100 Prozent: Bojidara Kouzmanova

Mit dieser Serie bündelt mica – music austria die Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen im Musikbusiness. Warum „100 Prozent“? Weil Gleichstellung zu 100 Prozent anstrebenswert ist… und es immer noch viel zu tun gibt. In diesem Interview spricht die Violinistin Bojidara Kouzmanova (Kreisler Trio Wien) über ihre Erfahrungen im Musikbusiness.

Wie und wodurch hast du Erfahrung im Musikbusiness gesammelt?

Bojidara Kouzmanova: Durch sehr viel Spielen und selbst Organisieren. Ich spiele hauptsächlich Kammermusik, da ist man weder angestellt, noch sitzt man in einem großen Kollektiv (Orchester), wo sich jemand anderer um alles kümmert. Als Kammermusiker:in muss man sehr viel Eigeninitiative und Organisationsarbeit übernehmen. Ohne die zwei Themen ist eine Karriere unmöglich. 

Was waren die größten Hürden und wie konntest du sie überwinden?

Bojidara Kouzmanova: In jungen Jahren war die größte Hürde das Geld. Auch das habe ich mit Arbeit überwunden. Ich habe mein ganzes Studium mit Unterrichten und Spielen finanziert, was eine der besten Schulen für das Leben war. Mit 30 hatte ich schon mehr als zehn Jahre Unterrichtserfahrung.

„Mir wurden immer Aufgaben aufgetragen, die für viele andere nicht das richtige wären, doch für mich schon.“

In welcher Form wurdest du auf deinem Karriereweg unterstützt?

Bojidara Kouzmanova: Sehr unterschiedlich. Ich wurde nie „protegiert“. Mir wurden immer Aufgaben aufgetragen, die für viele andere nicht das richtige wären, doch für mich schon. Ich habe zum Beispiel sehr viele wertvolle Instrumente eingespielt, habe Zeit mit ihnen verbracht, habe mit ihnen geübt und gespielt. Habe sie kennen und lieben gelernt. Als „Dank“ habe ich gelernt, wie man mit Klang umgeht, wie man aus verschiedenen Instrumenten den Klang herausholt, den man will. Wie funktioniert es mit einer Stradivari, wie geht man mit einer Guarneri um…? Es war eine sehr spannende Zeit, die meine Klangvorstellung – etwas, das ich zur wichtigsten Berufsausstattung einer Musikerin/eines Musikers zähle – sehr erweitert und bereichert hat. 

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Wo hättest du dir (mehr) Unterstützung gewünscht?

Bojidara Kouzmanova: Als Studentin wäre es enorm hilfreich gewesen, wenn ich finanzielle Unterstützung für Kurse und Wettbewerbe bekommen hätte. Ich musste immer doppelt so viel verdienen, wenn ich einen Kurs oder einen Wettbewerb machen wollte. Alle Rechnungen in Wien weiter zu bezahlen plus die extra Kosten für Reise, Unterbringung und Gebühren für den Wettbewerb bzw. Kurs. Das hat die Vorbereitung natürlich sehr erschwert. 

„Es gab sehr viele erfolgreiche Solistinnen, doch Familienleben war ihnen nicht anzusehen und ich wollte immer beides haben.“

Hattest du selbst passende Role-Models in deinem Umfeld, an denen du dich orientieren konntest?

Bojidara Kouzmanova: In der Musik nicht wirklich. Es gab sehr viele erfolgreiche Solistinnen, doch Familienleben war ihnen nicht anzusehen und ich wollte immer beides haben. Je mehr ich aber über die Frauen im Musikbusiness und in der Musikgeschichte gelesen habe, desto mehr habe ich gesehen, dass jede auf ihre eigene Weise mit der Aufgabe, sich zu 100 Prozent in zwei zu teilen, umgegangen ist. Von ihnen, aus eigener Erfahrung und aus einer Ausdauer, die man entwickelt, ohne es davor für möglich zu halten, habe ich sehr viel gelernt. Ich hatte auch das Glück, einige hervorragende Frauen kennenzulernen, die mir gezeigt haben, dass vieles möglich ist, wenn man nicht aufgibt. 

Was kannst du selbst weitergeben? 

Bojidara Kouzmanova: Ein offenes Ohr und ein offenes Herz für sehr viele Probleme, die im Student:innen- oder Berufsleben auftauchen können und dazu sehr viel Erfahrung und den Willen, zu helfen. 

„… ich werde ernstgenommen und dafür respektiert, wer ich bin und was ich kann …“

Welche Rolle spielt das Alter für dich? 

Bojidara Kouzmanova: Für mich eine gute :-). Ich war nie und bin Gott sei Dank schon weit über das Wunderkind-Alter hinaus, ich werde ernstgenommen und dafür respektiert, wer ich bin und was ich kann, was manchen Kolleg:innen mit meinem zunehmenden Alter definitiv leichter fällt. 

Was würdest du dir für eine diversere Musikszene wünschen? 

Bojidara Kouzmanova: Dass es keine Rolle spielt, WER spielt, sondern WIE. Dass die musikalischen Qualitäten einer Musikerin, eines Musikers, über allem anderen stehen und, solang andere nicht zu Schaden kommen, jede und jeder sein kann, wie sie bzw. er will. 

Welche Fragen wurden dir häufig gestellt, die einem Mann niemals gestellt werden würden?

Bojidara Kouzmanova: „Wie schaffen Sie das mit Karriere und Kind?!“ Mein Mann wurde so etwas nie gefragt … 

Abschließend noch eine Anmerkung von Bojidara Kouzmanova:

Die Fragen waren komplex und es ist immer schwierig zu antworten, ohne an eine bestimmte Situation zu denken. Manchmal hatte ich einfach Glück, manchmal war es die jugendliche Naivität, die mich weitergebracht hat, als ich es für möglich gehalten habe. (Wenn man nicht weiß, wieviel man NICHT weiß, lernt man es leichter.) Auf jeden Fall aber war es sehr viel Arbeit. Bis heute ist das die treibende Kraft in meiner Karriere. 

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Links:
Bojidara Kouzmanova-Vladar
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