Tanzbarkeit ist so etwas wie die tragende Säule im Soundkosmos der Wiener Band DELADAP. Der Mastermind des Projekts, der Musiker, DJ und Produzent STANI VANA, bedient sich für seine Folklore-Disco an allerlei Spielweisen und Lesarten des Gypsy, sowie der volkstümlichen Musik Osteuropas und Kleinasiens. Seit 2006 veröffentlichte die Gruppierung, die für ihre Releases jeweils eine Vielzahl an Gastmusikern um sich schart, im 2-3 Jahres-Takt höchst publikumswirksame Platten, die in der ethnoaffinen Szene immer zu mittleren Großereignissen geraten.
Zugegeben: Das Kleiden traditioneller Roma- und Balkankultur in ein urbanes, beatlastig pulsierendes Soundgewand ist ein Wesenszug, den DELADAP mittlerweile mit einer Vielzahl anderer Proponenten der Weltmusikszene teilen müssen. Immerhin jedoch darf die Band für Österreich im Allgemeinen und Wien im Besonderen eine Art Wegbereitertum für sich reklamieren, hat sie doch maßgeblich an der Etablierung dieses speziellen Sounds in unseren Breitengraden teilgehabt.
Begonnen hat alles Komponieren im engen Verbund mit Pianist Tibor Barkoczy und Sängerin Melinda Stoika, die gemeinsam mit Stani Vana für den originären DELADAP-Sound verantwortlich zeichneten. In den Folgejahren wurde der Bandkosmos sowohl in der Genreauswahl als auch personell in großem Stil erweitert, sodass sich mittlerweile ein Pool von etwa 30 Band-Associates herausgebildet hat. Im Zuge der ausgiebigen Konzerttourneen war denn auch ein weniger soundtüftelnd als vielmehr homogen-intuitiver Zugang zum Songwriting entstanden. So konnte im Rahmen dieser längerfristigen musikalischen Reisen, welche selbstredend auch gemeinsames Improvisieren abseits der tatsächlichen Auftritte beinhalteten, ein Zusammenwachsen der je musikerspezifischen Klangräume gefördert werden – was sich in spontaner wirkenden Songs und kohärenteren Albenzusammenstellungen niederschlug. Im Kern dieser Gruppierung haben sich mittlerweile folgende Instrumentalisten bewährt: Aleksander Stoijic – Gitarre, Jovan Torbica – Double Bass, Alen Dzambic – Akkordeon, Pavel Shalman – Violine, Simona Senkiova – Vocals und Kristina Gunarova – ebenfalls Vocals.
Die Abwesenheit eines analogen Schlagwerks bei Live-Sets hatte interessanterweise nie Einschränkungen im Bereich der Songflexibilität zur Folge: DJ Stani Vana hat seine grundierende Rhythmusmaschinerie und seine interaktiven Tools in einer Art und Weise im Griff, die es ihm erlaubt ebenso spontan und frei in die Darbietung einzugreifen wie seine Mitmusiker. Gleichzeitig wird damit der Raum für improvisatorische Binnen-Gustostückerl geöffnet und ein Entstarren der für das Album kreierten Song-Form erreicht. Mehr noch, man könnte gar von zwei Gewändern sprechen, welche für jeden einzelnen Song geschneidert werden: „Die Stücke müssen […] an den Livebetrieb angepasst werden. Da kommen dann manche Feinheiten weg, die beispielsweise im Wohnzimmer ganz gut ankommen – generell ist es so, dass für die Live-Darbietungen alles eher vereinfacht wird“, so Stani Vana einst im mica-Interview.
Bleibt die Frage nach dem gesellschaftspolitischen Stellenwert von DELADAP. Jede Band, die in ihrem Schaffen die musikalische Tradition einer Volksgruppe transzendiert, gibt damit zweierlei zu verstehen: Zum einen den Konnex zu einer überkommenen Weise des Musizierens – dies vorrangig dann, wenn ein persönlich-familiärer Bezug seitens der Bandmitglieder gegeben ist – und zum anderen den Willen, diese ihrem autochthonen Schoß zu entheben und lebendig fortführend in neuen Bezügen aufgehen zu lassen. Dieses Moment des Wegbewegens von der je aktuellen Ausformung einer Folklore – die Verweigerung der bloßen Affirmation, die relevante Künstler auszeichnet! – findet sich nun auch im Schaffen von DELADAP. Allerdings werden diese verschiedenen Einflüsse weniger im Rahmen ihrer selbst weiterentwickelt als vielmehr in urbane Soundtopografien und im besten Sinne abwegige Konstellationen überführt.
Letzten Endes möchte Vana, dem seit März 2013 Tania Saedi als neue Sängerin zu Seite steht (sie ersetzte Melinda Stojka, die die Band verlassen hatte), der Musik auch nicht zu allzu viel aufbürden. Sie kann keine soziopolitischen Berge versetzen, immerhin jedoch schlummert in ihr das Potential der Annäherung und des Nachfragens – „beispielsweise was sind Roma, wo kommen die her, […] was verkörpert diese Minderheit, usw.“ Jene Art der Nationalitätenverständigung, die Bands wie diese zu leisten vermögen, entsteht im faktischen Vollziehen und Normieren, im gemeinsamen, interkulturellen Musizieren auf dem allgemein verständlichen Fundament des Tanzes und der Gemeinschaftlichkeit. In diesem Sinne bleibt dem Großprojekt nur noch ein langes Club-Leben zu wünschen.
David Weidinger
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