigung auf der einen, künstlerische Inszenierung aus ironischer Distanz und kritische Auseinandersetzung auf der anderen Seite ist ein weites Feld. Bei den Grenzziehungen tun sich Publikum, Feuilleton, Justiz und Politik, aber auch die KünstlerInnen selbst immer wieder schwer. Intention und Außenwirkung der KünstlerInnen sind nicht unbedingt deckungsgleich. Auch zu dezidiert linken Bands, die Nazi-Symbolik verwenden, verirren sich immer wieder Neonazis. Ist aber ein Künstler für Lesarten verantwortlich? Kann die große Masse des Publikums erkennen, wo künstlerische Inszenierung und kritische Auseinandersetzung beginnt? Und in Zusammenhang damit: Gibt es eine gesellschaftliche Verantwortung des/der Künstlers/Künstlerin?

Im Vorfeld der Podiumsdiskussion “Gut gemeinte Zensur oder wichtige Kontrolle?” im Rahmen der von mica – music austria kuratierten Waves Vienna Conference stellen wir als Anregung zur Auseinandersetzung mit der Materie zwei Texte zur Verfügung.

Clemens Marschall und Daniel Krčál haben sich unter dem Titel “Uniformierte Vieldeutigkeit” mit der Bezugnahme auf Hitler in der Musik der letzten 60 Jahre auseinandergesetzt. Außerdem hat Clemens Marschall für uns auch den sehr umstrittenen und heftig kritisierten Albin Julius interviewt. Machen Sie sich selbst ein Bild. Wir hoffen auf eine spannende und sachliche Diskussion. Einen Bericht finden Sie nach der Waves Konferenz auf diesen Seiten.

Albin Julius im Interview

Albin Julius galt mit seiner Band Der Blutharsch lange Zeit als rotes Tuch im popkulturellen Kontext: er provozierte mit Uniformen, militärischer Ästhetik und dem Sampeln historischer Figuren wie Hitler und Stalin; seinen Sound bezeichnete er selbst als „Kinky March Music“. Der Preis: Albin Julius wurde als „Nazi“ bezeichnet und es wurde sogar „Berufsverbot“ für ihn gefordert. Heute spielt er an Krautrock und Psychedelic mahnende Rockmusik und lebt mit seiner Frau Marthynna in einem Häuschen mitten im Wald, eine gute halbe Stunde von Wien entfernt. Die Uniform hat er abgelegt und mittlerweile ist sogar seine Mutter stolz auf das einst verschrieene enfant terrible, erzählt er Clemens Marschall.

Was ich herausgefunden habe, hast du dich in jungen Jahren Bands wie Dead Kennedys, Lubricated Goat, Gun Club,… gewidmet. Wie und wann bist du dann zum so genannten „Military Pop“ und zum Uniformtragen gekommen?

Albin Julius: Naja, also ganz am Anfang war ich als Mod und Punk unterwegs, wie du schon sagst. In Vorarlberg gab es eine total gemischte Szene: da waren die Metaler zusammen mit den Punks mit den Psychobillys und Rockabillys. Es hat einen Club gegeben, wo alle hingegangen sind und einen richtig guten Plattenladen in St. Gallen. So wirklich reingekippt bin ich dann über Joy Division und Throbbing Gristle, wo ich mir in dem Laden Platten von denen second hand gekauft hab. So bin ich in Industrial reingeschlittert und dann hat sich das entwickelt. Plötzlich waren da Death in June, Current 93, Coil,… Wir haben zu der Zeit (1993) selber eine Band gegründet.

Wie hat die geheißen?

