25 Jahre Wiener Musik Galerie: ATYPICAL JAZZ

Die von Ingrid Karl und Franz Koglmann begründete Wiener Musik Galerie feiert ihren 25. Geburtstag mit einem Festival: ATYPICAL JAZZ – structured emotions bringt am 9., 10. und 11. November im ORF-Radiokulturhaus an drei Abenden sechs Konzerte und fünf Uraufführungen. Im Vorfeld gibt es eine dem Anlass gemäße Publikation.

 “Ich erlaube mir auf die Gründung des Vereins Wiener Musik Galerie hinzuweisen, welcher seine Hauptaufgabe in der Förderung bestimmter Aspekte von nicht kommerzieller aktueller Musik sieht”, schrieb Ingrid Karl in ihrer ersten Presseaussendung am 9. Dezember 1981. Und weiter: “Ich glaube, dass diese äußerst aktuelle und wichtige Tendenz in der Musikweltstadt Wien mit ihrem vornehmlichen Interpretenkult geflissentlich übersehen wird. Auch die Vereinigungen zeitgenössischer Komponisten sind offensichtlich nicht daran interessiert, von der hochkulturellen Rollenverteilung abzurücken. Aus diesen Gründen führen die mir interessant erscheinenden aktuellen Tendenzen in der gegenwärtigen Musik (New Jazz, Improvisationsmusik aller Richtungen, Integration von Komposition und Improvisation) in Wien ein erbärmliches Hinterhofdasein” (zitiert in einem Essay von Robert Bilek).

 

Dass dem nicht so bleiben soll, dafür sorgten Ingrid Karl & Franz Koglmann tatkräftig. 25 Jahre Musikgalerie begleiteten (und initiierten auch) tiefgreifende Veränderungen im Musikgeschehen. “Die früher stark divergierenden und sich voneinander abgrenzenden Szenen wurden offener und durchlässiger, Komponisten befassen sich mehr und mehr mit Stilen abseits der europäischen Kunstmusiktradition, improvisierende Musiker eignen sich neben Chorus und Free Improvs kompositorisches Formbewusstsein an. Dieser vielleicht interessanteste Entwicklungsstrang des gegenwärtigen internationalen Musikgeschehens konnte in Wien durch die Arbeit der Wiener Musik Galerie nicht unwesentlich vorangetrieben werden”, konstatiert die Homepage mit Stolz und nicht ohne Berechtigung.

 

Karl & Koglmann hatten schon seit 1978 in der Galerie nächst St. Stephan Konzerte programmiert und organisiert: den Anfang machte damals kein Geringerer als der Saxofonist Steve Lacy mit einem Solokonzert, 1980 folgte das 14-tägige Festival “Integrative Tendenzen in der heutigen Musik”. Als eigene, selbstausbeuterisch zu Werke gehende Betreiber brachte das Duo dann die Wiener Musik Galerie in Schwung, drei erste Festivals – 1982, 1983, 1984 – brachten der freien Improvisation gewidmete Programme, auf den Einladungslisten u. a der britische Gitarrist Derek Bailey oder der niederländische Pianist Misha Mengelberg. Schauplätze ständig wechselnd: Palais Liechtenstein, MAK, Secession, Künstlerhaus .

 

 

1984 erschien die LP “Schlaf Schlemmer, schlaf Magritte”, ein erster Markstein auf Franz Koglmanns Weg vom Improvisator zum Komponisten. Robert Bilek schreibt: ” Die Zielvorgabe der Wiener Musik Galerie für die folgenden Jahre hieß jetzt: Integration der Improvisation in die Komposition, wobei der Aspekt der Komposition – diesmal durchaus im Einklang sowohl mit internationalen Trends wie auch mit der persönlichen, künstlerischen Entwicklung des Musikers Franz Koglmann – mehr und mehr an Boden gewann.”

 

Weitere Stationen: “Jazz op.3 – Die heimliche Liebe des Jazz zur europäischen Moderne” (1986), mit Referenz auf Cool Jazz, Minimal Music, Schönberg und Third Stream und mit Namen wie Steve Lacy, Bill Dixon, Anthony Braxton oder Gunther Schuller verbunden, Hommagen an Chet Baker (1988), Bix Beiderbecke (1989), Workshops in den 90-ern mit Anthony Braxton, Bill Dixon, Gil Evans, Jimmy Giuffre, Steve Lacy / Steve Potts, Michael Mantler, George Russell, John Zorn oder Lee Konitz. 1990 die “höheren Weihen” für Koglmanns Pipetet in Donaueschingen (“The Use of Memory”), Festivals in der Folge dann auch im Wiener Konzerthaus (Incident in Jazz, Hans Koller, Parallel Worlds), 1999 Icebreaker-Festival, zuletzt dann Open Windows (2004).

