100 Jahre Österreichischer Komponistenbund 1913-2013

Anlässlich des Symposions „Wien modern? – Reflexionen zur aktuellen Musik“ im Rahmen der ÖKB-Jubiläumswoche im Wiener Konzerthaus wurde die bis 2013 fortgeschriebene und in Buchform erschienene Geschichte des ÖKB präsentiert – eine 160-seitige, im Präsens-Verlag erschienene Chronik. Die bisher vorliegende Festschrift zum 80-jährigen Bestehen, die ebenfalls vom Herausgeber Hartmut Krones verfasst worden war, wurde in den mica-Musiknachrichten (in einer Vorschau auf die Jubiläumswoche) bereits zusammengefasst. Im Folgenden sollen vor allem die nun nachgetragenen letzten zehn Jahre in den Präsidentschaften von Dieter Kaufmann und Klaus Ager (seit 2004) beleuchtet werden.

Neben vielen Ergänzungen der Ereignisse vor 1938, denn danach „ruhte“ die Geschichte der in die reichsdeutsche STAMA übergeleiteten Institution für neun Jahre bis 1947 (und tut es in der neuen Publikation weiter), ist das letzte erwähnte Vorkommnis des „bösen Endes“ 1938 das des „Judenspiegels“: Die große Zahl der alphabetisch gelisteten Namen von jüdischen Komponisten, die im AKM-Mitgliederverzeichnis rot durchgestrichen wurden,  nimmt in dem Buch fortlaufende eineinhalb engbedruckte Seiten ein und lässt noch heute erschauern. Sie reicht von A (wie Paul Abraham) bis Z (wie Erich Zeisl). Im Protokoll der bereits kommissarisch von einem Vertrauensmann der NSDAP geleiteten AKM-Sitzung heißt es auch: „Die Herren Professor Damisch und Wobisch haben als verlässliche Auskunftspersonen der Judenfrage zu gelten.“ Gemeint waren Helmut Damisch, Präsident der Mozartgemeinde Wien, Mitbegründer der Salzburger Festspielgemeinde und 1938 Verfasser eines Artikels über die „Verjudung des österreichischen Musiklebens“; sowie Helmut Wobisch, der spätere langjährige Geschäftsführer der Wiener Philharmoniker und Begründer des Carinthischen Sommers.

Die Aktivitäten der letzten Jahre

Der 2001 den bisherigen Präsidenten des ÖKB Heinrich Gattermeyer ersetzende Dieter Kaufmann koordinierte im neu adaptierten AKM-Haus in der Ungargasse die Arbeiten auf vielfältigen Gebieten. Man vereinbarte die Präsenz aller Mitglieder in der Internetdatenbank von mica – music austria, schuf eigene Bundesländerreferenten, veranstaltete Diskussionsrunden, es gab Austauschkonzerte in Bulgarien und Slowenien samt Gegenbesuchen in Wien, im Karajan-Zentrum bis 2006 die Reihe „Komponisten zum Anfassen“. Die „U-Sparte“ förderte Jazz-Komponisten und -Ensembles, auch Bigbands, der Wettbewerb „Hit Search“ suchte neues Songmaterial, auch in Kooperation mit dem Österreichischen Blasmusikverband und Landes-Musikschulwerken wurden Kompositionswettbewerbe ausgerichtet. Im Haus der Komponisten fanden Konzerte unter dem Titel „Komponieren in Österreich“ statt.

Unter dem derzeitigen Präsidenten Klaus Ager erfolgten weitere Kompositionswettbewerbe für Solo- und für Chorwerke, wichtig war dann der 2006 im Musikverein abgehaltene Kongress „Komponieren im Europa des 21. Jahrhunderts“, dessen nationale Planungsgruppe neben Frank Stahmer als Organisator auch Klaus Ager, Ulrich Gabriel, Hannes Heher, Ulf-Dieter Soyka und einen Vertreter der U-Musik umfasste. International waren Klaus Ager für Österreich, Manfred Trojahn (D), Ulrich Gasser (CH) Geurt Grosfeld (NL) und Egon Krak (SK) in der Planungsgruppe. Vertreter aus 32 Ländern verabschiedeten eine Vienna Declaration als „Letter of Intent“, der Absichtserklärung zur Gründung eines europäischen Dachverbandes der nationalen Komponistenverbände – der European Composer and Songwriter Alliance (ECSA). Diesem gehört als Präsident wiederum Klaus Ager an, aus dieser Institution ging auch das European Contemporary Composers’ Orchestra hervor.