Albin Julius: The Moon Lay Hidden Beneath a Cloud. Wir haben das erste Album aufgenommen, die CD in London gepresst über einen Kontakt, den ich von David Tibet gekriegt habe, den ich damals aber noch nicht persönlich kannte. Dann bin ich mit der Sängerin der Band, meiner damaligen Freundin, nach London geflogen, um die CDs abzuholen und ich habe zu ihr eher beiläufig gesagt: „Na wenn wir schon drüben sind, schauen wir doch einfach mal zu World Serpent, dem Vertrieb.“
Wir sind hingepilgert und das war damals für mich das Universum: Coil, Current 93, Nurse with Wound, Death in June und alle Bands, die für mich damals relevant waren. Wir haben denen unsere CD vorgespielt und die haben den Vertrieb übernommen. Dadurch sind wir automatisch in das Universum reingekommen.
Damals hatte ich noch extrem große Ohrringe und weiße, aufgestellte Haare – das war also noch vor der Military-Phase. Aber bald sind die Uniformen in der Szene zum interessantesten und provokantesten geworden.

Hast du im Vorhinein viel überlegt, was du mit den Uniformen machst und an den Plänen gefeilt, oder war das alles eher intuitiv?

Albin Julius: Einerseits muss ich sagen, dass ich damals studiert habe: Politik und Kunstgeschichte, und in Politik habe ich sehr viel gemacht über den Nationalsozialismus, Seminare bei  Dr. Botz besucht, der einer der Experten für die Entstehung des Nationalsozialismus ist.
Aber die Szene war damals noch nicht so politisch aufgeladen, das war eher provokant. Ich war zu der Zeit auch Laibach-Fan, mir hat das extrem getaugt, was die gemacht haben. Die ersten vier, fünf Jahre, in denen wir das gemacht haben, war Politik überhaupt kein Thema. Das war eine total apolitische Szene, es ging um Fetisch und Ästhetik in Verbindung mit der Uniform. Es ist erst 96, 97 ein bisschen politisch geworden, weil da hat es die „Grufties gegen Rechts“ gegeben, die das aufgebracht haben. Und ab dem Zeitpunkt ist es dann wirklich losgegangen, dass Rechtsextreme sich dafür interessiert haben.
Als die zweite Blutharsch-CD auf Tesco rauskam, hat uns die NPD kontaktiert und gesagt: „Wir nehmen von jeder Platte, die ihr rausbringt, 5.000 Stück.“ – weil die erkannt haben, dass da ein Zugang für die Jugend sein könnte. Aber das ist für uns nicht in Frage gekommen, obwohl 5.000 Tonträger natürlich gutes Geld gewesen wäre. Wir wollten uns nicht politisch einspannen lassen und haben das nie politisch gesehen.

Haben deine Eltern mal eine Show von dir gesehen?

Albin Julius: Ja, Vater und Mutter.

Was haben die gesagt?

Albin Julius: Vor 15 Jahren waren sie in Bologna in einem links-besetztem Theater, 1.400 Leute. Das Publikum war ziemlich krass, totally fetish. Mein Vater war ein bisschen verschreckt am Anfang, wobei ich sagen muss, er war damals 89 Jahre alt.

War der im Krieg?

Albin Julius: Ja, wobei er nicht gekämpft hat, er war Dolmetscher-Soldat. Er ist in der Schweiz aufgewachsen, war aber Österreicher und hat zweimal einen Einberufungsbefehl bekommen. Er hat ihn zweimal nicht befolgt. Es war dann nicht sicher, ob sich die Schweiz anschließt, weil es dort extrem viele Nazis gegeben hat, und es war auch nicht sicher, ob es annektiert wird. Er hat gesagt, er hat dann einfach Schiss gehabt und gesagt: Wenn er dann als Österreicher nicht einrückt, werden sie ihn wegen Fahnenflucht haben.
Meine Mutter hat also gesagt, er war schockiert, aber ich glaube hauptsächlich deswegen, weil er Musik erwartet hat. Und wir sind auf der Bühne gestanden mit Flammen, Fackeln, Lärm, volle Action. Aber ein Jahr später haben wir dann darüber geredet, er war ein psychedelischer Maler und hat gemeint, dass er es gut findet, weil es extrem war und er der Meinung war: „Kunst muss extrem sein.“
Meiner Mutter war noch auf unserer letzten Tour in Mailand und war total begeistert. Sie war Backstage mit uns und sagte: „Ich hab in den letzten fünf Jahren nicht so viel Spaß gehabt wie mit euch an einem Abend.“ Meine Mutter ist mittlerweile auch stolz darauf, weil wir doch herumkommen, gute Touren machen und ich mit guten Leute spiele: sie kennt den Lina (Deutsch Nepal), sie kennt den Niko (Potočnjak, Seven That Spells). Sie weiß auch, dass es nicht politisch ist.

