19. KlezMORE Festival Vienna 2022

Von 5. bis zum 20. November 2022 steht auf diversen Wiener Bühnen auch heuer wieder das bereits 19. KlezMORE Festival Vienna auf dem Programm. FRIEDL PREISL und ROMAN BRITSCHGI ist es abermals gelungen, zwei Wochen mit vielfältiger Kultur zu füllen.

Veranstaltungs-Kultur scheint in diesen Tagen, von inhaltlichen, künstlerischen und formellen Fragen abgesehen, vor allem eine Frage der Machbarkeit. Covid, der Klimawandel und der in der Ukraine geführte Krieg als die sichtbarste Manifestation einer unmenschlich aus den Fugen geratenen Welt, koppeln naturgemäß zurück auf unsere Kultur, unser Tun, unser Freizeit-Verhalten. Auf das, was uns notwendig und angebracht erscheint. Schon schließen kleine Spielstätten, brechen Tourneen „kleinerer“, oft spannender Künstler_innen weg, erleben wir Re-Regionalisierung und Re-Provinzialisierung, Menschen, die nicht länger Teil nehmen wollen oder können, inflationäre, dabei gut gemeinte Gratiskultur andererseits und nicht zuletzt die umfassende Rückkehr einer völlig harmlosen, inhaltsentleerten, mittelmäßigen „Kultur“, deren Funktion nur mehr ist zu unterhalten und abzulenken, mit ein, zwei Stunden Leichtigkeit den Alltag wieder erträglich zu machen, vorzugaukeln, dass „eh alles in Ordnung ist und so wie immer.“

Doch am Beginn, in der Ankündigung eines Festivals, ist der aus diesen Zeilen sprechende begründete „Kulturpessimismus“ tatsächlich schon durch die schiere Existenz des Anzukündigenden in die Schranken gewiesen. Friedl Preisl und Roman Britschgiist es abermals gelungen, zwei Wochen mit vielfältiger Kultur zu füllen, die den Prinzipien des KlezMORE Festivals (Weltläufigkeit, Diskursfreude, Emanzipation) auch unter erschwerten Rahmenbedingungen treu bleiben. Und so wie es 2021 die Umstände hergaben, dass das Festival tatsächlich stattfinden konnte, scheint heuer wenigstens schon im Vorfeld gewiss, dass es stattfinden wird – dass dies teils einer ignoranten, gefährdenden und verantwortungslosen Politik zu „verdanken“ ist, nimmt andererseits solch notweniger, unerlässlicher Planungssicherheit für Kulturschaffende nichts weg.

Mit solchen Gedanken im Sinn, passt es sehr gut, dass eine der zentralen Künstlerinnen des heurigen Festivals Isabel Frey ist, in deren Arbeit sich politischer Aktivismus und künstlerisches Tun ergänzen und wechselseitig bedingen. Das ist zu hören, wenn sie am 5.11. die Eröffnungsgala bestreitet (Lorely Saal), am 9.11. im Trio konzertiert (Sargfabrik) oder mit Soveles (16.11., Sargfabrik) ihre Stimme erhebt. Dass sie dabei bei der Eröffnungsgala die Bühne mit Daniel Kahn teilt, macht eine weitere Ebene auf, steht der doch mit seinem „Verfremdungs-Klezmer“ und aus seiner Theater-Arbeit schöpfend, seit Jahrzehnten für auch abstraktere Ausformungen „politischer Musik“, die immer zugleich konkret emotional berühren.

Eine weitere Konstante des heurigen Festivals ist, im Wortsinn, Vielstimmigkeit. Erleben wir doch sowohl Roman Grinberg und den Wiener Jüdischer Chor (8.11., Ehrbar Saal), das Styrian Klezmore Orchestra um Moritz Weiss (12.11., Theater Akzent) und – bei der 2. Abschlussgala – das Vienna Klezmore Orchestra (20.11., Metropol). Nicht zu vergessen die künstlerischen Begegnungen, wie jene von Andrej Prozorovund Aliosha Biz(17.11., Sargfabrik) oder die in dieser Form einmalige von jüdischer Poesie und orientalischen Klängen (The Yiddish Princes meet the Orient, Abschlussgala 1, 19.11. Porgy & Bess). Vielleicht inhaltlich am spannendsten beim heurigen KlezMORE Festival The Ballad of Mauthausen, eine erweiterte Adaption der berühmten „Mauthausen-Kantate“ durch die niederländische Musikerin Niki Jacobsund ihren Verband hochkarätiger Klangkünstler.

Kein KlezMORE Festival wäre vollständig ohne die Stummfilm Matinee mit Live-Vertonungen ausgesuchter Filme (6.11., 13.11. und 20.11., jeweils 13 Uhr Filmhaus Kino Spittelberg), die von Esther Wratschko (auch bei SOVELES zu hören!) geleiteten Vienna Klezmer Sessions (Kulturcafé Max, 7.11. und 14.11.), wo Musiker*innen eingeladen sind, aus dem Moment schöpfend zusammenzuspielen oder die flankierenden Workshops (6.11. und 13.11., Österreichisches Volksliedwerk).

In seiner Gesamtheit ist das KlezMORE Festival 2022 definitiv und nachdrücklich ein Grund zur Freude! 

(Text Rainer Krispel)

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KlezMORE Festival Vienna 2022