100 Prozent: Morgana Petrik

Mit dieser Serie bündelt mica – music austria die Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen im Musikbusiness. Warum „100 Prozent“? Weil Gleichstellung zu 100 Prozent anstrebenswert ist… und es immer noch viel zu tun gibt. Diesmal im Interview die Komponistin und Leiterin der ÖGZM Morgana Petrik. Im Rahmen der Serie „100 Prozent“ hat sie uns folgende Antworten geschickt.

Welche Personen/Institutionen/Förderprogramme haben dir auf deinem Weg im Musikbusiness weitergeholfen?

Morgana Petrik: Zunächst einmal meine Eltern, die mich während meines Studiums finanziell unterstützt haben. Mein wichtigster Förderer war wohl Prof. Dr. Werner Hackl. Er war der Erste, der eines meiner Werke zur Aufführung gebracht hat, noch dazu eines, dessen Realisation ziemlich aufwändig ist, und er hat mich und drei weitere Kolleginnen in den Vorstand der ÖGZM kooptiert. Beides ereignete sich 2008, als Frauen in Vorständen, insbesondere von Komponisten-Organisationen, noch selten waren. Auch Komponistinnen wurden zu dieser Zeit, jedenfalls in Österreich, mitunter noch mit Skepsis betrachtet.

„Ich habe dann rasch gelernt, wie man erfolgreich Gelder akquiriert, aber auch, wie man Widerstände überwindet.“

Wie und wodurch hast du Erfahrung im Musikbusiness gesammelt?

Morgana Petrik: Von Anfang an in der Praxis. 2006 habe ich erstmals ein öffentliches Konzert mit zeitgenössischer Musik organisiert, für das es nahezu kein Budget gab. Ich habe dann rasch gelernt, wie man erfolgreich Gelder akquiriert, aber auch, wie man Widerstände überwindet. Inzwischen habe ich rund 200 Konzert- und sonstige Veranstaltungen rund um das Thema „Gegenwartsmusik“ durchgeführt. Das eine oder andere Konzert hat es sogar ins Ö1-Radio geschafft.

Was waren die größten Hürden und wie konntest du sie überwinden?

Morgana Petrik: In den ersten fünf Jahren meiner Veranstaltertätigkeit war das fehlende Geld das größte Problem. Als Präsidentin der ÖGZM konnte ich dann Konzertprogramme nach eigenen Vorstellungen gestalten und spannende Kooperationen eingehen, u. a. mit sirene Opertheater, mit diversen hervorragenden Ensembles für Neue Musik, mit dem Wiener Concert-Verein und dem Tiroler Kammerorchester InnStrumenti, aber auch mit Veranstaltern und Klangkörpern anderer Länder. Eine bleibende Herausforderung besteht sicherlich darin, das eigene kompositorische Schaffen nicht zu sehr zugunsten der Organisationsarbeit zu vernachlässigen.

Hattest du selbst passende Role-Models in deinem Umfeld, an denen du dich orientieren konntest?

Morgana Petrik: In meinem unmittelbaren Umfeld gab es die, als ich anfing, nicht wirklich. Ich war ab 2011 die erste weibliche Vorsitzende einer österreichischen Komponist:innen-Plattform, und 2015 die erste Vizepräsidentin der Austrian Composers (vormals: Österreichischer Komponistenbund). Vor zwölf Jahren waren die Leiter der Mitgliedsorganisationen im Österreichischen Musikrat, dem Dachverband der musikbezogenen Organisationen Österreichs, mehrheitlich männlich. Inzwischen hat sich die Situation völlig verändert.

Welche Role-Models gibt es in Hinblick auf Frauen im Musikbusiness aktuell?

Morgana Petrik: Heute kann man aus einer großen Zahl an unterschiedlichen Vorbildern – Künstlerinnen, Kulturpolitikerinnen, Unternehmerinnen – auswählen. Um ein Beispiel für eine Musikerpersönlichkeit zu nennen, die in der wohl letzten Männerdomäne des Musiksektors aktiv ist: Die aus Minsk stammende Organistin und Dirigentin Antanina Kalechyts. Sie sagte mir, dass sie in Belarus unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen weder Dirigentin werden noch Neue Musik machen könnte. Folglich hat sie ihren Lebens- und Schaffensmittelpunkt nach Wien verlegt. Sie ist seit geraumer Zeit Professorin für Gregorianik und Liturgik an der mdw und ständige Dirigentin des Ensembles Reconsil. Ich bin sicher, dass wir noch viel von ihr hören werden.   

„… dass man gelegentlich auch in Opposition zum Mainstream oder Zeitgeist stehen und sich unbeliebt machen darf, wenn die Sache es wert ist.“

Was kannst du selbst weitergeben?

Morgana Petrik: Dass man nicht immer allen gefallen muss, dass man gelegentlich auch in Opposition zum Mainstream oder Zeitgeist stehen und sich unbeliebt machen darf, wenn die Sache es wert ist.

Welche Rolle spielt das Alter für dich?

Morgana Petrik: Man verfügt über einige Erfahrung, ein fundiertes Urteilsvermögen, man ist eine reifere Persönlichkeit und hat gelernt, dass manche Vorhaben nur auf dem langen Weg, durch Beharrlichkeit und Geduld, realisierbar sind. In mancher Hinsicht wird es aber auch schwieriger, sich seinen Optimismus zu bewahren.

Was würdest du dir für eine diversere Musikszene wünschen?

Morgana Petrik: Ich würde mir wünschen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk echtes Interesse am zeitgenössischen Musikschaffen – ich schließe hier alle Genres ein – zeigen würde. Stattdessen werden auf mehreren Sendern die immer gleichen Playlists mit Hits der 80er und 90er Jahre abgespult, und dann wundert man sich über abnehmende Einschaltquoten und den Verlust insbesondere der jungen Hörer:innen. Österreich verfügt über eine reichhaltige, vielfältige und qualitätsvolle Musikproduktion. Diese sollte mittels neuer, attraktiver Radio- und TV-Sendeformate verbreitet und gefördert werden. Ferner würde ich mir wünschen, dass Leitungsstellen im Kultursektor aufgrund der Qualifikation der Bewerber:innen anstatt politisch besetzt würden.  

„Ich vermute, dass Frauen öfter als Männer für unbezahlte oder weniger attraktive Tätigkeiten angefragt werden.“

Welche Fragen wurden dir häufig gestellt, die einem Mann niemals gestellt werden würden?

Morgana Petrik: Wenn ich den Sinn dieser Frage etwas weiter fassen darf: Ich vermute, dass Frauen öfter als Männer für unbezahlte oder weniger attraktive Tätigkeiten angefragt werden. Männer, die einen längeren Zeitraum hinweg im öffentlichen Dienst oder im Kulturbereich gearbeitet haben, werden von ihren Kollegen gefeiert; es wird dafür gesorgt, dass sie ein Ehrenabzeichen erhalten. Von Frauen geleistete Verdienste dieser Art werden weitaus seltener gewürdigt, noch weniger werden sie mit Auszeichnungen durch Stadt, Land oder Bund bedacht. Auch Frauen haben da ihre blinden Flecken – das muss auch einmal gesagt sein. Das nach wie vor verbreitete Denkmuster ist hier offenbar: „It’s her job.“

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Links:
Morgana Petrik (Musikdatenbank)
ÖGMZ