Das sehen aber nicht alle so und du hast ziemliche Schwierigkeiten bekommen für das, was du gemacht hast, sei es mit dem Veranstalten von Konzerten, sei es mit Pressemeldungen, in denen du als „Nazi“ bezeichnet wurdest und was das Gericht anschließend auch genehmigte. Sollte man da Mitleid haben oder muss man damit rechnen, sich zu verbrennen, wenn man mit dem Feuer spielt?

Albin Julius: Ich verstehe, dass es Leute provoziert. Ich muss aber dazusagen, dass es mittlerweile die einzige Provokation ist, die man machen kann. Du kannst dich hinstellen und sagen: „Gott ist ein Arschloch!“, du kannst sagen: „Ich ficke Kinder!“ – dann bekommst du sogar den Ingeborg Bachmann-Preis. Aber sobald jemand auf der Straße steht und „Heil Hitler!“ schreit, ist das ein großes Thema. Das ist das einzige Tabu und dadurch eine sehr starke Provokation.

Aber Provokation nur um der Provokation Willen macht ja auch keinen Sinn.

Albin Julius: Nein, lass mich das noch fortführen. Das ist einerseits eine Provokation, andererseits eine Show. Und das Problem ist, dass manche Leute nicht erkennen wollen, dass Bühne nichts mit dem realen Leben zu tun hat. Blutharsch war in der extremen Military-Phase eine Konzeptband: die Leute sollten sich auf meine Konzerten nicht wohl fühlen, das war kein Entertainment. Manche Leute haben gesagt, es ist ihnen schlecht geworden – nicht wegen dem politischen Aspekt, sondern weil das ganze so viel und so brutal war. Für mich war das immer ein Theater.

Das erinnert mich an den Zugang von Throbbing Gristle, die ja keinen musikalisch-ästhetischen Zugang hatten, sondern die Musik als Informationsmedium gebrauchten und dabei ziemlich weit gegangen sind.

Albin Julius: Ja. Manche Leute haben mir vorgeworfen, dass es undifferenziert ist. Aber als Künstler musst du dich nicht erklären. Didi Bruckmayr, der mal für mich bei einer Nummer gesungen hat, hat gesagt: „Kunst darf alles und muss sich nicht erklären.“
Wenn du erklärst, was du machst, kannst du dich in eine Schule auch stellen. Wir haben schon so absurde Sachen erlebt, wie, dass Linkspolitiker – ich sage jetzt nicht, von welcher Partei – „Berufsverbot“ für uns gefordert haben. Und wenn ich das Wort „Berufsverbot“ in den Mund nehme…

Hast du dich in dem Zusammenhang dann sozusagen als Kämpfer für die freie Meinungsäußerung gefühlt?

Albin Julius: Ja, das kann man durchaus sagen. Und was ich dazusagen muss: Wir haben uns ja extrem gewandelt und für mich kam irgendwann der Punkt, wo ich gesagt habe: „Wenn es nur noch um Provokation geht, dann wird’s langweilig.“ Im Endeffekt ist es Musik, ich rede jetzt gar nicht von Kunst, für mich hat Rockmusik nichts mit Kunst zu tun. Es geht um die Musik, und wenn die Provokation überhand nimmt, dann stimmt die Balance nicht mehr für mich. Ich hab das lang genug gemacht, ich hab meinen Spaß gehabt, Dinge erlebt, ich könnte ein Buch darüber schreiben – aber irgendwann muss man einmal sagen: „Jetzt ist das vorbei und es geht weiter.“ Durch die ganze Politisierung ist das eine Sackgasse geworden: das ist nicht meine Politik, dafür stehe ich nicht. Für mich war das ausgereizt und ich habe keine politische Message, die ich unter die Leute bringen will.

