Mit dieser Serie bündelt mica – music austria die Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen im Musikbusiness. Warum „100 Prozent“? Weil Gleichstellung zu 100 Prozent anstrebenswert ist… und es immer noch viel zu tun gibt. Valentina Vale ist erfolgreiche Künstlerin und Content Creatorin, die seit etwa einem Jahr unter dem Namen ELAV auch musikalisch auf sich aufmerksam macht.
Wie und wodurch hast du Erfahrung im Musikbusiness gesammelt?
ELAV: Vor fünf Jahren hatte ich von der Branche noch ein sehr unvollständiges Bild. Ich war in meiner Jugend so gut wie kaum auf Konzerten und in ganz anderen Bubbles unterwegs. Ich habe mir sehr schwergetan, Leute kennenzulernen, die einen ähnlichen Vibe wie ich habe und dazu auch noch Musik machen. Viel gelernt habe ich in meiner vergangenen Beziehung mit einer Musiker:in. Dort habe ich Aufgaben im Management, der Creative Direction aka Musikvideos, Pressefotos, etc. übernommen und hatte dadurch einen sehr direkten und Artist-bezogenen Einblick in das Business. Aber auch heute noch stelle ich mir sehr viele Fragen.
„Musik kann sehr schnell sehr teuer werden, vor allem wenn man die beteiligten Menschen auch gut bezahlen will.“
Was waren die größten Hürden und wie konntest du sie überwinden?
ELAV: Meine absolut größte Hürde war, nicht zu wissen, wie ich anfangen soll. Für mich war das Musik-Biz bzw. eine Musikkarriere von meiner Realität so weit entfernt, dass ich, bis ich 18 war, nicht mal wusste, dass das eigentlich eine realistische – wenn auch sehr anstrengende – Option ist. Dafür muss man eben auch etwas machen.
In welcher Form wurdest du auf deinem Karriereweg unterstützt?
ELAV: Die Frage ist, wo beginnt der Karriereweg? Musik war in unserer Familie auf jeden Fall sehr präsent. Meine Eltern haben mir ermöglicht, Instrumente zu lernen, wenn ich Interesse an etwas hatte. Blockflöte, Oboe, Klavier neben der Schule im Privatunterricht und dann auch andere Instrumente in der Schule – Gitarre und sogar selbst gemachte Bambusflöte. Ich habe sehr viel gesungen und dann auch Gesangsunterricht genommen, da aber hauptsächlich klassische Techniken gelernt und italienische Arien gesungen, obwohl ich am liebsten Pop Songs gelernt hätte.
Als ich 2021 endlich erste Schritte gewagt habe, eigene Musik zu schreiben, war es ziemlich schwierig Menschen zu finden, die mit mir arbeiten wollten, weil ich selber noch keine wirkliche Richtung hatte und nichts zum Herzeigen. Mein damaliger Manager hat versucht, mir mit Kontakten zu Producern zu helfen, wobei es keine leichte Aktion war, Producer zu finden, die zu mir passten. Vor allem beim Bürokratischen und bei Förderungen hat er viel beigetragen. Nach einigen Monaten, einem Release und Demos hat ein Deal sehr viel verändert. Ein Distribution Deal mit Sony Deutschland hat meinem mitgegründeten Label einen Vorschuss (aka ein Kredit, den ich mit Einnahmen der Musik wieder abbezahlen muss) gegeben, mit dem ich meine Musik bzw. einiges davon bezahlen kann. Musik kann sehr schnell sehr teuer werden, vor allem wenn man die beteiligten Menschen auch gut bezahlen will.
Nach meiner ersten EP und der finanziellen Stütze von Sony, darf ich mich unglaublich dankbar schätzen, weil ich die Produktionsförderung des österreichischen Musikfonds bekommen habe. Bevor ich mit meiner Musik gestartet habe, hatte ich schon einiges an Know-How, welche Qualitätsmerkmale für mich wichtig sind. Da ich diese Qualität alleine nicht vollends liefern kann, summieren sich die Rechnungen für Producing, Equipment, Tontechniker, Mixing/Master, Musikvideos, etc. sehr schnell auf hohe Beträge. (Bei Musikvideos „spare” ich zwar in dem Sinn sehr viel Geld ein, weil ich vieles davon selber mache, gleichzeitig bezahle ich aber auch mit sehr viel Zeit. Das ist nicht immer die bessere Gleichung.)
