Porträt: Texta

Was die öffentliche Kommunikation und Wahrnehmung betrifft, so erfährt das Genre Hip Hop generell eine ziemlich verzerrte Darstellung. Goldbehängte Millionäre rappen, vor der Kulisse ihres Luxusanwesens, vom harten Leben auf der Straße, während sie sich von leicht bekleideten Frauen, sofern diese nicht gerade dabei sind, booty shakend Sportwagen zu waschen, beim Anzünden ihrer Zigarren mittels Geldscheinen feiern lassen. Dass es abseits derartiger Bild- und Ton-gewordener Klischees auch eine vielfältige Szene von Musikern gibt, deren Motivation, abseits der eigenen Selbstdarstellung, der Wunsch ist, sich auszudrücken, steht für all diejenigen, die dazu bereit sind, unter die lächerliche Oberfläche zu dringen, wohl außer Frage. Sowohl Pioniere als auch, nach wie vor, mit die wichtigsten Vertreter dieses “anderen” Hip Hop sind hierzulande Texta, die mittlerweile den Status als Geheimtipp schon lange hinter sich gelassen haben.

Gegründet wurde das Quintett, bestehend aus vier MC’s (Philipp Kroll alias Flip, Harald Renner alias Huckey, Klaus Laimer alias Laima, Martin Skerwald alias Skero)  und einem DJ (Daniel Reisinger alias DJ Dandaman), im Jahr 1993 aus dem scheinbar nie versiegenden Kreativitätsfluss des Linzer Kapu-Umfeldes heraus. Bevor allerdings die eigene Bestimmung in Rhymes und Beats gefunden wurde, konnten die meisten Texta-Mitglieder bereits auf eine langjährige musikalische Sozialisationsphase innerhalb der örtlichen Punk- und Hardcore-Szene zurückblicken. So kann auch Huckey’s Erinnerung an diese Tage großteils exemplarisch für die ganze Band gesehen werden. “Ich habe auch viel in Hardcore-Bands, wie etwa Target Of Demand, Seven Sioux oder Schwester, gespielt, was mir mit der Zeit allerdings, meine Bandkollegen können davon ein Lied singen, dann auch gereicht hat. Hip Hop war dann einfach ein gefundenes Fressen – für mich als Schlagzeuger, aber auch für mich als Liebhaber von Liedtexten. Mir erschien das als revolutionärer Zugang, Texte für Musik zu schreiben. Ich habe mich immer dafür interessiert, wie Songtexte aufgebaut werden, wie sie entstehen, worum es gehen kann, etc. und in dieser Hinsicht war Hip Hop für mich ein richtiges Brett vor den Kopf. Es war eine ganz andere Art von Texten, durch die es – aufgrund der Textmenge – auch möglich war, ganz andere Messages zu transportieren.”

Und diese Messages wurden schließlich noch im selben Jahr 1993, unterlegt von Beats, zum ersten Mal einem Live-Publikum vorgestellt. Dabei zeigte sich, dass nicht bloß die neue Art zu Texten für (nicht immer positive) Aufmerksamkeit sorgte, sondern auch der Konzertablauf selbst. “Von den Linzer Gitarrenjüngern kam damals oft der Vorwurf, dass wir eigentlich gar keine richtige Musik machen würden, da sie ja nicht auf der Bühne entsteht. Natürlich ist das Blödsinn, weil wir die Musik ja auch machen müssen, nur eben nicht während, sondern vor dem Konzert. Damals ist sie vom DAT gekommen, heute halt von der Platte.” Allen Schmähungen seitens diverser Musikerkollegen zum Trotz, war die Freude an den neu entdeckten Ausdrucksmöglichkeiten sowie auch das Publikumsinteresse so groß, dass im Jahr 1995 erst einmal ein Tonträger her musste. Dieses Vorhaben wurde schließlich mit dem Release der Vinyl-Only-EP “Geschmeidig”, erschienen auf dem Wiener Label Ducksquad Records, in die Tat umgesetzt. Gerade auch die kreative Vielfalt und musikalische Heterogenität dieser Platte, haben sie mittlerweile zu einem regelrechten Klassiker des heimischen Hip Hop werden lassen; das Stück “3 Uhr 10” etwa zeigt sich heute ebenso zeitlos, wie auch schon vor knapp 15 Jahren.