Hast du vor, das jemals zu tun: ein Buch zu schreiben.

Albin Julius: Ein Film wär fast lustiger… Auf jeden Fall ist es interessant, wie sich die öffentliche Meinung bei verschiedenen Menschen wandelt. Schau dir an, den Hermann Nitsch: der war jahrzehntelang polizeilich verfolgt, hat Prozesse gehabt – heute ist er ein anerkannter Staatskünstler.

Und die ÖVP hält ihre Tagungen in seinem Haus.

Albin Julius: Genau! Du bist ein politischer Spielball. Vielleicht hätte ich mich am Anfang mehr erklären sollen, aber ich hab immer gesagt, es ist mir egal, was die Leute von mir halten. Wenn sie das von mir denken, sind sie nicht unbedingt dumm, aber Leute, die sich nicht informieren wollen.

Ich habe zwei alte Stories gefunden im Internet – das Internet vergisst ja nicht – wo du sagst, dass du sagst, Österreich gefällt dir gut, aber die EU ganz und gar nicht.

Albin Julius: Ja, und das muss ich nach wie vor sagen. Ich hab auch gegen den EU-Beitritt gestimmt. Das hat nichts mit Nationalstaaten zu tun, aber ich sehe die EU als Wirtschaftslobby, als die sie sich auch immer stärker entpuppt. Stichwort Genmais, Stichwort Glühbirne. Ich habe mich für meinen Lebensabend ausgerüstet und habe 30 Jahre Glühbirnen für jede Lampe in meinem Haus. Ich will mir das nicht vorschreiben lassen und sehe keinen Sinn dahinter, dass ich auf’s Klo gehe, zwei Minuten pinkle und eine Energiesparlampe anzünden muss, die beim Anzünden dreimal so viel Strom braucht wie für zwei Stunden leuchten.
Dazusagen sollte ich, dass Österreich jetzt auch kein Land mit super Politikern ist. Politiker sind generell das Schlechteste vom Schlechten, weil sonst würden sie in der Privatwirtschaft arbeiten und gut verdienen. Berufspolitiker sind für mich wie für viele andere wirklich auf der Skala ganz unten.

Apropos Politiker: Das habe ich auch in einem alten Artikel gelesen, dass du ein Fan von Jörg Haider bist.

Albin Julius: Naja, im Endeffekt soll ich ein Freund von Jörg Haider gewesen sein. [lacht] Das Problem vom Internet ist, es wird immer zitiert und falsch weiterzitiert und von der Wahrheit bleibt immer weniger über. Im Endeffekt hab ich dann wo gelesen, dass Jörg Haider ein guter Freund von mir gewesen ist.
Ich hab damals im Interview gesagt, dass ich Jörg Haider amüsant finde. Mit dem Hintergrund, dass er die Politiker vor sich hertreibt, Themen vorgibt und aufmischt – das habe ich gut gefunden, aber nicht seine Politik. Er war einfach ein Stachel im Fleisch, ein Störenfried – und Störenfriede sind das Salz in der Suppe.
Ich hab das auch interessant gefunden, als er gestorben ist: Auf einmal haben alle ein gutes Nachwort auf ihn gehabt. Er war vorher das größte Arschloch und danach war kaum ein kritisches Wort zu hören. Ich hab das Zitat interessant gefunden, wo jemand gesagt hat: „Es ist nicht die Sonne untergegangen, sondern der größte Blender vom Himmel gefallen.“ Das trifft es auf den Punkt.