In den vergangenen Jahren war besonders für die U-Sparte die Produktion zahlreicher CDs von Bedeutung, auch in der E-Musik wurden solche gemeinsam mit IG Salzburg, IGNM, KIBU und mica – music austria unter dem Titel „Gratwanderung“ herausgegeben, im Zentrum stehen zwischen 1975 und 1984 geborene Komponisten wie Johannes Berauer, Bernd Richard Deutsch, Hannes Duffek, Sonja Huber, Peter Jakober, Manuela Kerer, Matthias Kranebitter, Julia Purgina, Eva Reiter, Judith Unterpertinger, Ernst Wally, Thomas Wally – um nur einige zu nennen.

Ein neu eingerichteter „Senat“ musste wieder einmal feststellen, dass in den Programmen bei Orchesterkonzerten großer Häuser die Präsenz lebender österreichischer Komponistinnen und Komponisten bei noch dazu wenigen wiederkehrenden Namen nur sehr gering ist. Bei der von den Musikverbänden gemeinsam ausgerichteten „Parlamentarischen Enquete Musik“, die 2008 im Nationalrat stattfand, setzte sich Klaus Ager als Vertreter der KomponistInnen vehement für die Initiative „SOS Musikland / für mehr österreichisches Musikschaffen im Rundfunk“ ein. Wichtige Initiativen bilden die seit 2008 bestehenden „Composers’ Lounges“ in verschiedenen Sparten und Orten; seit 2012 gibt es auch einen „Composer- & Songwriter-Stammtisch. Kooperationen bestehen seit 2008 mit dem „ensemble reconsil“ und dem Arnold Schönberg Center, der Fachhochschule St. Pölten, unterstützt wurde auch der Verein „Platypus“; mit dem Verein „Pons Artis“ werden in einer Konzertreihe im Musikverein Komponisten aus Süd-Ost-Europa bei musikalischen Porträtabenden präsentiert. Unter dem Motto „Jugend komponiert“ arbeitet der ÖKB mit dem Blasmusikverband bei bundesweiten Wettbewerben zusammen.

2013 wurde als neue dritte Fachgruppe eine spartenübergreifende „AG Film- und Medienmusik“ eingerichtet. Zu den ÖKB-Aktivitäten sind etwa auch „Film Composers’ Lounges“ zu rechnen, etwa im Rahmen eines Filmmusiksymposions und bei Filmmusiktagen. Hartmut Krones beschließt in einem Ausblick die Chronik mit den Worten: „Es werden Konzerte, Gesprächsrunden, Wettbewerbe und pädagogische Initiativen stattfinden, CDs erscheinen, vor allem aber wird es weitere Kämpfe für die berechtigten Interessen der Komponistenschaft geben – und für den Weiterbestand des ‚Musiklandes Österreichʻ, das dem ÖKB – im Gegensatz zu vielen anderen Institutionen – nicht nur Lippenbekenntnis ist. Und das seit 100 Jahren.“

Im Anhang der neu aufgelegten Publikation findet sich auch ein von Katharina Bleier erstellter interessanter Überblick über die Schallplatten- und CD-Produktionen des Österreichischen Komponistenbundes ab den 1960er Jahren, chronologisch geordnet nach Reihen der Arbeitskreise E- und U-Musik. Auf der hinteren Umschlagseite des Buches findet sich als AKM-Einschaltung auch ein Satz, der wohl als eines der wichtigsten Mission Statements des ÖKB gelten darf: „Angesichts des inzwischen immer häufiger versuchten Zugriffs der globalisierten Medienmacht auf urheberrechtlich geschützte Werke hat sich in den letzten Jahren zudem in vermehrtem Maße die Notwendigkeit ergeben, das Recht der Komponistinnen und Komponisten auf ihr geistiges Eigentum zu verteidigen sowie langfristig zu schützen, was wohl nur durch den – inzwischen sowohl hergestellten als auch institutionalisierten – internationalen Schulterschluss der Komponistenverbände sowie der Urheberrechtsgesellschaften möglich sein wird.“

Heinz Rögl