Nach diesem fulminanten Start wurden sogleich im Jahr darauf noch die Stücke “Sei Lieb Zu Mir” und “Da Raw Shit” ans Presswerk und von dort wieder heraus eine 12″-Platte geliefert, die nahtlos an das Vorgängerwerk anschließen konnte. Mit derart reichlich Songmaterial im Gepäck ließ es sich das Quintett schließlich nicht nehmen, ein Konzert ums andere zu spielen, unter anderem auch mit Fettes Brot, Massiven Tönen, Jovanotti und Advanced Chemistry. Zudem wurden auch noch Stücke zur Veröffentlichung auf diversen Samplern bereitgestellt, die ihr Übriges taten, um mehr und mehr aufgeschlossene Musikfreunde auf die Band aufmerksam zu machen.

Vor, zwischen und nach all diesen Live-Auftritten war allerdings noch genügend Zeit, Motivation und Kreativität übrig, um neue Beats und Texte zu schreiben, die ihren Weg schließlich auf das erste Texta-Full-Lenght-Album “gediegen” (Hoanzl / Geco Tonwaren) gefunden haben. Darauf wurde zwar die Party-Kompatibilität etwas nach unten geschraubt, allerdings zugunsten einer merkbaren Fokussierung auf Konsistenz und Eigenständigkeit. Die Texte wurden lyrischer eingefärbt und ein unspektakuläres Geschichtenerzählertum, über zurückgenommene Beats hinweg vorgetragen, kultiviert. Der Schaffensprozess selbst gestaltete sich hier aber ebenfalls nach dem altbewährten und bis heute weitgehend beibehaltenen Schema: “Die Songs werden gemeinsam konzipiert und die Rap-Parts schreibt dann jeder für sich. Anschließend wird das Ganze über Beats, die meist Flips Reglern entspringen, wieder zusammen gesetzt”.

Weniger altbewährt, und zwar nicht bloß für Texta, sondern im gesamten Genre, ist es allerdings, als Hip Hop-Band ein reines Instrumental-Album aufzunehmen. Genau das haben Texta allerdings im Februar 1998 mit der LP mit dem mehr als passenden Namen “Geschwiegen” gewagt und damit prompt ins Schwarze getroffen. Will heißen, die Platte hat ebenso sprachlos gemacht, wie sie selbst war und dementsprechend sich bis nach Japan und sogar die USA verkauft. Der Titel “Walkmania” wurde dann auch noch mit einem (mit finanziell minimalstem Aufwand produzierten) Video geadelt und in diversen Spezialsendungen auf VIVA und MTV in Rotation geschickt. (Die Älteren unter den Lesern erinnern sich vielleicht; dort wurde tatsächlich auch mal Musik gespielt.) Anlässlich dieser Veröffentlichung tourte die Band auch, gemeinsam mit Blumentopf und Total Chaos, quer durch Deutschland.

Das Jahr 1999 gestaltet sich für Texta, mittlerweile wieder zurück aus dem Norden, ebenso produktiv wie abwechslungsreich. So werden neben diversen Sampler-Beiträgen auch eine Single, eine 12″-Platte sowie ein neuer, mittlerweile der dritte, Longplayer veröffentlicht. Letzterer hört nicht, wie ursprünglich geplant, auf den Namen “Genial”, sondern trägt den Titel “Gegenüber”. Hierauf wird die mit dem Vorgänger eingeschlagene Richtung konsequent weiter verfolgt und der bandeigene Erzählstil noch verfeinert. Einige der Stücke wurden zu regelrechten “Hits”, darunter vor allem die Dialekt-Schau “Sprachbarrieren”, der sympathische Battle-Track “Zahltag” sowie “Worlds”, das unter Beteiligung von Akil von Jurrassic 5 entstanden ist. “Gegenüber” ist jedoch auch durchzogen von sehr ruhigen Stücken voller Selbstzweifel, die, unter anderem, einer Reihe von persönlichen Schicksalsschlägen während der Produktionszeit entspringen.

Mit diesen Tracks, wollten Texta aber auch “eine Antithese zum Großteil des in Deutschland produzierten Krams schaffen und es ging auch um eine bewusste Reduktion des Spaßfaktors sowie eine verstärkte Öffnung gegenüber Themen, die innerhalb des Genres als eher unkonventionell und untypisch gelten”. Dass nicht nur textlich neue Höhen erklommen wurden, sondern auch das musikalische Level in Sachen Komplexität mittlerweile ziemlich beeindruckend war, hört man dann wohl am deutlichsten auf der 12″-Veröffentlichung “Vis-a-Vis”, auf der sich abermals ausschließlich rein instrumentale Tracks, insgesamt neun Stück, finden lassen. Gleich im Mai des nächsten Jahres wurde auch schon die EP “Sprachbarrieren” nachgeschoben, die mit zwei neuen Titeln aufwarten konnte, sowie Remixen des New Yorker DJs I-Cue. Das zugehörige Video schaffte es sogar bei den Flash 5 auf VIVA Mixery Raw Deluxe auf den Ersten Platz.