Nun sollten wir langsam von der Vergangenheit in die Gegenwart gehen – mit einem kleinen Zwischenschritt: Wir sitzen jetzt in der Arena, wo du heute ein Konzert von Aluk Todolo veranstaltest. Und vor ein paar Jahren hat es ja noch das Arena-Klopapier gegeben…

Albin Julius: Ja, also es war kein Arena-Klopapier – es war mein Klopapier als Reaktion auf die Arena. Es war so, dass ich damals Death in June im Monastery veranstaltet hab und die Arena in ihrem Newsletter geschrieben hat, dass im Monastery faschistische Konzerte stattfinden und Der Blutharsch der Veranstalter ist. Daraufhin habe ich an die Arena geschrieben, dass ich sie bitte, das rauszunehmen, weil ich sie sonst verklagen muss wegen der Verbreitung von Unwahrheiten – was ich nicht wollte, ich bin ja damals schon viel in die Arena gegangen, weil die einfach die geilsten Konzerte machen. Aber ich hab gedroht: „Entweder ihr nehmt das raus, oder ich verklage euch.“ Und dann hat es ganz kurz ein Hickhack gegeben, woraufhin ich ein Klopapier produziert hab mit meinem Logo und dem Eisernen Kreuz und hab eine lustige Anzeige geschalten und die der Arena zukommen lassen. Das war meine kleine revenge, wobei ich sagen muss, ich hab mich da selber ziemlich auf die Schaufel genommen. Ich glaube, es ist ziemlich gut angekommen. Da war viel Selbstironie im Spiel, und die Arena versteht ja auch gut gemachten Spaß. Und um den Kreis zu schließen: Wenn ich zurückblicke denke ich, dass Der Blutharsch am Anfang zu wenig selbstironisch war – für die Leute. Ich hab es immer ironisch verstanden: „Ich mach das, scheiß drauf und scheißegal, wie es bei den Leuten ankommt.“
Aber das ist Teil meiner Geschichte und ich habe letztens mit meiner Frau geredet und dann zu ihr gesagt, dass ich nichts davon bereue. Wenn du mich fragst, ob ich es wieder so machen würde, kann ich es dir nicht sagen. Vielleicht, vielleicht nicht. Aber es hat mich dorthin geführt, wo ich jetzt bin.

Im Grunde hat es funktioniert, also die Provokation ist voll aufgegangen und damit der Erfolg Hand in Hand.

Albin Julius: Auf jeden Fall. Es gibt keine schlechte Promotion – es gibt nur Promotion.

Der Blutharsch hat ja mittlerweile eine lange Entwicklung hinter sich: vom Military Pop bzw. der Kinky March Music, wie du es genannt hast…

Albin Julius: Also Kinky March Music hab ich immer am besten gefunden. Das „Kinky“ haben sie wahrscheinlich nicht verstanden, sonst hätten sie die Ironie schon mitgekriegt.

Mit dieser Musik hast du heute nicht mehr viel zu tun: was du jetzt mit deiner Band Der Blutharsch and The Infinite Church of the Leading Hand spielst, ist sehr krautig, sehr psychedelisch angehaucht. Es wurde von einem Projekt zu einer richtigen Band in verschiedenen Inkarnationen mit unzähligen Gastmusikern. Ich hätte gerne, dass du die Leute, mit denen du zusammengearbeitet hast, kurz kommentierst. Da nehme ich als Erstes den Herrn Rummelsnuff.

Albin Julius: Ahhhh, sexy Kapitän! Wir schreiben uns alle vier, fünf Tage. Er ist musikalisch strange, als Mensch liebenswürdig und liebenswert. Seine Geschichte ist auch sehr interessant, er war ja früher in Freunde der Italienischen Oper – der ist schon ganz lang dabei und ich finde ihn einfach geil.

Niko von Seven That Spells.

Albin Julius: Ein Bärchen und ein Gitarrengott! Einer meiner fünf besten Freunde, obwohl ich ihn erst seit drei oder vier Jahren kenne. Ich bin glücklich und stolz, dass ich mit ihm zusammenarbeiten darf, sowohl in Jastreb als auch im Blutharsch. Und für die nächste Seven That Spells-Tour hat er gefragt, ob ich Keyboard spielen will, was ich gerne machen werde, aber was mich ein bisschen nervös macht: die sind technisch ganz vorne dabei.

Nächster Kandidat: Didi Bruckmayr.