Ok, ich bin etwas abgedriftet, was ich noch sagen wollte ist, dass ich durch ein paar wahnsinnig tolle Seelen, die meine Wege gekreuzt haben, sehr viel neue Zugänge zur Musik entdeckt habe, die mich bis jetzt prägen, mir helfen und mich sehr inspirieren. David Graf, war der erste Mensch, den ich, nach einigen anstrengenden Monaten auf der Suche nach einem Team, kennenlernen durfte und der an meinem Projekt richtig Interesse zeigte, obwohl ich ihm nicht genau formulieren konnte, was ich eigentlich genau machen will. David hat mir sozusagen geholfen, mein Fundament aufzubauen. Und das auf eine sehr schöne geduldige liebevolle Weise. So konnte ich auch mehr darüber lernen, wie es ist, mit anderen am eigenen Seelenwerk zu arbeiten. Keine leichte Sache!
„Ich war einfach sehr überrascht, wie herablassend sich Menschen, die seit Jahren in dem Biz sind, gegenüber Menschen, die gerade anfangen, verhalten.“
Wo hättest du dir (mehr) Unterstützung gewünscht?
ELAV: Ich hätte mir mehr Offenheit gewünscht, als jemand der quasi neu beginnt hat und keinen Plan hat. Ich war einfach sehr überrascht, wie herablassend sich Menschen, die seit Jahren in dem Biz sind, gegenüber Menschen, die gerade anfangen, verhalten. Auch hier macht Kommunikation auf beiden Seiten einen entscheidenden Unterschied. Ich habe so ein vielseitiges Interesse an Musik und möchte viel Unterschiedliches machen, das war für viele nicht verständlich. Ich bekomme auch immer mehr das Gefühl, dass viele in dem Biz sehr kategorisch denken und es in ihrem Denkmuster nicht so passt, wenn man zu vielseitig ist. So auf die Art: „Was man nicht kennt, mag man nicht“.
Auf meiner Suche nach Personen, die mit mir arbeiten wollten, gab es sehr viel Skepsis. Möglicherweise lag das auch daran, dass man öffentlich kaum etwas mitbekommen hat, wie sehr ich musikalisch im vorigen Projekt involviert war. Die österreichische Szene kannte mich nur als die Partner:in, viele haben mich nicht ernst genommen und mir auch gar keine Chance gegeben, zu zeigen, was ich kann. So im Allgemeinen hätte ich es sehr schön gefunden, ein Umfeld zu haben, wo es in Ordnung ist Dinge, zu probieren, die man nicht kennt/nicht kann, und ein Umfeld, das neugierig genug ist, um auch herauszufinden, was man eigentlich kann.
Hattest du selbst passende Role-Models in deinem Umfeld, an denen du dich orientieren konntest?
ELAV: Die Definition Role-Model würde ich so nicht verwenden, aber ich ziehe mir viel Inspiration von unterschiedlichen Menschen bzw. Artists. Ich bin ein sehr analytischer Mensch und finde es recht schwierig, jemanden als Role-Model zu betrachten, wenn die meisten Leben so viele unterschiedliche Variablen prägen und es nicht wirklich ein konkretes Rezept für künstlerische Werdegänge gibt. Ein Grund, warum es so schwer war, zu erklären, was ich machen will, war, dass ich nicht wirklich etwas kenne, das so ist, wie ich es in meinem Kopf sehe/höre. Was auch irgendwie logisch ist, weil das macht es ja eben so schön, sein eigenes Ding zu machen.
Grundsätzlich finde ich auf meinem Weg immer wieder Artists, die mich in irgendeiner Weise beeindrucken, und versuche, zu analysieren, warum das in mir ausgelöst wird und wie ich das vielleicht auch für mich nutzen kann. Für mich sehr inspirierende Persönlichkeiten (die schon seeeehr erfolgreich sind) wären Miley Cyrus, Lady Gaga, Ariana Grande, Katy Perry und einige andere auch. Auch sehr spannend war es, zu beobachten, wie es sich die letzten Jahre bei Nina Chuba entwickelt und wie sich ihr Weg ebnet.
Welche Role-Models gibt es in Hinblick auf Frauen/Queer People im Musikbusiness aktuell?
