25 Jahre mica. Die Gründung von MICA – MUSIC AUSTRIA als professioneller Partner österreichischer Musikschaffender jährt sich dieses Jahr zum 25. Mal. 1994 auf Initiative der Republik Österreich gegründet, macht das Musikinformationszentrum nun ein Vierteljahrhundert auf aktuelle Musik aus Österreich aufmerksam und unterstützt Musikschaffende in allen wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen. Ende Juni wurde das Jubiläum zu 25 Jahre MICA – MUSIC AUSTRIA mit KollegInnen und WegbegleiterInnen gefeiert und auch Festreden waren zu hören. Eine davon kam von Musikjournalist ROBERT ROTIFER.
The Past is a foreign country. They do things differently there
Wien vor 24 Jahren, ein Treffen mit dem Manager meiner Band The Electric Eels im damals ganz neu eröffneten, “neuen” Chelsea am Gürtel. Der Manager hat hunderte Flyers für unser kommendes Konzert mit dabei. Darauf steht: “The Electric Eels on the top of the pops.”
Ich bin völlig fertig. Ich sage zu ihm: “Es müsste heißen: On Top of the Pops. Wenn wir in der Fersehsendung aufträten, was wir natürlich nicht tun. The Electric Eels ‘on the top of the pops’, das ist falsch und peinlich.”
Fand der Manager gar nicht, das sei alles nicht so genau.
Wir hatten auch schon eine Außeinandersetzung über das Wort Britpop gehabt. “Wir können nicht sagen, wir machen Britpop, weil wir nicht Briten sind.” “Aber alle sagen, es ist Britpop!” “Nein, es ist Pop. Okay, Gitarrenpop, aber das klingt furchtbar.”
Er hatte natürlich recht, der Manager, schon allein, weil unser Bandname ja auch, wenngleich unbewusst, aus der amerikanischen Punk-Vergangenheit geborgt war. Völlig wurscht, da waren sich alle einig, weil sein wir uns ehrlich, dort drüben wird das nie wer erfahren. Was war dagegen ein “the” zu viel vor “top of the pops”? Noch dazu, wo wir uns in einem nach einer englischen Punk-Band bzw. einem Londoner Viertel benannten Lokal befanden, also in einer rundum vom angelsächsischen Original geborgten Welt, eine liebevoll nachgebauten Spielzeugversion der echten Rock’n’Roll-Welt.
Aus unserer kleinen Truman Show gab es kaum einen Weg nach draußen, es sei denn, man machte es wie Hans Platzgumer und zog gleich nach New York. Dieser provinzielle Geist saß ganz tief im Bewusstsein drin, von der Indie-Szene bis zum Mainstream, aber das Bedürfnis, ihn zu überwinden, wurde spürbar dringender. Nicht zuletzt mit dem EU-Beitritt, gegen den es ja auch gute Argumente gab, aber dank dessen viele früher komplexe Aspekte des Machens und Vertreibens von Musik im Ausland plötzlich ganz problemlos liefen.
In Österreichs erstem EU-Jahr 95 also waren alle in der Wiener Indie-Szene sehr aufgeregt, weil im Sommer der W.I.E.N Sounds Fair stattfinden sollte. Eine Musikmesse mit Live-Programm, die Wien als internationale Pop-Stadt repräsentieren würde. Große Namen waren angekündigt, ich weiß nicht mehr welche, woran ich mich sehr wohl erinnere, ist die Eifersucht unter den Bands darüber, wer wo vor welchem großen Namen die Vorband geben dürfen würde. Und der Skandal dann, als fast alle dieser großen Namen absagten. Ein Debakel, das war mein bleibender Eindruck.
Am Dienstag nach der Pressekonferenz fürs heurige Popfest hab ich Hergo vom Mica gefagt, was ihm vom W.I.E.N Sounds Fair im Gedächtnis geblieben ist. Er hat es mir dann in einem Email zusammengefasst:
“Hallo Robert, zu unserem gestrigen Gespräch – ich glaube, da trügt deine Erinnerung. Zwar war das Festival finanziell ein Desaster, aber inhaltlich war das sehr respektabel, nicht nur weil ich damals die Elektronik-Acts gebucht habe 😉 (Smiley) Habe das Programm hier im Archiv gefunden: Cypress Hill, Onyx, Ol‘ Dirty Bastard, Nightmares On Wax, Red Snapper, Howie B., Gallon Drunk, Lemonbabies, Stereo Total, Goldie, Alex Reece, Earthling und auch die damals guten Österreicher, also Kruder &Dorfmeister, Demon Flowers, DSL…”
Okay, okay, Hergo hat offensichtlich recht. Und was sagt mir das?Nicht nur, dass meine Erinnerung offenbar eine sehr selektive ist, sondern vor allem auch
a) was für eine Bösartigkeit innerhalb unserer Puppenhaus-Gitarren-Szene herrschte, und
b) wie weit von einander entfernt vor einem Vierteljahrhundert die Genre-Welten waren.
Hergo arbeitete damals im Plattenladen Black Market. Dort traf sich eine Dance-Szene, die schon lange nicht mehr in einer geborgten Parallelwelt lebte, sondern ihre Musik international vernetzt auf Augenhöhe produzierte und vertrieb. Diese internationalen Kontakte jedenfalls waren oft lebhafter als die zu anderen Menschen aus anderen Szenen in derselben Stadt. Man konnte von einer in die andere Szene überlaufen, aber Vermischungen gab es selten, und genau das begann sich genau an diesem Punkt radikal zu ändern, übrigens auch mit der Gründung von FM4, in dessen Programm sich die diversen Nischen mischen mussten und dann auch wollten.
Vor 5 Jahren bin ich schon einmal hier gestanden. Damals war das Thema, über die Zukunft zu reden, diesmal über die Vergangenheit, und komischerweise ist dabei was Optimistischeres rausgekommen. An den alten Refrain vom Getting-better-all-the-time glaubt ja zurecht keiner mehr, aber soviel stimmt schon: Gegen die österreichische Pop-Welt von vor 25 Jahren wirkt die heutige, von Berührungsängsten befreite, wie die Verwirklichung einer kühnen Utopie.
Robert Rotifer