Albin Julius: Super Typ! Fuckhead ist überhaupt eine Legende – jetzt schon seit 25 Jahren. Eine Legende.

Didi Kern.

Albin Julius:
Extrem cooler Schlagzeuger. Bulbul sind überhaupt eine super Band. Also mir gefällt es sehr gut, dass beide Didis was für den Blutharsch machen. Die sind beide cool drauf und haben einen Überblick.

Hast du nicht mal mit jemanden von den Residents was gemacht?

Albin Julius: Ich hab mal mit der Laurie Amat was gemacht, die auf ganz frühen Residents-Platten gesungen hat. Damals, als wir mit Moon Lay Hidden in Prag hätten spielen sollen, war die Sängerin krank und der Lina von Deutsch Nepal war grad auf Besuch. Dann sind wir rüber nach Prag und hatten vor, zu improvisieren. Im Backstage haben wir dann die Laurie Amat getroffen, die damals das Residents-Konzert in Prag organisiert hat. „Residents Konzert“ unter Anführungszeichen, weil zwar die Residents gespielt haben, aber keiner von den Residents unter den Masken war. Die haben einen Monat in Prag gastiert und jeden Abend gespielt. Sie ist dann spontan bei uns eingesprungen.

Noch eine anderer Partner: Douglas Pearce (Death in June).

Albin Julius: Musikalisch war das damals sehr interessant, auch menschlich ok aus der damaligen Sicht. Aus der heutigen Sicht… Das ist nicht mehr meine Welt. Dieses ganze Uniformen- und Militarygehabe taugt mir gar nicht mehr.
Das ist vielleicht das einzige, was ich ein bisschen bereue, weil es mit ihm so weird geworden ist, zu negativ. Ich habe viele Leute, die gekommen und gegangen sind, aber es war nie so eine Negativität wie bei ihm da, wo ich mich gar nicht mehr wohl fühle.

Boyd Rice.


Albin Julius:
Super Typ, ich mag ihn irgendwie nach wie vor, muss ich sagen. Aber hab ich mit ihm je was gemacht? Weiß ich gar nicht mehr. Ich kenn ihn gut, ich weiß, er ist ein Provokateur. Ich sage immer, die Amis darf man nicht so ernst nehmen. Wenn der die Klappe aufreißt, nimmst du einmal 30, 40, 50, sagen wir 80% weg. Ich meine, jemand, der für Sozialdarwinismus einsteht und einen behinderten Sohn hat…
Musikalisch ist er ein Gott. Was Suicide für die elektronische Musik ist, ist er für Industrial. Und das ganze Politische und seine schlechten Uniformen… ich hab ihn am letzten Wroclaw Industrial Festival getroffen und wir haben wirklich einen Käppel gehabt Backstage. Das war spaßig, aber mit Politik hat das auch nichts zu tun. Boyd ist ja der erste ausländische Musiker, der auf Mute gesignt wurde – und ist ja immer noch ein Liebling von Daniel Miller (Gründer von Mute Records).

Edward Ka-Spel von den Pink Dots.

Albin Julius: Der singt jetzt auf meiner neuen CD bei einer Nummer. Das finde ich sehr erwähnenswert, weil ich ein alter Pink Dots-Fan bin. Ich hab vor 20 Jahren ein Konzert von denen in der Schweiz veranstaltet, in Wien hab ich ihn veranstaltet, das heißt, wir kennen uns.

Scheißen sich manche Leute an wegen Zusammenarbeiten, dass sie meinen: „Mit dem mach ich nix, da bekomm ich nur einen schlechten Ruf.“

Albin Julius: Nein, eigentlich nicht, weil ich nur Leute frage, zu denen ich einen Bezug habe. Ich geh da nicht taktisch vor und bis jetzt hat noch niemand abgesagt.

Du hast mal gesagt: „Keep rock music dangerous!“ – das hat mich an die Mission von GG Allin erinnert. Was hältst du von ihm?

Albin Julius: Der war noch richtig weird… sowas gibt’s doch heute nicht mehr – oder?