Im Jahr darauf trug auch die gemeinsame Tour mit Blumentopf und Total Chaos Studiofrüchte und so wurde unter dem Projektnamen “Kaleidoskop” eine EP mit den Ergebnissen des Zusammenwerkens unters Fanvolk gebracht. Dies war allerdings nur der Vorbote eines umfangreicheren Texta-Werks namens “Blickwinkel”, welches schon wieder das nächste Studioalbum darstellen sollte und mit dem sich die Band erstmals in den österreichischen Albumcharts platzieren konnte. Auch hier gehen die Texte gewohnt tief und unterscheiden sich einmal mehr vom großen Rest anderer Hip Hop-Veröffentlichungen. Im Stück “Casino” etwa wird locker aus vier verschiedenen Perspektiven über Spielsucht philosophiert und wenn man schon beim Thema “Philosophie” ist, gleich noch in “Kanten” dem Hörer, richtig, das Kant’sche Werk näher gebracht. (Da könnte man glatt in sinnfreie Gedankenspielereien á la “Spiele Musik nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde” verfallen – oder so ähnlich.) Obwohl sich das beim Lesen hier vielleicht trocken anhört, so steht auch dieses Album in der Texta-Tradition, sich ganz einfach für lange Zeit nicht vom Plattenteller kriegen zu lassen, gleichrangig neben allen anderen. “Blickwinkel” weiß jedenfalls sowohl textlich als auch musikalisch auf ganzer Länge zu beeindrucken und bei jedem Hördurchgang andere Aspekte zu beleuchten. Im Herbst desselben Jahres waren Texta außerdem dazu auserwählt, eine Hälfte zur ersten Zusammenarbeit zwischen Rumänen und “Westeuropäern” beizutragen. Hierbei arbeiteten sie mit der rumänischen Crew Parazitii zusammen, auf deren Album auch das Ergebnis dieser Kollaboration in Form des Tracks “From Bucuresti to Linz” verewigt wurde.

Lange ausruhen konnte und wollte sich das Quintett allerdings nicht auf seinen Erfolgen, denn das Jahr 2003 wurde weitgehend dazu verplant, das neue Album “So Oder So” aufzunehmen. Die Texte hierfür wurden dabei erstmals auch anhand eines neuen Schaffensprozesses kreiert: “Wir haben uns für vier Tage in den Bergen, in Lauffen, quasi eingesperrt und an den Texten herum gebastelt. Das war ein richtiger Marathon, der sich allerdings auch wirklich gelohnt hat.”

Anfang des folgenden Jahres war es dann auch schon so weit und dieser mehr als würdige Nachfolger zu “Blickwinkel” wurde aus der Taufe gehoben. Neben den bekannt hochwertigen Texten und Reimen ist zu bemerken, dass bei dieser Platte die Refrains noch eine Spur eingängiger ausgefallen sind und man den Stücken einen gewissen Pop-Appeal nicht absprechen kann – freilich, ohne dabei oberflächlich oder gekünstelt zu wirken. Besondere Sorgfalt wurde auf “Blickwinkel” dem Aspekt “Sprache” beigemessen – so findet sich derer hierauf nämlich gleich eine Fülle an unterschiedlichen Ausprägungen. Es wurden wieder die gewohnten Dialekt-Nummern verewigt, aber auch die prägnanten Stimmen und Wortakrobatiken zahlreicher Gäste, wie etwa dem Wiener Crooner Louie Austen, den deutschen Blumentopf, Sektion Kuchikästli aus der Schweiz, OneIIMany aus Kroatien und noch einigen mehr, die dem Album einen kosmopolitischen Anstrich verleihen.

Gleich mit der ersten Auskopplung “Hediwari” stürmte man sowohl Platz 1 der FM4-Wochencharts als auch Platz 7 der Jahrescharts. Zur zweiten Single-Auskopplung “So oder so” wurde mit der Linzer Filmfirma VeryVary ein Video gedreht, das quasi rund um die Uhr beim Musiksender GOTV im Einsatz war. Als dritte und letzte Auskopplung ist im Herbst 2004 die EP “ALT” erschienen, auf der unter anderem wieder mal die alten Kumpels von Blumentopf zu hören sind, aber auch die Youngblood Brass Band sowie ein Remix von DJ Sepalot. Außerdem wurde hierzu ein Video von Paul Poet gedreht, in dem auch der Obdachlosenchor vom Augustin einen stimmgewaltigen Auftritt hat.

