100 Prozent: Milly Groz

Mit dieser Serie bündelt mica – music austria die Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen im Musikbusiness. Warum „100 Prozent“? Weil Gleichstellung zu 100 Prozent anstrebenswert ist… und es immer noch viel zu tun gibt. Dieses Mal im Interview: die Pianistin und Rhythmikerin Milly Groz.

Welche Personen/Institutionen/Förderprogramme haben dir auf deinem Weg im Musikbusiness weitergeholfen?

Milly Groz: Am meisten haben mir Menschen geholfen. Outstanding hier der Support von Sara Zlanabitnig, die mich ermutigt hat, mich für die Jazzklavierprüfung anzumelden, mich zu Fraufeld dazu geholt hat und mir immer wieder erzählt hat, wie es ihr geht und was sie wie angeht. Aber auch viele andere Gespräche mit Musiker:innen – sich auszutauschen und zu hören, was andere wie machen, ist schön und für mich extrem hilfreich. 

Fraufeld hat mir viel geholfen – auf so viele Musikerinnen zu treffen, zu sehen, wie sie arbeiten, und das als Selbstverständlichkeit einzuatmen. Dann habe ich in den letzten Jahren in mehreren Projekten mit Ceren Oran – einer türkische Choreographin und Tänzerin – miterleben können, wie sie sich immer weiter professionalisiert. Und auch wenn die Tanzszene und die Musikszene ganz unterschiedlich funktionieren, habe ich doch viele Themen beobachten können, wo ich mir gedacht habe: „Ah Milly, vielleicht wird das mal in Zukunft für dich relevant”. Benny Omerzell hat vielen Menschen von meiner Musik erzählt und mich darin bestärkt, mein Zeug zu machen. 

Ö1 (Helmut Jasbar) hat mir die Möglichkeit gegeben, live im Radio zu spielen, Kick Jazz und NASOM haben mir mit Kontakten geholfen, aber auch mit diesem “offiziellen” Support einer Institution

Zu guter Letzt: Ich habe in Zeiten, in denen ich auf Grund einer privaten Krise das Gefühl hatte, nix kreativ machen zu wollen/können, angefangen sehr viele Podcasts zu Themen aus dem Musikbusiness zu hören. Da gibts qualitativ sehr große Unterschiede, aber mir haben sie geholfen. 

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„Ich habe ehrlich gesagt das Gefühl, was das Musikbusiness angeht, in den Kinderschuhen zu stecken.“

Wie und wodurch hast du Erfahrung im Musikbusiness gesammelt? Was waren die größten Hürden und wie konntest du sie überwinden?

Milly Groz: Ich habe, was das Musikbusiness angeht, ehrlich gesagt das Gefühl, in den Kinderschuhen zu stecken. Bei MILLYCENT organisiere und bewerbe ich meine Konzerte selbst und versuche, neben meiner Unterrichtstätigkeit das mit dem Booken und Aufnehmen und Albummachen zustande zu bringen. Es fühlt sich manches ineffizient, manches halsbrecherisch und alles very DIY an. Letzteres gefällt mir, aber ich merke, dass ich a la longue mir meine Energien besser einteilen muss. Ich lerne es auch zu schätzen, wenn mehrere Menschen an einem Projekt arbeiten. Beim Gedankenreiseorchester (Jazz&Impro-Konzerte für Kinder) ist alles auf vier Personen aufgeteilt, aber ähnlich DIY – und es ist inspirierend, wenn man sieht, was die anderen für das gemeinsame Projekt tun. 

Ich habe am Anfang von MILLYCENT jeden Gig gespielt, den ich irgendwie bekommen konnte – das geht als Solo-Act auch leichter. Dadurch habe ich schon an ein paar absurden Orten gespielt und auch gemerkt, was alles nicht funktioniert. Das hat mir aber auch gezeigt, was ich alles im Vorfeld kommunizieren und abklären muss und wo meine Musik hinpasst. 

Ein Punkt, der mir sehr geholfen hat ist, dass ich einige Zeit wöchentlich für Wien Konzertempfehlungen zusammengestellt habe. Dadurch habe ich einen Überblick bekommen welche Bands es gerade gibt, wer mit wem wieviel spielt und welche Locations es gibt. Das war natürlich nicht meine Motivation, aber es hat sich im Nachhinein als wertvolles Wissen erwiesen. Zum Beispiel hat Alpine Dweller damals ABSURD viele Konzerte gespielt, was mich dazu verleitet, zu sagen, dass man in allem was Indie-Musik-Business betrifft Joana, Matthias und Flora fragen sollte. Und da die Konzertempfehlungen damals gratis Werbung für Kolleg:innen waren, habe ich dadurch auch viele Musiker:innen kennen gelernt bzw. so erste Kontakte geknüpft. 

Ich habe immer wieder Menschen angerufen und gezielt zu Themen wie Förderungen, Bewerbungen, Crowdfunding usw. gefragt – allerdings überlege ich mir davor gut, wen ich frage und kläre auch, ob das für die Person passt. Und ich versuche auch im Gegenzug, offen für Fragen anderer zu sein.