Find ich auch, der hat einen gewissen Endpunkt vom Punk erreicht, der für mich bei Iggy Pop seinen Anfang genommen hat.  Du verkaufst ja ganz gut heutzutage. Kannst du von der Musik leben?

Albin Julius: Ja, erstens hab ich einen Production&Distribution-Deal, das heißt ich hab mein eigenes Label, aber mein Vertrieb produziert und wir teilen den Gewinn. Und der ist wirklich gut, wir sind bei Amazon, bei Müller, bei HMV – du kriegst uns in den großen und kleinen Shops. Ich glaub, ich kann davon leben, weil ich das immer selbst gemacht hab. Verkäufe sind jetzt nicht so rasend, aber ich habe einen großen Backkatalog – und das summiert sich.

Alle beschweren sich im Musikbusiness – wird es bei dir auch immer schlechter?

Albin Julius: Vor zwei Jahren war es ein bisschen ruhiger, aber jetzt zaht’s wieder an. Vinyl geht wieder sehr gut und die CDs tröpfeln auch. Ich hab 14 Alben und wenn ich von jedem Album im Monat ein paar Stücke verkauf, dann hast du noch was Neues, machst noch andere Sachen, das läppert sich zusammen.

Wirst du in Österreich im Radio gespielt?

Albin Julius: Ahh, nein, ich glaube nicht.

In Deutschland?

Albin Julius: Ja, weil ich Tantiemen kriege, aber wo, weiß ich jetzt nicht.

Du wohnst jetzt am Land und bäckst mittlerweile dein eigenes Brot, machst deinen eigenen Most, legst dir vielleicht Bienen zu für deinen eigenen Honig – ist der Soldat zum Hippie geworden?

Albin Julius: Ahhhh, ja, es war einmal ein Freund bei mir auf Besuch, der gemeint hat, er erkennt mich nicht wieder und ich bin ein alter Hippie geworden. Ich fühle mich noch sehr jung. Ich steh in der Früh auf, habe nur Wald und Natur, keine Nachbarn – natürlich beeinflusst dich das. Viele Sachen, auf die ich früher gezählt habe, sind mir heute nicht mehr wichtig.

Bist du in die Natur gezogen und hast dich dann verändert oder hast du dich zuerst verändert und bist dann in die Natur gezogen, weil es dich da hingezogen hat?

Albin Julius:
Ich komme aus der Natur, vom Land in Vorarlberg, ich bin mit Wiesen aufgewachsen und hab bewusst so was wieder gesucht, wollte wieder weg aus der Stadt. Ich glaube, das ist eine Kombination aus Natur und Alter. Irgendwann wirst du ein bisschen gesetzter und siehst manche Sachen entspannter, die früher wichtig waren.
Ich bin mittlerweile auch sehr konsumkritisch. Ich brauch zwar ein Auto, aber hab den kleinsten, billigsten Vierradler, den’s gibt. Ich kauf so wenig wie möglich im Supermarkt, ich fahr lieber auf den Bauernmarkt in Purkersdorf. Meine Frau und ich sind Weißwein-Freaks, wir fahren nach Wagram und kaufen eine Flasche um 3,50€ beim Bauern direkt weil ich weiß, die 3,50€ kriegt er – und fahr nicht zum Hofer, wo ich um 4,50€ einen Wein kauf und der Bauer vielleicht 50 Cent für einen Liter bekommt. Ich brauch auch nicht viele Sachen und bin ein Gegner des ganzen Wirtschaftswachstums-Denken: Wieso muss es immer wachsen? Weil es wächst immer auf die falsche Seite. Es heißt immer mehr Umweltverschmutzung, mehr Ressourcen werden vernichtet. Du brauchst nicht jedes Jahr ein verficktes neues Smartphone, weil das 0.2er out ist und das 0.3er am Markt, was die Werbung dir verspricht.
Es geht uns doch gut – wieso muss man immer wachsen?! Bleibt einfach so oder schaut, dass ihr ein bisschen runterkommt von dem Ganzen. Man kann ja auch umschlichten. Wenn es schon Wachstum sein muss, kann man auch intelligent investieren. Es gibt grüne Industriezweige, die interessant sind. Ob die dann wirklich grün sind, ist dann zwar wieder ein anderes Thema, wie beim Fahrrad, wo man immer sagt: „Fahrrad ist umweltfreundlich.“ Ja, stimmt schon, aber dass die meisten Fahrräder aus Aluminium sind, in Asien hergestellt werden, rübergeflogen werden – da relativiert sich dann wieder alles. Das ist auch nicht nur ökologisch gut.
Wirtschaftswachstum ist einfach eine Perversion.