 

ATYPICAL JAZZ: Das Programm

 

“In der Konzeption des aktuellen Festivals”, heißt es im Pressetext der Wieer Musikgalerie, “konzentrierten wir uns auf unangepasste, dem kommerzialisierten Mainstream des Jazz und der ,neuen Lust an der Oberflächlichkeit’ zuwiderlaufende Erscheinungen, am Schnittpunkt von Jazz und internationaler Moderne, in denen sich avancierte Kompositionstechniken in der Improvisation widerspiegeln und umgekehrt, die Erfahrung der Improvisation in Komposition einfließt . Zum Teil handelt es sich nicht um Jazz im eigentlichen Sinn sondern “um Musik, die Jazz zulässt” (Christian Baier in der Österreichischen Musikzeitschrift über Franz Koglmann).”

 

 

Freitag, 9. November 2007, 20 Uhr

STRINGTRIO OF NEW YORK
STEVE KUHN TRIO
special guest: SHEILA JORDAN

Mit dem 1977 gegründeten String Trio of New York ist am Freitag eines der führenden Ensembles des avancierten Chamber Jazz zu Gast. Der 1938 in Brooklyn geborene Steve Kuhn gilt als intellektueller Romantiker des Jazz, der in seinem Spiel verschiedene Idiome auf komplexe Weise vereint. Mit Sheila Jordan, einer der bedeutendsten Sängerinnen der Jazzgeschichte, arbeitet er seit den 70er Jahren immer wieder zusammen.

Samstag, 10. November 2007, 20 Uhr

HARALD KOELBL
Koelbl 4 & Koehne Quartet
BOB ZIEFF
Bob Zieff Chamber Jazz Ensemble

Der 1960 in Wien geborene Harald Koelbl ist ein Instrumentalist und Komponist, der ausgehend von der Tonsprache des frühen 20. Jahrhunderts bis hin zu Formen zeitgenössischer Improvisation einen ausgeprägt individuellen Weg verfolgt. Im Rahmen des Festivals wird er eine ca. einstündige Komposition für Jazzquartett und Streichquartett uraufführen: “dinge. things. Recercari”. Der 1927 in der Nähe von Boston geborene Jazzkomponist Bob Zieff setzte vor allem in den 50er Jahren durch seine Zusammenarbeit mit dem genialen Trompeter Chet Baker Maßstäbe. Zieff, mit diesem Konzert erstmals in Österreich zu hören, zählt zu den großen Individualisten einer atypischen Linie des Jazz. Er feiert heuer seinen 80. Geburtstag.

So, 11. November 2007, 20 Uhr

RICHIE BEIRACH
FRANZ KOGLMANN
Franz Koglmann Pipetet

Der 1947 in New York geborene Pianist Richie Beirach wirkte in den Bands von Stan Getz und Chet Baker mit, in Kooperation mit Dave Liebman u. a. entwickelte er seinen sehr persönlichen, harmonisch komplexen Stil.
Franz Koglmann wird mit seinem Pipetet unter Mitwirkung des Starsaxophonisten Tony Coe und unter der Leitung des Dirigenten Gustav Bauer sein aktuelles Programm präsentieren, das zwei Uraufführungen beinhalten wird: Eine von Scott Fitzgeralds Roman “Tender is the Night” inspirierte Komposition sowie das Franz Schubert gewidmete Stück “Winterreisig” nach einem Text von Julian Schutting, bei dem der Autor als Rezitator mitwirken wird.

 

Programmdetails, Mitwirkende: siehe Link und mica-Konzertankündigungen

Die Publikation:
Ingrid Karl, Bernhard Kraller (Hg.)
Atypical Jazz – 25 Jahre Wiener Musik Galerie
In memoriam Peter Niklas Wilson. 280 Seiten – Fadenheftung – Format: 22cm/25cm – Fotographien: Duplex

 

Subskriptionspreis bis 20. November 2007: ? 28,–

 

Erhältlich über Wiener Musik Galerie
und während des Festivals im ORF RadioKulturhaus

Präsentation am Montag, 12. November 2007, 14 Uhr

Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Fanny Hensel-Mendelssohn Saal
Hauptgebäude
Anton von Webern Platz 1, 1030 Wien

Lecture (in englischer Sprache)
Bob Zieff
Out of the Swing: Aspects of Jazz Composition
Ellington, Dizzy and Bird, Mulligan etc.

Sendungen zu ATYPICAL JAZZ – structured emotions auf Ö1-zeitton:

07. November 2007, 23:05 Uhr Zeit-Ton Magazin
23. November 2007, 23:05 Uhr Zeit-Ton
30. November 2007, 23:05 Uhr Zeit-Ton

 

Foto Franz Koglmann 1: Claudia Prieler
Foto Franz Koglmann 2: Elfie Semotan
Foto Harald Koelbl: Sabine Kosztka