ELAV: UUUUUFFFF so viele. Die oben genannten und ich werde jetzt einfach alle Namen aufzählen, die mir einfallen. Jede:r, der das liest, sollte diese Namen in einer Streaming Plattform eingeben. Diese Menschen haben alle für sich etwas, das ich cool, inspirierend und/oder motivierend finde. Manchmal mehr als nur die Musik, manchmal nur einzelne Elemente von deren Musik oder Leben. Folgende Namen sind in einer komplett random Reihenfolge:
Valeriooon, Pure Chlorine, Nicki Minaj, Cardi B, Selena Gomez, Taylor Swift (da auch der Musik Biz Aspekt, der ist super spannend), Lisa Pac, Wi1ze, Yasmo, Dacid Go8lin, Jessi J, Keke, Kerosin95, Alli Neumann, Cloudy June, Billie Eilish, Dilla, Pantha, Charli XCX, Paula Hartmann, Juju, Lea, Nura, Girl in Red, Avril Lavigne, Kesha, Alicia Keys, Beyonce, Bishop Briggs, Charlotte Lawrence, Charlotte Sands, Eli Preiss, Leah Kate, Jessie Murph, Bea Miller, Ashnikko, stef, Salem Ilese, Luca Malina, Emmy Meli, Novaa, Camilla Cabello,
Zolita, Quinn XCII, Zhavia, Ava Simons Fletcher, Anne Marie, Sandra Hesch, Felicia Lu, Jennifer Rostock, Yaenniver, Ante Schomaker, Madeline Juno, Elif, Pink, Madonna, etc.
„Ich versuche mein Wissen zu teilen.“
Was kannst du selbst weitergeben?
ELAV: Schwierige Frage. Ich versuche, mein Wissen zu teilen. Vermutlich ist das auch der Grund, warum Social Media für mich einen großen Stellenwert hat, da ich das dort auf meine Weise machen und Menschen, die es potentiell auch interessiert, erreichen kann. Der Ursprung davon liegt sicher auch daran, dass es für mich so eine Odyssee war, an diese Informationen zu kommen, und ich gerne früher einen Zugang zu diesen Welten gehabt hätte.
Ich möchte einfach weitergeben, dass, egal wie schlecht man auch in etwas ist, wenn es dir Freude bereitet, einfach weitermachen soll. Lerne dazu und werde besser oder auch nicht und genieß es einfach. Lass dir diese Freude von anderen und deren Feedback nicht nehmen, vor allem, wenn sie gar kein vollständiges Bild davon haben, was du eigentlich alles kannst.
Finde einen Weg, wenn du etwas machen willst, irgendeinen gibt es immer. Das kann bedeuten, dass Kompromisse gemacht werden müssen, aber überlege dir gut, welche Kompromisse mit deinen Wünschen trotzdem noch übereinstimmen.
Feedback von anderen ist EINE Meinung nicht DIE Meinung, auch wenn dein Gegenüber viel mehr Erfahrung what so ever hat.
Geschmäcker sind verschiedenen und vielleicht ist genau dieses eine Element, was so viele nicht mögen, das, was du am meisten magst. Es gibt Menschen da draußen, die das supporten, was du machst. Ich habe nie gewusst, wie schön es ist, Kunst gemeinsam zu erschaffen. Kreative Köpfe zu vereinen, eröffnet neue Universen, die wunderschön sind, zu erforschen.
Teile deine Kunst.
Frage nach Hilfe.
Lerne es selbst. Manchmal findet man die Menschen, die man braucht. Und wenn das nicht der Fall ist, dann lerne dir die Sachen selber. Die Basics – von egal was – kann man sich durch das Internet selbst beibringen. Manchmal braucht es nicht mehr um weiterzukommen.
Step by Step, an das muss ich mich auch täglich erinnern. Es ist ok, nicht in allem ein Pro zu sein. Wenn du es feierst/Spaß hast, wird das dein Umfeld merken, auch wenn es nur unterbewusst ist. Das ist etwas, das man nur schwer fälschen kann.
Und zu guter Letzt: NICHT AUFHÖREN, wenn es dir Freude bereitet. Das Leben ist ein Rätsel gefüllt mit Puzzeln. Fast alles ist in irgendeiner Form lösbar und manchmal sind die Kompromisse, die wir eingehen müssen, ein Geschenk und keine Strafe.