Gut, das führt uns dann zur letzten Frage für heute: Sagen wir, das Leben ist ein Wunschkonzert, welche drei Wünsche hättest du?

Albin Julius: Für mich persönlich?

Für dich, für die Welt, für jemand anderen, wurscht.

Albin Julius: Also für mich persönlich wäre das in erster Linie Gesundheit. Zweitens, dass meine Beziehung bestehen bleibt, in der ich glücklich bin. Und drittens… wüsste ich jetzt gar nichts. Der Rest? Es heißt immer Erfolg, aber ich hab Erfolg. Wenn’s so bleibt, bin ich zufrieden. Ich möchte gar nicht größer werden.

Für die Welt?

Albin Julius: Für die Welt wär das Beste – ich meine, das klingt jetzt wieder sehr extrem, aber für die Welt, oder sagen wir für den Planeten, wär das Beste, wenn die Menschheit sich endlich mal ausrotten würde.
Für die Welt als Menschheit… pffff…. Kannst du dir wünschen, was du willst, die ist so dumm wie immer und wird so weitergehen. Es wird immer Kriege geben. Das war ein Thema, wo mich Leute immer angegriffen haben, wegen der „Glorifizierung von Krieg“ und Blabla. Ich habe nur gesagt: „Das wird es immer wieder geben, ihr werdet euch anschauen!“ In den 90er Jahren war das in Jugoslawien, 500 Kilometer von hier. Ich bin mit Marthynna letztes Jahr auf Urlaub nach Albanien gefahren, wir sind über Kroatien und Serbien gefahren. Wir waren in Vukovar, weil das auf der Strecke war, sind dort stehen geblieben, haben uns das angeschaut – und da greifst du dir nur an den Kopf und denkst dir: das ist ein Haus, das war ein Serbo-Kroate, daneben der Kroate-Kroate. Die haben jahrzehntelang nebeneinander gelebt und auf einmal haben sie sich bekriegt – da denkst du dir…
Also für die Menschheit würde ich mir Toleranz wünschen. Ich glaube, wenn Toleranz da ist – und ich mein wirkliche Toleranz, nicht irgendwie vorgeschriebene Toleranz oder politisch korrekte Toleranz, sondern wenn die Leute wirklich tolerant sind, dann wären die meisten Probleme, die wir jetzt haben, einfach nicht mehr da. Aber die Leute werden nie wirklich tolerant sein. Derweil geht es immer nur um Religion und Ressourcen – das sind die schlimmsten Sachen und als nächstes kommt Wasser als Ressource dazu. Aber wenn die Leute wirklich tolerant wären, in alle Richtungen…
Das ist ein bisschen wie mit Kärnten, auch wenn es damit nur marginär zu tun hat: Ich frage mich, wieso haben die seit Jahrzehnten diese scheiß „Ortstafellösung“?! Die sollten froh sein, dass es andere Kulturen gibt. Im Burgenland funktioniert das. Was ist so schlimm daran, dass Leute in einem Dorf die Sprache reden, mit der sie aufgewachsen sind?! Tut mir das weh?!
Aber das ist schon wieder politisch – das hat gar nichts mehr mit Intoleranz zu tun, da wird einfach nur Kleingeld gewechselt und das ist das Traurige.
Also sagen wir Toleranz für die Welt – ich finde das ist ein schönes Schlusswort.

Foto:  W.Oberbramberger/Natascha Schampus