Mit dieser Serie bündelt mica – music austria die Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen im Musikbusiness. 2025 blicken wir behind the scenes und widmen uns den Personen, die hinter den Musiker:innen stehen. Ungeachtet vorhandener Kategorien, Quoten oder Zuordnungen braucht es uns alle um zu 100% für Feminismus einzutreten.
Welche Art von Unterstützung haben Sie im Lauf Ihrer Karriere erhalten? Wo hätten Sie sich (mehr) Unterstützung gewünscht?
Nadja Kayali: Die wichtigste Unterstützung für mich waren meine Freund:innen. Gewünscht hätte ich mir eine Mentorin. Zu meiner Anfangszeit waren Frauen in Führungspositionen leider noch nicht so häufig zu finden. Und über Männer in Machtpositionen gibt es genug Berichte… Allerdings habe ich neben einigen sehr negativen Erfahrungen auch positive gemacht. Zum Beispiel bei Ö1. Der damalige Producer des „Pasticcio“, Alfred Solder, der von meiner „Radiostimme“ begeistert war, hat mich gefördert und sich wirklich für mich eingesetzt. So kam ich zum ORF.
Institutionell habe ich nur einmal versucht, mich für ein Förderprogramm zu bewerben. Das war die Frauenförderung im ORF. Als freie Mitarbeiterin hätte ich mir mehr Einblick in den Betrieb und die Strukturen gewünscht. Aber ich wurde abgelehnt, verbunden mit der Frage, ob ich nicht Mentorin sein möchte. Damals war ich sehr frustriert, denn gefördert wurde man offenbar nur dann, wenn man Schwierigkeiten oder Defizite hatte und mir ging es darum, mich weiterzuentwickeln.
Wie und wo haben Sie Erfahrungen in der Musikbranche gesammelt?
Nadja Kayali: Ich habe Musikwissenschaft studiert, bin aber zunächst für mehrere Jahre ans Sprechtheater gegangen (Burg-, Akademietheater, Volksbühne Berlin, Schauspielhaus Hamburg). Dann hat mich der damalige Konzerthausdramaturg Christoph Becher in eine Opernproduktion zu Wien Modern geholt und das hat meinem beruflichen Leben eine neue Richtung gegeben. Danach war ich einige Jahre fest im Opernbereich (Luzerner Theater, Opéra du Rhin) bevor ich freiberufliche Regisseurin und Dramaturgin wurde und nur mehr Projekte abseits des Mainstreams gemacht habe. Da war ich beispielsweise sehr froh, häufig im Rahmen des Arnold Schönberg Centers arbeiten zu dürfen. Im Rahmen meiner Tätigkeit in der Musikredaktion von Ö1 habe ich dann viele Jahre intensiv inhaltlich gearbeitet. Diese Kenntnisse kommen mir heute als Intendantin zugute, ebenso wie die Beschäftigung mit anderen Kulturen, Literatur- und Musikformen.
„Die größte Herausforderung war, dass ich keinen geradlinigen Weg gegangen bin.“
Was waren Ihre größten Herausforderungen, und wie haben Sie sie gemeistert?
Nadja Kayali: Die größte Herausforderung war, dass ich keinen geradlinigen Weg gegangen bin. Es waren immer wieder Haken dabei und unvorhergesehene Wendungen. Daher ging es nicht kontinuierlich voran, sondern in Wellen. Ich habe mich aber von Rückschlägen nie entmutigen lassen und war stets bereit, mich auf ganz neue Situationen einzustellen. „Bequem“ war es nie und immer risikoreich. Aber in einem bestimmten Augenblick hat alles, was ich in meinem Leben gemacht und gelernt habe, plötzlich Sinn ergeben und mich für meinen Traumjob qualifiziert. Und den habe ich jetzt.
Hatten Sie in Ihrer Umgebung Role Models, an denen Sie sich orientieren konnten? Welche Vorbilder haben Frauen in der Musikbranche derzeit?
Für mich war Helga Rabl-Stadler stets jemand, zu dem ich aufgeschaut habe. Ich habe ihre Laufbahn sehr genau verfolgt. Sie hat einen steinigen Weg hinter sich, den sie vor allem durch Ihre Intelligenz, ihre Disziplin und ihren Mut gemeistert hat.
Ich habe als Intendantin des Carinthischen Sommers eine sehr erfolgreiche Frau als Vorvorvorgängerin: Gerda Fröhlich. Sie hat 23 Jahre lang, bis 2003, den Carinthischen Sommer geprägt.
Heute gibt es in allen Bereichen großartige Frauen, die Role Models sein können. Ich denke an Dirigentinnen, Professorinnen, die Rektorinnen der Musikuniversitäten, aber auch an Chefinnen in Verlagen, u.a., nur Intendantinnen gibt es zu wenig!
„Heute gibt es in allen Bereichen großartige Frauen, die Role Models sein können.“
Wie können sich Frauen (FLINTA*s) gegenseitig unterstützen und Solidarität in ihrem beruflichen Umfeld fördern? Was können Sie an die nächste Generation weitergeben?
Nadja Kayali: Ich habe seit zehn Jahren einen Lehrauftrag an der Universität Wien, an jenem Institut, an dem ich einst studiert habe. Dort versuche ich immer wieder gute Studentinnen zu fördern und ihnen Türen ins Berufsleben zu öffnen. Das sehe ich als das Wichtigste an: man muss Frauen etwas zutrauen, auch wenn sie es sich selbst noch nicht zutrauen! Es braucht Aufmerksamkeit, Vertrauen und man muss selbst auch in der Lage sein, auf etwas zugunsten derjenigen zu verzichten, die man fördern möchte.
Welche Fragen werden Sie gefragt, die einem Mann nie gestellt werden würden?
Nadja Kayali: Das könnte ich jetzt nicht sagen, dass mir andere Fragen gestellt werden. Aber ich denke, dass man als Frau alles mit mehr Nachdruck und Achtsamkeit machen muss, denn man wird immer noch anders beurteilt als ein Mann.
Nadja Kayali ist geschäftsführende Intendantin des Carinthischen Sommers. Die Musikwissenschaftlerin, Moderatorin und Journalistin hat zudem als freiberufliche Regisseurin und Dramaturgin gearbeitet. Bis 2024 hatte Nadja Kayali die künstlerische Leitung des Festivals Imago Dei inne.
++++