ELI PREISS porträtiert auf dem dritten Album in drei Jahren eine neue Generation, die mit ADHS, PTSD, Deutschrap und reichlich Drogen aufwächst.
Der Song „Was ist der Prei$$“ handelt von Prada und wertlosem Zeug. Wie materialistisch bist du?
Eli Preiss: Im Vergleich zu ähnlich erfolgreichen Leuten in meiner Branche – kaum. Im Vergleich zu Kolleg:innen an der Uni – schon. Der Track ist auch von meinem Lieblingsfilm „Chihiros Reise ins Zauberland“ inspiriert. Durch Völlerei werden die Eltern zu Schweinen, durch Habgier frisst die Figur No Face alle, die sein Geld nehmen. Davon ausgehend habe ich mir das Videokonzept zu dem Track überlegt und es mit meinem besten Freund Vlad [Dobre, Anm.] ausgearbeitet. Das Album ist farblich wieder schwarz-blau gehalten. So wie „F.E.L.T“ vor zwei Jahren. Das hieß Fragmente eines luziden Traums. Das reimt sich jetzt mit „b.a.d.“ Bewusstseins Aufbauende Downs. Ich habe mir den Kopf zerbrochen. (lacht)
Die Single „Wein in Wien“ ist fast Drum’n’Bass.
Eli Preiss: Ja, das waren meine ersten Fortgeh-Erfahrungen in Flex und Fluc. (lacht) Der Produzent des Tracks prod.suki lebt Drum’n’Bass so richtig. Heutzutage muss man, finde ich, im Deutschrap Facetten zeigen. Donna Savage, Verifiziert oder Pashanim haben alle auf Beats gerappt, die keine klassischen Rap-Beats sind.
Auf Gen Z heißt es, unzufrieden, unzurechnungsfähig, unorientiert, unkonzentriert und unzuverlässig. Ist deine Generation wirklich so?
Eli Preiss: In meinem Umfeld, ja. Dieses Gefühl wollte ich sehr aus dem Bauch heraus beschreiben und dem einen nicen Drama-Touch geben. Wir fühlen uns doch alle ein bisschen verloren und struggeln mit Selbstzweifeln. Ich finde es gut, dass die Leute viel darüber reden und besser über ihre Psyche Bescheid wissen.
Du beschreibst auch Stimmungsschwankungen.
Eli Preiss: Wenn ich in so einer Phase bin, vergesse ich, dass es eine Phase ist. Ich denke mir dann, so ist jetzt für immer meine Persönlichkeit, ich bin arm und werde nie mehr glücklich. Manchmal schreibe ich dann zehn Nachrichten an Freundinnen. Unangenehm ist das, wenn ich manchmal am nächsten Tag wieder rumtanze und super drauf bin.
Der Albumtitel „b.a.d.“ – Bewusstseins Aufbauende Downs – legt nahe, dass du aus solchen Phasen trotzdem viel mitnimmst.
Eli Preiss: Auf jeden Fall. Ich habe meine starken Gefühle lieben gelernt. Manche Leute müssen vermutlich Substanzen nehmen, um so viel zu spüren.
Wie leicht ist es heute, sich Rauschgift zu besorgen?
Eli Preiss: (lacht) Es gibt diesen tollen Song von 070 Shake, wo sie sagt: “when you’re livin’ in a scene where the healthy shit is far, but the drugs are no further than your room or your car.” In der Szene, in der ich mich bewege, ist es unfassbar einfach. Es ist schwieriger, sie loszuwerden und zu sagen: „Nein Danke, verpisst euch damit.“ (lacht) Ich habe darüber in meinem Philosophiestudium viel gelernt, manche sagen, wenn man nur dem nachgeht, worauf man Bock hat, wird man zum Tier. Ich versuche, mir Pausen zu nehmen, in denen ich ganz sauber bleibe und den Kopf klarkriege.
Was hat dir an dem Buch “Your Head Is a Houseboat“ besonders gefallen?
Eli Preiss: Campbell Walker ist eigentlich Illustrator und hat viel Scheiße durchgemacht. Er beschreibt dort psychologische Prozesse auf eine spannende und lustige Art, indem er den Kopf mit einem Hausboot vergleicht, alles ist ein bisschen chaotisch und es gibt verschiedene Räume, die du regelmäßig aufräumen musst. In dem Buch gibt es einige Techniken, um den Kopf frei zu bekommen, etwa indem man Gedankenströme auf ein Blatt schreibt, egal wie sinnlos sie sind.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Eli Preiss: Am Gymnasium in Wien habe ich Gitarre gespielt und im Chor gesungen. Ich wohne hier, seit ich elf bin. Ich bin auf Zypern geboren, in Kärnten aufgewachsen und war zwischendurch oft in Bulgarien bei Verwandten. Als Teenager habe ich dann in einer Band gespielt, die von Tame Impala und den Arctic Monkeys inspiriert war. Das hat nicht zu meiner Stimme gepasst, aber ich wollte mich unbedingt ausdrücken. Aber dann habe ich gemerkt, dass mir so viele Meinungen von einer ganzen Band nicht passen.