Eine große Hürde ist für mich mein Zeit- und Ressourcenmanagement. Es fällt mir oft schwer einzuschätzen, was wieviel Zeit und Aufmerksamkeit braucht und ob das sinnvoll ist. Ich verliere mich oft in Tätigkeiten. Außerdem fällt es mir schwer, zwischen Businessthemen und dem „Kreativ sein“ hin und her zu wechseln, ohne dass letzteres verschwindet. Das ist tatsächlich eine große Herausforderung für mich. Ich versuche daher aktuell wieder stärker den Idealismus in meiner Musik zu suchen bzw. das Musikbusiness mitlaufen zu lassen, anstatt ihm zuviel Aufmerksamkeit zu schenken. 

In welcher Form wurdest auf deinem Karriereweg unterstützt? Wo hättest du dir (mehr) Unterstützung gewünscht?

Milly Groz: Die größte Unterstützung für meinen Karriereweg war, dass die Arbeitstätigkeit und das Erbe meiner Eltern es mir ermöglicht haben, zu studieren, ohne mich dabei komplett selbstständig finanzieren zu müssen. Ich habe immer neben dem Studium gearbeitet, aber Miete und Essen haben meine Eltern finanziert. Außerdem haben sie mich später, als ich schon voll als Musikpädagogin gearbeitet habe, ermutigt eine Arbeitsstelle zu kündigen, um mehr selbstständig als Musikerin arbeiten zu können. Da haben sie mich finanziell wieder für circa ein Jahr unterstützt. 

„Ich hätte mir während meines Jazzstudiums mehr Begegnungen mit Instrumentalistinnen aus älteren Generationen der Jazz & Impro-Szene gewünscht.“

Hattest du selbst passende Role-Models in deinem Umfeld, an denen du dich orientieren konntest? Welche Role-Models gibt es in Hinblick auf Frauen im Musikbusiness aktuell? Was kannst du selbst weitergeben? 

Milly Groz: Was ich an meinem Karriereweg interessant finde, ist, dass für mich Repräsentation beruflich sehr prägend war. Die Frauen, die ich als Vorbilder in ihrem Beruf erfüllt und inspirierend wahrgenommen habe, waren lange alle Musikpädagoginnen (als Teenager aber auch während meines Studiums). Da war für mich klar, dass ich eine musikpädagogische Karriere anstrebe. Erst wie ich – vor allem über Fraufeld – mehr FLINTA-Instrumentalist:innen kennengelernt habe, die Konzerte spielen (und nicht hauptsächlich pädagogisch tätig sind), habe ich angefangen, mir das auch selbst zuzutrauen. Ich hätte mir während meines Jazzstudiums mehr Begegnungen mit Instrumentalistinnen aus älteren Generationen der Jazz & Impro-Szene gewünscht. Ich glaube, dass das für mich einen Riesenunterschied gemacht hätte. Dass ich Monika Lang, Karen Schlimp, Elisabeth Harnik, Tanja Feichtmair, Margarethe Herbert sowie (altersmäßig näher und ähnlich relevant) Verena Zeiner, Marlene Lacherstorfer, Angela Tröndle, Violetta Parisini und once again Sara Zlanabitnig in meinen 20ern im Konzert hören, interviewen, bei der Arbeit beobachten, als Arbeitskolleginnen schätzen oder einfach auf CD hören durfte, hat entscheidend dazu beigetragen, dass ich mein eigenes Zeug mache und Konzerte spiele. 

Welche Rolle spielt das Alter für dich?

Milly Groz: Ich habe vor ein paar Jahren festgestellt, dass ich noch nie in einem Konzert einer rappenden Großmutter war und daraufhin beschlossen, dass ich das gern einmal wäre oder zumindest gern jemand kennen würde, der:die das dann ist und deren Musik ich feiere, wenn ich 65+ bin. Dazu habe ich den Eindruck, dass es noch nie eine bessere Zeit gab, um ungeachtet des eigenen Alters Projekte zu realisieren und neue Wege einzuschlagen. Ich freue mich immer, wenn ich mit Musiker:innen aus anderen Generationen in Kontakt komme und merke, wie ihr Erfahrungswissen langfristigere Perspektiven schafft und allgemein beruhigt.

„Ich würde mir eine Abschaffung der letzten Reste von Genrebezeichnungen und den damit einhergehenden Kategorisierungen wünschen.“

Was würdest du dir für eine diversere Musikszene wünschen?

Milly Groz: Ich würde mir eine Abschaffung der letzten Reste von Genrebezeichnungen und den damit einhergehenden Kategorisierungen wünschen. Dass es bei den Amadeus-Awards noch die Bezeichnung World-Music gibt ist weird und peinlich. Ich würde mir mehr Flinta-Personen unter den Veranstalter:innen, Booker:innen, Tonmeister:innen oder an den Lichtpulten wünschen. Ich würde mir mehr finanziellen Support für Studierende wünschen. Und eben mehr rappende Großmütter.

Welche Fragen wurden dir häufig gestellt, die einem Mann niemals gestellt werden würden?

Milly Groz: Ich kann da glücklicherweise keine gehäuften Tendenzen erkennen, nur merkwürdige Einzelfälle.

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Links:
MILLYCENT
Milly Groz (Musikdatenbank)