Aktuelle Veröffentlichungen aus Pop/Rock/Elektronik (2/2019)

Die neuesten Releases der österreichischen Pop-, Rock- und Elektronik-Szene hat Shilla Strelka zusammengefasst. Darunter finden sich acht Debütalben und ein Tape-Release.

 

Pauls Jets – „Alle Songs Bisher“
(Lotterlabel)

Pauls Jets nennt sich die Formation rund um Xavier Plus, Romy Park und Sänger Paul Hochhaus. Nachdem „Üben Üben Üben“ letztes Jahr als Sommerhit rauf- und runtergespielt wurde, folgt nun endlich der Langspieler des sympathischen Wiener Trios.  Mit „Alle Songs Bisher“ legt man ein überzeugendes Debüt-Album vor, voll schnodderiger Eigenart und jugendlicher Leichtfüßigkeit. Die Formation rabaukt spitzfindig und allürenfrei zwischen Indie-Rock und Diskurspop herum. Da dürfen die Häuser schief sein und die Fische Walzer tanzen. Stimmungsaufhellender und von Sprachwitz und spleenigem Duktus getragener Sound. Hier sprüht und funkt es.

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Lylit EP – “Aurora”
(INK MUSIC)

Von der Licht-ins-Dunkel Gala bis zur Eröffnung der Wiener Festwochen – die Sängerin, Komponistin und Pianistin Eva Klampfer ist bereits auf zahlreichen Bühnen kultureller Großevents gestanden. Dass sie als Lylit die Menge begeistert, ist nicht zuletzt ihrer ausdrucksstarken Stimme und energetischen Performance geschuldet. Mit „Aurora“ legt die Salzburgerin nun eine frühlingshafte EP vor, in der sie von Sehnsüchten, Verlust und Trennung berichtet. Die Lieder sind runde Popsongs, die, beweglich gehalten und akzentuiert wie R’n’B- und Soul-Nummern, das breite musikalische Spektrum der Sängerin aufzeigen. Dabei gibt sich die Powerfrau verletzlich und wagt sich auch in riskant hohe Tonlagen vor. Gänsehaut-Warnung.

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Susan Wolf – “I have Visions”
(Jazzhouse Records)

Auch dem Soul zugeneigt, wenngleich um einiges klassischer angelegt, ist das Album von Susan Wolf. Nach langjähriger Auszeit präsentiert die Musikerin mit „I Have Visions“ ein stimmungsvolles Album zwischen Country, Soul und Blues. Hier werden Schicksalsschläge aufgearbeitet: wie so oft geht es um das Leben, die Liebe und die Enttäuschungen, die diese mit sich bringen. Grundtenor: melancholisch. Wolf hat eine unwahrscheinlich präzise und samtige Stimme und schafft es sanfte Zwischentöne anzuschlagen. Nicht grundlos durchwirken Assoziationen an nächtliche Jazz-Clubs, rote Samtbezüge und verrauchte Piano-Bars das Album, schließlich hat die Musikerin jahrelang Jazzklassiker in Hotelbars gesungen. Begleitet wird sie von Mellotron und Pedal-Steel-Gitarre. Songs, die uns back-to-the-roots führen.

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Simon Fanta – „Amsterdam“
(Sf productions)

„Vergiss nicht wer wir sind: eine Nation voller Kämpfer, voller Helden, voller Licht“ – zynischer Bubblegum-Pop, der zwischen den Zähnen kleben bleibt. Der im Wiener Simmering stationierte Musiker Simon Fanta geht mit „Amsterdam“ auf Identitätssuche. Mit der darauf enthaltenen Nummer „Raus aus Wien“ hat er letztes Jahr einen Sommerhit geschrieben. Popstar-Visionen hat der Jazz-Student und DJ schon lange. Sein Debütalbum „Amsterdam“ orientiert sich an viel guter Laune und Stereotypen. Zwar lässt Fanta gerne Referenzen an Bilderbuch und Wanda anklingen, allerdings ist sein Sound glatter und hat mehr Club-Drive. Hier treffen Pop-Songs auf Jungle-Beats und R’n’B, Deutschrap auf Wiener Schmäh. Geträumt wird von Koks, Hollywood und „echt scharfen Chics“, dazwischen finden sich zuckersüße Liebeslieder.