Wie kam’s zu deinen ersten eigenen Tracks?
Eli Preiss: Eine Freundin hat mir erzählt, dass sie in einer Instagram-Story gefragt hat, wer Lust hat, mit ihr zu arbeiten. Ich habe einfach dasselbe gemacht. So bin ich auf Kareem Pfeiffer und Moritz Schnürl gekommen, mit denen meine ersten Songs entstanden sind. Seither sind viele Türen für mich aufgegangen. Das klingt weird, aber ich habe dieses Gefühl, als würde mir das Universum sagen wollen, hier ist eine kleine Hilfe, damit du diesen Weg mit der Musik weiter gehst.
Wirst du als Wiener Musikerin wahrgenommen?
Eli Preiss: In Bulgarien merken die Leute, dass ich Dialekt spreche, in Wien fragen mich viele, bist du Deutsche und in Deutschland merken alle, dass ich aus Österreich bin. Bei „Wein in Wien“ hat jemand kommentiert, ob ich überhaupt Wienerin bin, und ich damals antwortete, ich wohne seit 13 Jahren hier, worauf die Person meinte, also keine Wienerin! Man kann es nicht allen Leuten recht machen. Ich glaube, ich wollte einfach verstanden werden, wenn meine Mama dabei war. Deshalb spreche ich kaum im Dialekt. Der Auftritt von Rin am Frauenfeld Festival 2017 hat mir dann gezeigt, dass deutschsprachige Musik auch Style haben und gefühlvoll sein kann. Dadurch hatte ich Bock, Musik auf Deutsch zu machen.
„Meine Mom ist meine härteste Kritikerin.“
Wie machst du Musik?
Eli Preiss: Meistens treffe ich mich mit Produzenten und wir arbeiten gemeinsam. Vielleicht bin ich einmal auf einen fertigen Beat rauf, sonst war es eine Symbiose. Ich will an die Tracks nicht so verkopft rangehen, weil es sonst forciert oder unlocker wirkt. Ich schreibe viel auf meinem Handy, für die Aufnahme lerne ich die Texte auswendig, damit ich meine Augen schließen kann, wenn ich performe und nicht auf einen Bildschirm schaue. Ich habe auch Schreibblockaden, und das ist ok. Es gibt einfach Momente, in denen ich nichts zu erzählen habe, dann suche ich nach Inspiration im Alltag, in Filmen, Büchern oder Gesprächen. Ich frage meinen Manager Max [Matschnig, Anm.] – er hat mich bei Universal reingebracht – um seine Meinung, meine Mädelsgruppe oder meine Leute beim Swift Circle. Meine Mom ist meine härteste Kritikerin.
Es gibt nicht viele, die so wie du zwischen Singen und Rappen wechseln.
Eli Preiss: Ich habe früher gesagt, ich haben keine Vorbilder, weil ich einiges nicht kannte. Mittlerweile kann ich sagen, ich feiere Souly über alles, Ace-T ist richtig gut.
Müssen Texte sich reimen oder wahr sein?
Eli Preiss: Wenn die Message cool ist und es vibet, verwende ich lieber zweimal dasselbe Wort statt Doppel- und Dreifach-Reime. Ich weiß, bei Old School Leuten mache ich mich damit nicht beliebt. Aber für mich ist es wichtig, dass es sich gut anfühlt und man sich identifizieren kann. Und wahr muss es nicht sein, aber ein wahres Gefühl vermitteln.
Die Dinge im Track mit dem WDR Rundfunkorchester – mit 16 Jahren hat dich ein Lieblingsrapper zu ihm nachhause eingeladen, mit 17 Jahren hat dir ein Labeldude Sex statt Prozente vorgeschlagen und mit 18 Jahren meinte jemand, du wirst es nur halbnackt schaffen – das ist dir alles persönlich passiert?
Eli Preiss: Ja.
„Als Frau fühlt man sich in dieser Deutschrap Bubble manchmal wie ein Objekt.“
Auf „Glühheiße Wüste“ beschreibst du eine toxische Subkultur.
