Geboren und aufgewachsen ist die Geigerin Irene Kepl in Linz, wo sie auch studiert hat – klassische Violine bei Arkadi Winokurov und Jazz bei Andreas Schreiber. Sie zeigt sich im mica-Gespräch begeistert davon, wie Schreiber die Musik nicht nicht nur doziert, sondern sie leidenschaftlich Musik erlebt. Sie zeigt sich zugleich auch froh darüber, Bach-Solosonaten spielen zu können. Schon während des Studiums reift in ihr der Entschluss, Komposition danach autodidaktisch weiterzuentwickeln, um die Begegnung mit großen Musikerpersönlichkeiten zu forcieren. Es folgen Arbeiten fürs Landestheater, fürs Programm von Linz09 – Kulturhauptstadt Europas, aber auch für etliche Stummfilme im Linzer Cinematograph.
Das Schaffen der 31-jährigen Geigerin kreist um die beiden Magnetfelder Komposition und Improvisation und zielt zunehmend auf deren Annäherung. Eine wesentliche Kompositionen heißt rise, für das sie den 2. Preis beim Gustav Mahler Kompositionswettbewerb erringen konnte. Lass die Moleküle rasen, ein Stück nach Christian Morgensterns Galgenliedern, nennt sie ein Konzertprogramm samt eigener Komposition. Gut zehn Aufführungen hat das Programm bereits hinter sich, darunter beim Klagenfurter New Adits-Festival, im Linzer Brucknerhaus und in der Wiener Alten Schmiede. In ihrem Stück get weaving! thematisiert Kepl Beziehungen unter MusikerInnen, ihre Schichtungen, ihre Hierarchien. Sie versteht get weaving! als Gratwanderung zwischen Festschreiben und Offenlassen, zwischen Bindung und Freigabe.
Viele Betätigungsfelder
Seit vergangenen Herbst geistert Kepl das Konzept für ihr neues Ensemble Verso im Kopf herum. Diese sollte kein Vehikel für eigene Stücke sein, sondern eines, wofür sie nach KollegInnen Ausschau hält, die selbst programmatisch etwas beitzutragen haben, die sowohl in Improvisation als auch in Komposition und Konzeption beschlagen sind. Verso ist auch als Spiel mit verschiedenen Besetzungen inszeniert, der Weiterbestand soll sich wie von selbst entwickeln. In Violet Spin wiederum nimmt Irene Kepl die Herausforderung an, jazzige Rhythmik und freie Improvisation in einem Streichquartett zu etablieren. Das erfordert, wie Kepl sagt, “ein Mindestmaß an Frechheit bei allen Beteiligten”. Von unabdingbarer Offenheit für Neues, Gewagtes ganz zu schweigen.
Mit Mark Holub, einem US-Schlagzeuger, der lange Jahre in London lebte und kürzlich nach Wien übersiedelte, betreibt sie ein Duo, an dem sie u.a. die ungewöhnliche Besetzung reizt. Kepl: “Gleich unser erstes Aufeinandertreffen wurde dokumentiert. Wegen der überraschend hohen Qualität haben wir es unverändert gelassen.” – Mit Ausnahme der Verwendung einer Loopstation, die eine von Kepl erwünschte zusätzliche Ebene ins Spiel bringt. Zusammen mit Holub formiert Irene Kepl momentan eine nagelneue Combo namens Lobster, der auch der Kontrabassist Bernd Satzinger und der Saxofonist Werner Zangerle angehören.
Und wenn die multiaktive Geigerin gerade nicht mit den genannten KollegInnen musiziert oder Balkan-Partymusik mit Jazzwa und mit Romanovstra aufführt oder Musik der 50er Jahre mit Birgit Denk & die Novaks, kümmert sie sich als Veranstalterin um die Linzer Konzertreihe Musik im Raum, die sie zusammen mit dem Komponisten Gerald Resch konzipiert hat. Dafür kooperiert sie, in Ermangelung einer eigenen Räumlichkeit, mit bestehenden Locations, wie etwa der Tabakfabrik oder dem Keplersalon.
Daneben sammelt Irene Kepl noch Material für ein Solokonzert, das sie im November in der Linzer Galerie Maerz spielen wird. “Solo zu spielen, ist generell ein Abenteuer”, erzählt sie, “dabei geht es mir darum, das Material in einen passenden Kontext zu stellen.” Weit gediehen ist auch bereits die Formierung eines Improvisationsorchesters nach Wiener und Grazer Vorbild im Alten Schl8hof Wels. Geleitet wird das GIS Orchestra von Gigi Gratt, Irene Kepl möchte regelmäßig daran teilnehmen. “Und überhaupt möchte ich ab diesem Herbst wieder richtig viel spielen.”
Andreas Fellinger
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