Im Anschluss an das Album bzw. dessen periphere Tonträger-Zugaben wurde dann auch wieder der Tourbus vermehrten Belastungstests unterzogen, sowie die Schallmauer von 300 gespielten Konzerten durchbrochen – und mittlerweile bloß noch auf einen, bereits längst in der Vergangenheit liegenden, Punkt in der Bandhistorie reduziert. Aber auch im Studio ist man nicht untätig geblieben und so folgte 2005 eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts “Kaleidoskop” und ein Jahr später wurde zudem unter dem Pseudonym “Die Unsichtbaren” das Konzeptalbum “Schwarze Erde” veröffentlicht, an dem neben der Texta-Gang noch jede Menge andere Künstler aus deren Umfeld beteiligt waren.

Dass die Produktivität damit noch lange nicht ausgereizt war, wurde kurzerhand mit dem Album “Paroli” unter Beweis gestellt, das man sich 2007 unter den Weihnachtsbaum legen durfte. Obwohl diese Platte, im Vergleich zum letzten Output unter eigenem Namen, klanglich etwas weniger experimentell ausgefallen ist, so ist es unterm Strich wieder ein typisches Texta-Album geworden. Ernstere Themen, wie Religion (“Um Gottes Willen”), Imperialismus (“Weltpolizist”) oder die Auseinandersetzung mit Selbstzweifeln, sind in den souverän und mal hochdeutsch, mal im Dialekt vorgetragenen Raps ebenso zu finden, wie humorvolle Alltagsbegebenheiten. Die Gästeliste (Average MC, Nikitaman, Wenzel Washington, Attwenger) wurde nach dem altbewährten Prinzip “Qualität vor Quantität” bewusst kurz gehalten, dafür sind die unter fremder Beteiligung entstandenen Stücke aber durch die Bank veritable Hits, allen voran die Attwenger-Kollaboration “Schaun”, die an manchen DJ-Plattentellern geradezu festgewachsen schien.

Wenn auch bisher seit “Paroli” kein neues Texta-Album mehr erschienen ist, so darf man nicht glauben, die einzelnen Mitglieder würden irgendwo untätig herum lungern und sich die Sonne auf die Bäuche scheinen lassen – vielmehr ist hier die überschüssige kreative Energie in diverse Nebenprojekte eingeflossen. Neben dem Charts stürmenden Texta-Beitrag für den Soundtrack zum Film “Echte Wiener – Die Sackbauer-Saga”, hat sich etwa Huckey mit dem Linzer Average zusammen getan, um die Struwelpeter Story, auf sechs Tracks verteilt, in ein modernes Gewand zu packen. Und Bandkollege Skero hat sich gleich mal alleine im Studio eingeschlossen und in Folge im Juni 2009 sein Soloalbum “Memoiren eines Riesen”, mit 16 Stücken, veröffentlicht. Flip wiederum hat sich in diesem Jahr verstärkt der Produzententätigkeit gewidmet und das neueste Werk, “Rotwild”, der Münchner Rapperin FIVA produziert, auf dem er auch als Gast-Rapper stimmlich in Erscheinung tritt.

Das für die heimische Musiklandschaft wohl nachhaltigste “Nebenprodukt” der Band Texta ist aber wahrscheinlich die Gründung des eigenen Labels “Tonträger Records”. Hierauf werden regelmäßig österreichische Newcomer-Crews, wie etwa das Rap-Duo Rückgrat, Kayo & Phekt, Die Antwort und einige andere mehr, produziert und veröffentlicht. Allein dieser Unterstützung junger Nachwuchs-Talente ist es wohl auch zu verdanken, dass es heute in Linz eine sehr aktive Rap-Szene gibt, an deren Spitze sich Texta aber wohl noch für lange Zeit tummeln werden.
Michael Masen

Diskographie:

1994 Geschmeidig
1997 Gediegen
1998 Geschwiegen
1999 Gegenüber
1999 Vis-a-Vis 12″
2001 Sprachbarrieren 2×12″
2001 Verstanden 12″
2002 Blickwinkel
2002 Wer? 12″
2004 So oder So
2005 Alt EP 12″
2007 Paroli
2007 So Könnts gehen 12″

Fotos: Flo Maucher

 

http://www.texta.at/