100 Prozent: Behind the Scenes – Marlene Brüggemann

Mit dieser Serie bündelt mica – music austria die Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen im Musikbusiness. 2025 blicken wir behind the scenes und widmen uns den Personen, die hinter den Musiker:innen stehen. Ungeachtet vorhandener Kategorien, Quoten oder Zuordnungen braucht es uns alle um zu 100% für Feminismus einzutreten.

Welche Art von Unterstützung hast du im Lauf deiner Karriere erhalten? Wo hättest du dir (mehr) Unterstützung gewünscht?

Marlene Brüggemann: Besonders hilfreich war die finanzielle Unterstützung des waffs, des Wiener Arbeitnehmer:innen Förderungsfonds, zu Beginn. Da ich weder eine reiche Familie, die mich unterstützt, noch einen gut bezahlten Job oder Kapital hatte, erleichterte mir dies den Einstieg in die Tontechnik. Durch eine waff-Förderung konnte ich die Hälfte meines toneart Diploms nach Abschluss bezahlen, ca. 2.500 €. 

Unbezahlbar war die Unterstützung durch meine Mentor:innen Gitti Petri, Bernd Neuwirth und Oliver Brunbauer. Alle drei Tontechniker:innen zeigten mir noch vor meiner eigenen Selbstständigkeit ihren Arbeitsalltag und gaben mir kleine tontechnische Aufgaben. So konnte ich meine ersten Erfahrungen machen, Kontakte knüpfen und hatte Ansprechpersonen im Bedarfsfall.

Gewünscht hätte ich mir eine Anlaufstelle oder Bezugsperson, die sich mit dem Arbeitsalltag von selbstständigen Veranstaltungstechniker:innen auskennt und professionelle psychologische Unterstützung anbietet. Der doch recht komplexe und eigenartige Modus des Berufs birgt Herausforderungen. Nach wenigen Jahren habe ich in der Supervision einen tollen Ausgleich für mich gefunden.

Wie und wo hast du Erfahrungen in der Musikbranche gesammelt?

Marlene Brüggemann: HANDS ON, EARS ON! Einfach tun und so viele Konzerte und Jobs wie möglich machen. Leute und Venues kennenzulernen, ist das Beste was dir zu Beginn passieren kann. Da die Veranstaltungs-Branche in der DACH-Region und besonders in Österreich nicht sonderlich groß ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eins sich wieder begegnet sehr hoch. 

Besonders viel habe ich von meinen Arbeitskolleg:innen gelernt und lerne ich noch immer.

„Leistungsdruck und Performance-Angst sind für alle, die so viel vor Publikum, mit oft wechselnden Teams und unter massivem Zeitdruck arbeiten, keine Ungewöhnlichkeit.“

Was waren deine größten Herausforderungen, und wie haben hast du sie gemeistert?

Marlene Brüggemann: Zugriff auf professionelles Material war zu Beginn eine Hürde. Als ich noch nicht viele Kolleg:innen kannte, waren meine Praktika in der Arena Wien und im Konzerthaus Wien besonders wertvoll. Mittlerweile kann ich einfach Kolleg:innen anrufen. Da bin ich in der glücklichen Lage, dass Veranstaltungstechniker:innen sich großteils sehr gern gegenseitig aushelfen und unterstützen. 

Leistungsdruck und Performance-Angst sind glaub ich für alle, die so viel vor Publikum, mit oft wechselnden Teams und unter massivem Zeitdruck arbeiten, keine Ungewöhnlichkeit. Das ist ein Prozess, der für mich nicht abgeschlossen ist. Mir hilft es strenge Pausen nach intensiven Arbeitsphasen einzuplanen, mich durch Therapie begleiten zu lassen, Bücher zum Thema Mental Health und Technik zu lesen und Quality-Time mit Freund:innen außerhalb der Arbeit zu verbringen. Empfehlenswert finde ich zB. „Touring and Mental Health. The Music Industry Manual” von Tamsin Embleton.

Hattest du in deiner Umgebung Role Models, an denen du dich orientieren konntest?

Marlene Brüggemann: Meine Mentor:innen zu Beginn und dann eigentlich alle Kolleg:innen, die meiner Meinung nach einen guten Job machen, also qualitativ hochwertige technische Arbeit leisten und zwischenmenschlich zugänglich sind. 

Besonders beeindrucken mich Veranstaltungstechniker:innen, die sich im Spektrum der Neurodiversität verorten, Suchterkrankungen, chronischen psychischen wie auch physischen Erkrankungen haben, die gut auf sich und andere schauen trotz oft massivem Druck von außen.

Wie können sich Frauen (FLINTA*s) gegenseitig unterstützen und Solidarität in ihrem beruflichen Umfeld fördern? Was können Sie/was kannst du an die nächste Generation weitergeben?

Marlene Brüggemann: Einige Jahre habe ich intensiv beim Pink Noise Camp mitgearbeitet, einem niederschwelligen DIY-Musik-Camp für Teen-FLINTAs. Diese Erfahrung und die gemeinsame Arbeit in einem jungen FLINTA-Team haben mich sehr geprägt. 

Ansonsten ist es recht simpel: FLINTAs gut bezahlte Jobs vermitteln bzw. weitergeben, damit sie ihren Lebensunterhalt damit bezahlen können und nachhaltig im Job bleiben. 

Welche Fragen wirst du gefragt, die einem Mann nie gestellt werden würden?

Marlene Brüggemann: Ich wurde in einem offiziellen Bewerbungsgespräch von einem technischen Leiter gefragt, wie schwer, also wie viele Kilo, ich heben kann. Jede:r, der:die häufiger mit schwerem Material zu tun hat, weiß, dass es nicht nur auf das Netto-Gewicht und Muskelkraft ankommt, ob das Material leicht zu handeln ist oder nicht, sondern auf die vorhandenen Hilfsmittel und die Technik. Diese Frage gab mir genug Einblick in die Unprofessionalität des Interviewers, um den Job selbstbewusst abzulehnen. 

Marlene “Marle“ Brüggemann arbeitet seit 2018 selbstständig als Tontechnikperson in den verschiedensten Bereichen der Live-Veranstaltungsbranche. Marle arbeitet u.a. mit My Ugly Clementine, Voodoo Jürgens, CHRISTL zusammen.

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