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Yasmo und die Klangkantine – „Karat und Prekariat“
(Ink Music)

„Wieso kann niemand mehr denken?“, fragt Yasmo. Die MC und Musikerin Yasmin Hafedh, die dieses Jahr auch das Popfest co-kuratieren wird, hat beides: Flow und Brains. Auch mit ihrem zweiten Studioalbum, das sie gemeinsam mit dem MusikerInnen-Kollektiv Klangkantine produziert hat, wird auf Texte mit Tiefgang gesetzt. Da wird über Walter Benjamin gerappt und der Bling-Bling-Kultur des US-Hip-Hop die eigene prekäre Lebensrealität entgegengestellt. Seit Jahren setzt Yasmo der Oberflächlichkeit des Musikbusiness Selbstbestimmung und politisches Bewusstsein entgegen und macht sich für Solidarität stark. Ihre Spoken-Word-Raps sind an Poetry Slams geschult. Hier wird nicht geschloddert, sondern so klar artikuliert wie auf der Bühne des Burgtheaters. Die Klangkantine gibt sich dazu gewohnt funky und Big-Band-beschwingt.

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Playing Savage – „Drip“
(Small Talk Records)

Die US-amerikanisch-israelische Singer-Songwriterin und Produzentin Noa Ben-Gur hat vor einigen Jahren bereits den Amadeus-Award abgeräumt. Auf ihrer EP „Drip“ präsentiert sie soulige Popsongs, die unter die Haut fahren und im Kopf hängenbleiben. Die Nummern sind zwar an ein Du adressiert, das es loszuwerden gilt, nichtsdestotrotz sind es fröhliche, positive Nummern geworden, voller verspielter Twists, getragen von verträumten Funk-Instrumentals. Ein bisschen Gefühlsexhibitionismus scheint wohl zu tun und die Message ist klar: „You gotta love your self, just love yourself.“

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Cayes – „love life death”

Verhängnisvoller, atmosphärischer Post-Rock – Cayes legen mit „love life death“ eine – wie der Titel bereits erahnen lässt – existentialistische erste EP vor. Das Artwork ist ebenso wie die Musikvideos konsequenterweise in schwarz-weiß gehalten. Das Duo rund um Julia Schwarzer und Ronald Dangl versteht es zu verklären. Zelebriert werden Weltabgewandheit und Abgründigkeit. Die Vocals sind phlegmatisch und mysteriös, der Puls schleppend, die Gitarren werden bedächtig geschrammt. Das Ergebnis klingt suizidär. Es gibt kein Entkommen, keine Linderung („no escape, no relief”). Aussteiger-Insel für verlorene Herzen. Lana del Rey‘s Sadcore lässt grüßen.

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Wirtschaftskammer – “s/t”
(Cut Surface)

Wenn das Wort idiosynkratisch auf etwas zutrifft, dann auf seine Projekte: der kongeniale Künstler-Musiker Clemens Denk hat sich mit Wirtschaftskammer ein neues Zuhause gezimmert und es mit illustren GastmusikerInnen bevölkert, darunter Martin Lehr (Luise Pop), David Wukisevits (Nino aus Wien), David Öllerer (Voodoo Jürgens) und Jasmin Maria Rilke (Aivery). Denks verknappter Wortwitz nistet sich zwischen Kaviar und S-Budget-Produkten ein. Hier türmen sich neben den Rechnungen auch die Selbstzweifel, aber alles halb so schlimm. Die Finanzbewegungen werden in anti-kapitalistischem Art-Post-Punk eingefangen und fransen Richtung Free Jazz aus, während Denks Vocals nach unten durchschlackern. Irrwitziges Konzeptalbum, das sich gegen jegliche Verwertungslogik sperrt. „Die Tür ist zu. Ist das überhaupt mein Haus? Ist das überhaupt ein Haus? Die Tür ist zu. Ich komm nicht rein. Die Tür geht nicht auf.“

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Bobby Would – „Baby“
(Low Company)

Oh süße Wehmut, oh sanfte Verklärung: „Baby“ nennt sich das Debütalbum von Bobby Would knapp. Darauf zu finden sind ebenso unprätentiöse, wie berührende „Rock’n’Roll Lullabies“. Underground-Hero Robert Pawliczek, der Mann hinter Bobby Would, hat sich dafür an einem bestechend einfachen Kompositionsprinzip orientiert. Aus Snippets von Croner-Oldies und Rockabilly-Evergreens wurden Loops gebaut, zu denen der Musiker singt und Gitarre spielt. Das Ergebnis klingt irritierend homogen. Es sind neu gewendete, quasi appropriierte LoFi-Downtempo-Songs und charismatische Lonely-Rider Nummern – Geheimtipp für all jene, die unter Fernweh leiden und sich gern in andere Zeiten träumen.