Welche Rolle spielt das Alter für dich?
ELAV: Erfahrung lehrt uns vieles. Wenn man viel erlebt und ausprobiert, lernt man auch dementsprechend dazu. Das Alter kann ein kleines Indiz dafür sein. Aber ich kenne auch Menschen, die in einer Woche mehr erleben, als manche in einem Jahr. Das ist also auch kein ganzheitlicher Maßstab. Schlussendlich haben wir alle dieselben Probleme und es kommt selten aufs Alter an, als auf welchem Level du bist. Je nach Projekt oder Leidenschaft ist man am Anfang unerfahren. Je mehr man macht, desto besser wird man. Dabei entscheidet die Richtung, die man einschlägt, inwiefern man sich in dieser Richtung weiterentwickelt.
Eigentlich gibt es kein wirkliches Rezept für irgendwas. Es gibt ein paar Anhaltspunkte, die einem helfen, aber jedes Leben ist so individuell von Einflüssen geprägt, dass man einfach lernen muss, damit umzugehen und das für sich positiv zu nutzen. Ich habe sehr lange gebraucht, das zu erkennen, und bin noch mittendrin herauszufinden, was das für mich genau bedeutet. Dabei versuche ich, mir nicht selbst im Nacken zu sitzen, dass die Zeit nur so verfliegt und ich auch nicht jünger werde.
Aber es wäre gelogen, wenn ich sage, es belastet mich nicht. Ich wünschte ich hätte früher begonnen, but I didn’t know better then. Gleichzeitig nutzt mir mein Wissen aus den unterschiedlichsten Branchen, in denen ich tätig war, jetzt sehr. Nur deshalb ist das möglich, was ich jetzt mache und wie ich es mache. Ich bin einfach nur sehr froh, dass ich es endlich geschafft habe, das zu leben, was ich bisher nur geträumt habe. Das Thema Zeit und Alter sind für mich ein sehr komplexes und auch auf jeden Fall belastend. Die Gesellschaft und deren Einfluss machen es nicht leichter, aber etwas, das ich mir versuche, zu sagen ist: Wenn du es machen willst, mach es.
„Ich fände Events cool, die vor allem auch unerfahrenen Artists eine Möglichkeit geben mal zu schnuppern, wie diese Welt funktioniert.“
Was würdest du dir für eine diversere Musikszene wünschen?
ELAV: Vielseitiges Booking würde ich sagen. Es gibt jede Woche in jeder Stadt so viele Events. Und ich fände es schön, da mehr durchgemischte Line-Ups zu sehen. Auch gibt es einfach unfassbar viele Newcomer, die coolen Shizzle machen. Ich fände Events cool, die vor allem auch unerfahrenen Artists eine Möglichkeit geben, mal zu schnuppern, wie diese Welt funktioniert. Rhythm & Poetry haben solche Events zum Teil. Ich wünschte, das hätte ich vor ein paar Jahren gewusst, das hätte ich gerne probiert.
Welche Fragen wurden dir häufig gestellt, die einem Mann niemals gestellt werden würden?
ELAV: Ist diese Frage indirekt nicht genau dasselbe? Haha. Ich versuche, mich nicht so sehr darauf zu fokussieren, welche Nachteile dauernd aufgrund meines Geschlechtes bzw. der Wahrnehmung meines Äußeren entstehen, sondern was ich machen kann, um nichts desto trotz in den Dingen weiterzukommen, die ich machen will. Ich war immer schon überwiegend interessiert and Themen, Berufen, Leidenschaften, etc., die männlich dominiert sind/waren und habe mich davon nicht abhalten lassen, es trotzdem zu machen.
Es ist ein großes Problem in dieser Branche und ich versuche mein Bestes, meinen Beitrag zu leisten, es zu einem kleineren Problem zu machen. Aber schlussendlich gibt es auch über das Geschlecht hinaus immer Vor- und Nachteile. In jeder Hinsicht finde ich auch hier die Herangehensweise wichtig, einfach einen Weg zu finden, das zu machen, was man machen will. Ich glaube, es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass es dadurch Unterschiede gibt, aber sich gleichzeitig nicht davon unterkriegen zu lassen und trotzdem Wege zu verfolgen, die einen glücklich machen. Do your thing!
Danke für die Möglichkeit meine Gedanken zu teilen.
ELAV
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