Eli Preiss: Ich wollte unbedingt mit jedem Wort das Richtige sagen und habe den Text immer wieder geändert und war nochmal im Studio, weil die Message so hart ist. Fast jeder Satz ist eine Punchline. Ich habe mich über einen Pisser geärgert, der zu meinem Feature mit Gola Gianni meinte, wir wissen genau, was Gola für Dienstleistungen dafür bekommen hat. Als ob meine Musik nicht gut genug ist. Ich musste Dampf ablassen. Als Frau fühlt man sich in dieser Deutschrap Bubble manchmal wie ein Objekt. Und das betrifft nicht nur Dudes.
Was hat #Deutschrapmetoo verändert?
Eli Preiss: Es war wichtig, dass es viral gegangen ist und darüber geredet wurde. Ich glaube, manche Rapper haben danach schneller die Ausweise von Mädels gecheckt und gefragt, ob sie das wirklich wollen.
Was bringt ein Majorlabel?
Eli Preiss: Mir geben die Leute dort Informationen, die ich vorher nicht hatte. Sie bringen mir Strategie bei, wann ich posten soll, wann bestimmte Tracks passen, oder sie fädeln Kollaborationen ein, schalten Werbung, machen Medienarbeit und helfen bei der Promo. Vor allem haben sie Geld für Musikvideos, da hatte ich immer verrückte Ideen und die konnte ich richtig ausleben. Aber ich muss sagen, ich habe auch von Leuten gehört, deren Songs abgelehnt wurden. Und ich finde es auch schade, dass man independent nicht so leicht auf Playlisten kommt. Auch wenn es Gegenbeispiele gibt wie T-Low, der noch nie einen Labelvertrag hatte.
Kurze Tracks oder Hooks am Anfang der Tracks. Ist das Strategie?
Eli Preiss: Nein, gar nicht. Ich bin einfach beeinflusst von meiner Zeit. Viele machen das so. Klar, in meiner Kindheit wurde die Hook 30-mal wiederholt. Bro, du könntest besoffen werden, wenn du jedes Mal trinkst, wenn die Hook von „Dilemma“ kommt. Das wurde halt wegen Radio fake verlängert. Heute muss ein Song knackiger sein, sonst wird es langweilig. Sonst möchte ich mich davon nicht beeinflussen lassen.
Wie viel kosten 16bars von dir?
Eli Preiss: (lacht) Ich verkaufe keine Features. Werde ich nie machen.
Wie kam es zur Kollabo mit Makko?
Eli Preiss: Die Jungs waren eines Tages auf der Wientalterrasse. Bibiza hatte zuerst die Connection. Über ihn habe ich die Boloboys kennengelernt. Sie haben mich instant geliebt, wir haben einfach sofort gevibet. Und ab da war mein Leben nicht mehr dasselbe. Die haben echt einiges verändert. (lacht)
Was willst du – wie es im Text von „Nimmasatt“ heißt – verändern?
Eli Preiss: Ich mache das eigentlich schon. Alleine durch meine Existenz als weibliche Rapperin aus Wien. Ich hätte gerne ein Vorbild gehabt, und hoffentlich bin ich das für andere. Ich mache viel selbst und bin auch froh über das Team um mich herum. Und ich schreibe meine eigenen Texte. Das ist noch immer ein Stereotyp, dass Frauen ihre Texte nicht selbst schreiben.
Und was hat es eigentlich mit dem legendären Konzert auf dem Schillerplatz auf sich?
Eli Preiss: Das war noch zu Lockdown Zeiten, wir vom Swift Circle hatten keinen Plan und wollten einfach ein Benefiz bei dieser Statue machen. Wir haben bemerkt, wie schnell sich der Platz füllt. Pat meinte dann, stellt euch auf mein Auto, nehmt das als Bühne. Das hatte hinterher unfassbar viele Dellen. Aber es war so legendär. Im zweiten Jahr war es ein bisschen professioneller. Dieses Jahr haben wir einen Brief vom Bundespräsidenten bekommen und haben 20.000 Euro für Betroffene des Erdbebens in der Türkei, Syrien und Kurdistan gesammelt. Wir werden versuchen, das fortzuführen.
Danke fürs Gespräch.
“b.a.d.” von Eli Preiss ist bereits via Mom I Made It / Universal erschienen.
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Eli Preiss live
02. Juni, Klagenfurt, Burghof, mit Mavi Phoenix
29. Juli, Burg Clam, mit Bilderbuch und Uche Yara
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