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Lowlands – „Gorge“
(Wilhelm Show Me The Major Label)

Der dritte Künstler-Musiker-Release kommt von Lowlands – dem Projekt von Brainmanagerz-Sänger Stephen Mathewson und Ex-Kreisky-Bassisten Gregor Tischberger. Lowlands, die ihren Namen vermutlich nicht ohne Grund mit einer Whiskey-Marke teilen, kümmern sich wenig, ob etwas passt oder gefällt. Die Drums verlieren sich in kaum zu erkennenden rhythmischen Mustern, die Stimmen hängen durch, es knirscht, schlottert und schrammt – alles ist einen Tick weit neben der Spur. Der störrische Sprechgesang zeugt genauso wie die Instrumentalparts von einer kompromisslosen Ausdruckswut, wie man sie von Parade-Outsidern wie Daniel Johnston kennt. Lowlands leben auf wohltuende Art die kreative Scheiß-drauf-Attitüde, suchen Schönheit im Chaos und orientieren sich dafür am Art- und Anti-Rock der 1980er und 1990er.

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Markus W. Schneider – „Widerspruch“

Markus W.Schneider, den man bereits als Gitarrist der Formationen B.Fleischmann & Band und The Friendly Guitar Trio kennt, präsentiert mit seinem Solo-Debüt „Widerspruch“ ein zurückhaltendes, aber tiefschürfendes Singer-Songwriter Album, das von persönlichen Rückschlägen und surrealen Begebenheiten erzählt. Die Gitarre ist dabei sphärisch gehalten und sorgt für die stimmungsvolle Untermalung der Texte, die aus der Feder des Musikers stammen. Es sind ehrliche, unaufdringliche deutschsprachige Nummern, die sich genauso sensibel wie unerschrocken geben und zwischen Experiment und Lied-Form ihren Weg suchen. Abwechslungsreicher erster Solo-Release des vielseitigen Musikers.

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Black Palms Orchestra – “Tropical Goth”
(Seayou Records)

Der umtriebige Musiker und FM4-Moderator Christian Fuchs surft mit seinem Projekt Black Palms Orchestra auf der Rock-Noir-Welle. Mit seinem zweiten Album „Tropical Goth“ liefert er Nummern, die viel von HBO– und Netflix-Serien-Soundtracks gelernt haben. Fuchs inszeniert sich darauf als Protagonist; als welterfahrener Anti-Held und Bad Boy, eine Fusion aus Nick Cave, Dave Gahan und David Duchovny. Hier haben die Männer noch den Blues, die Frauen sind blonde Engel, der Himmel weit und das Dach des Autos zurückgefahren. Neben vielen „oh yeahs“ finden sich auch zahlreiche GastmusikerInnen auf dem Album, darunter Jonas Almqvist, Monsterheart und The Happy Sun.

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Churchpenny Allstars – “Pigeon Paradise”

 

Churchpenny Allstars sind noch echte Rocker: Musiker mit Bärten, Holzfällerhemden und Brustbehaarung. Dass sie ihr Handwerk beherrschen, wissen sie selbst, so bezeichnen sie sich unverblümt als „Reinkarnation legendärer Rock-Götter“. Während man über Frauen, Alkohol und das Leben sinniert, dürfen Gitarre und Mundharmonika um die Wette solieren. Der Groove ist da, die eingängigen Melodien auch. Das Ergebnis ist eine überzeugende Assemblage der testosteron-geschwängerten Genres Hard- und Stoner-Rock, Country und Progressive Metal. Let’s roll!

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Dun Field Three – “s.t.”
(Noise Appeal)

Hier klopfen drei an die Pforten der Vorhölle: „Dun Field Three“ nennt sich die frisch gegründete Formation rund um Daucocco (Gitarre, Gesang, Keyboards), Nachtlieb (Bass) und Goto (Schlagzeug). Auf dem selbstbetitelten Debüt-Album gibt sich das Trio so selbstbewusst, als gäbe es sie schon seit Dekaden. Hier wird geschunkelt, gezügelt, geprescht, berzerkert und gemeinsam der Untergang gefeiert. Dabei ist kein Ton zu viel, keiner zu wenig. Der Sound ist wuchtig, aber schnörkellos und klingt wie eine aberwitzige Melange aus karnevaleskem Trauermarsch, Rock’n’Roll Romantizismus, Americana-Voodoo und Variéte Noir. Die Tiger Lillies lassen grüßen.

 

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Finger – Plotkin – Zabelka – “Pleasure-Voltage”
(Karlrecords)

 

Mit Mia Zabelka, James Plotkin (Sunn O))), Khanate) und Benjamin Finger sind drei internationale Minimal-Drone ExpertInnen zu einer Session zusammengekommen. Auf Gitarre, E-Violine, Synthesizer und Klavier sucht man nach der „Pleasure-Voltage“ und erzeugt dabei Klangwolken, in denen man als HörerIn verloren gehen kann. Die abstrakten Loop-Landschaften schrauben sich ins Unterbewusste, tasten sich voran, klettern tiefer. Immersion ist hier das Schlagwort. Sanfte Ambient-Psychedelik zwischen Traum und Erinnerung.

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